konnte nur allmählig in dem reinen Herzen sich bilden. Auch machten sie, die unschul- digen an dem Gemälde verschwendeten Liebkosungen schon unbeschreiblich glücklich.
Aber ach! die Sonne kam näher, die Nächte wurden lauer, Zoraide hatte das sechszehnte Jahr erreicht, und ihr Schlum- mer ward oft unterbrochen. -- Jhr dünkte, es solle sie etwas umfassen, mit Kraft, mit Heftigkeit umfassen. -- Sie müsse es dann fest, fest an ihr Herz drücken, als gäbe sie sich auf ewig dahin, als solle nur der Tod sie scheiden. -- Ja so mußte sie es in ihre Arme schließen. Aber ach Gott! was solte sie umfassen? -- Das Bild? -- es ließ sich nicht denken. -- Nun irrte sie mit trähnenvollem Auge in den Gebüschen um- her. Jhr Glück war dahin, und das Bild stand verlassen.
Aber wenn sie nun auf dem einsamen
konnte nur allmaͤhlig in dem reinen Herzen ſich bilden. Auch machten ſie, die unſchul- digen an dem Gemaͤlde verſchwendeten Liebkoſungen ſchon unbeſchreiblich gluͤcklich.
Aber ach! die Sonne kam naͤher, die Naͤchte wurden lauer, Zoraide hatte das ſechszehnte Jahr erreicht, und ihr Schlum- mer ward oft unterbrochen. — Jhr duͤnkte, es ſolle ſie etwas umfaſſen, mit Kraft, mit Heftigkeit umfaſſen. — Sie muͤſſe es dann feſt, feſt an ihr Herz druͤcken, als gaͤbe ſie ſich auf ewig dahin, als ſolle nur der Tod ſie ſcheiden. — Ja ſo mußte ſie es in ihre Arme ſchließen. Aber ach Gott! was ſolte ſie umfaſſen? — Das Bild? — es ließ ſich nicht denken. — Nun irrte ſie mit traͤhnenvollem Auge in den Gebuͤſchen um- her. Jhr Gluͤck war dahin, und das Bild ſtand verlaſſen.
Aber wenn ſie nun auf dem einſamen
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konnte nur allmaͤhlig in dem reinen Herzen
ſich bilden. Auch machten ſie, die unſchul-
digen an dem Gemaͤlde verſchwendeten
Liebkoſungen ſchon unbeſchreiblich gluͤcklich.
Aber ach! die Sonne kam naͤher, die
Naͤchte wurden lauer, Zoraide hatte das
ſechszehnte Jahr erreicht, und ihr Schlum-
mer ward oft unterbrochen. — Jhr duͤnkte,
es ſolle ſie etwas umfaſſen, mit Kraft, mit
Heftigkeit umfaſſen. — Sie muͤſſe es dann
feſt, feſt an ihr Herz druͤcken, als gaͤbe
ſie ſich auf ewig dahin, als ſolle nur der
Tod ſie ſcheiden. — Ja ſo mußte ſie es in
ihre Arme ſchließen. Aber ach Gott! was
ſolte ſie umfaſſen? — Das Bild? — es
ließ ſich nicht denken. — Nun irrte ſie mit
traͤhnenvollem Auge in den Gebuͤſchen um-
her. Jhr Gluͤck war dahin, und das Bild
ſtand verlaſſen.
Aber wenn ſie nun auf dem einſamen
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[Fischer, Caroline Auguste]: Mährchen, In: Journal der Romane. St. 10. Berlin, 1802, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fischer_maehrchen_1802/30>, abgerufen am 16.02.2025.
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