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[Fischer, Caroline Auguste]: Mährchen, In: Journal der Romane. St. 10. Berlin, 1802.

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einem Baume eingeklemmt war. Neben
ihm hingen an einem Aste das Wehrge-
henke und die Scheide, welche, obgleich aus
schlechtem, unscheinlichem Stoffe gearbeitet,
mit so hellem Glanze strahlte, daß sie den
Wanderer schon in weiter Ferne anlockte.
Kaum hatte er sich aber genähert, und den
Griff des Säbels berührt: so fuhr die breite,
vergoldete Klinge leicht aus der Klemme,
und in den Zweigen des Baumes ertönten
so schmeichelnde, sanfte Harmonien, daß
Takeddin bald im Schatten desselben ent-
schlief. Er hatte nun ein wunderbares,
aber liebliches Traumgesicht von einem
kristallenen Thurme, worin unverhüllte
Mädchen tanzten und eine verhüllte Jung-
frau trauerte: ein Traumbild, wovon wir
vorläufig nichts verrathen wollen, weil es
in der Wirklichkeit sich vielleicht noch ein-
mal zeigen wird; obgleich Takeddin eben
jetzt daran zurückdenkt.

einem Baume eingeklemmt war. Neben
ihm hingen an einem Aſte das Wehrge-
henke und die Scheide, welche, obgleich aus
ſchlechtem, unſcheinlichem Stoffe gearbeitet,
mit ſo hellem Glanze ſtrahlte, daß ſie den
Wanderer ſchon in weiter Ferne anlockte.
Kaum hatte er ſich aber genaͤhert, und den
Griff des Saͤbels beruͤhrt: ſo fuhr die breite,
vergoldete Klinge leicht aus der Klemme,
und in den Zweigen des Baumes ertoͤnten
ſo ſchmeichelnde, ſanfte Harmonien, daß
Takeddin bald im Schatten deſſelben ent-
ſchlief. Er hatte nun ein wunderbares,
aber liebliches Traumgeſicht von einem
kriſtallenen Thurme, worin unverhuͤllte
Maͤdchen tanzten und eine verhuͤllte Jung-
frau trauerte: ein Traumbild, wovon wir
vorlaͤufig nichts verrathen wollen, weil es
in der Wirklichkeit ſich vielleicht noch ein-
mal zeigen wird; obgleich Takeddin eben
jetzt daran zuruͤckdenkt.

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[142/0146] einem Baume eingeklemmt war. Neben ihm hingen an einem Aſte das Wehrge- henke und die Scheide, welche, obgleich aus ſchlechtem, unſcheinlichem Stoffe gearbeitet, mit ſo hellem Glanze ſtrahlte, daß ſie den Wanderer ſchon in weiter Ferne anlockte. Kaum hatte er ſich aber genaͤhert, und den Griff des Saͤbels beruͤhrt: ſo fuhr die breite, vergoldete Klinge leicht aus der Klemme, und in den Zweigen des Baumes ertoͤnten ſo ſchmeichelnde, ſanfte Harmonien, daß Takeddin bald im Schatten deſſelben ent- ſchlief. Er hatte nun ein wunderbares, aber liebliches Traumgeſicht von einem kriſtallenen Thurme, worin unverhuͤllte Maͤdchen tanzten und eine verhuͤllte Jung- frau trauerte: ein Traumbild, wovon wir vorlaͤufig nichts verrathen wollen, weil es in der Wirklichkeit ſich vielleicht noch ein- mal zeigen wird; obgleich Takeddin eben jetzt daran zuruͤckdenkt.

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Zitationshilfe: [Fischer, Caroline Auguste]: Mährchen, In: Journal der Romane. St. 10. Berlin, 1802, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fischer_maehrchen_1802/146>, abgerufen am 25.11.2024.