Finen, Eberhard: Kläglicher Sterbe-Wunsch Pauli als Ein Wunsch eines Hohen in der Welt. Braunschweig, 1706.Frömmste manches mahl aus Ubereilung / Unwissenheit und ohne Vorbedacht sündiget. Hierzu kommen noch die geistlichen Anfechtungen / welche die Gläubigen / ob sie gleichRom. V, 1. Friede mit GOtt haben / durch ihren HErrn JEsum Christum / dennoch öffters zum Streit aufffodern / daß der Glaube an seiner Freudigkeit einen Abgang leidet / das Gewissen auch wol die schon längst vergebene Sünden wieder aufwärmet / mit dem Zorn GOttes schrecket / und zuweilen das Hertz ihm selbst nicht vergeben wil / was doch GOtt schon vergeben hat. Verwundert euch denn nicht M. A. daß Paulus dieses Ubel / die Sünde die in ihm wohnet / und damit er sich so wol als andere Wiedergebohrne schleppen müssen / einen Tod nennet. Vors erste wuste er / daß der leibliche Tod auch der Erb-Sünden Sold. Ferner war es /Rom. VI, 23. nach der gewöhnlichen Redens-Art / sein Tod daß er solchen Widerwillen zum Guten / so viel Neigung zum Bösen / so viel Unvermögen seinem JEsu / den er so hertzlich liebte / in allen zu Gefallen zu leben spürete / dieß brachte seinen Geist aus einer tödtlichen Ohnmacht in die andere. So sahe er auch wol / daß wenn es die Gnade GOttes nicht verhütete / der geistliche und ewige Tod daraus erfolgen könte. Bey solchen Umständen können wir Paulum nicht verdencken / daß er sich einen elenden Menschen / einen rechten [fremdsprachliches Material], einen recht jämmerlichen Menschen nennet. Und wenn wir den rechten Nachdruck nach anderweitigen Gebrauch dieses Worts ansehen / so hält sich der Apostel denen gleich / welche durch allerhand Angst / Krieges-Last / Verfolgung / Gefängniß / schwere Arbeit gantz abgemergelt / abgezehret / ausgesogen / gantz ermattet und ermüdet sind. In der ersten grossen Verfolgung der Christen wurden einige Märtyrer an todte Cörper angebunden / und musten so liegend an denselben verfaulen; Ja einige wurden gar in totes Aaß eingenehet / daß sie in dem Gestanck und Fäulniß verderben musten. Das Elend dieser Unglückseligen muß sehr groß gewesen seyn; und siehe bey Paulo und andern Wiedergebohrnen muß der inwendige Mensch sich mit dem Leibe des Todes / mit der sündlichen bösen Unart schleppen / gantz davon umgeben seyn / und so zu reden seinen garstigen Geruch einnehmen / ja wo er sich nicht vor siehet / kan er von der Fäulniß angestecket werden. Frömmste manches mahl aus Ubereilung / Unwissenheit und ohne Vorbedacht sündiget. Hierzu kommen noch die geistlichen Anfechtungen / welche die Gläubigen / ob sie gleichRom. V, 1. Friede mit GOtt haben / durch ihren HErrn JEsum Christum / dennoch öffters zum Streit aufffodern / daß der Glaube an seiner Freudigkeit einen Abgang leidet / das Gewissen auch wol die schon längst vergebene Sünden wieder aufwärmet / mit dem Zorn GOttes schrecket / und zuweilen das Hertz ihm selbst nicht vergeben wil / was doch GOtt schon vergeben hat. Verwundert euch denn nicht M. A. daß Paulus dieses Ubel / die Sünde die in ihm wohnet / und damit er sich so wol als andere Wiedergebohrne schleppen müssen / einen Tod nennet. Vors erste wuste er / daß der leibliche Tod auch der Erb-Sünden Sold. Ferner war es /Rom. VI, 23. nach der gewöhnlichen Redens-Art / sein Tod daß er solchen Widerwillen zum Guten / so viel Neigung zum Bösen / so viel Unvermögen seinem JEsu / den er so hertzlich liebte / in allen zu Gefallen zu leben spürete / dieß brachte seinen Geist aus einer tödtlichen Ohnmacht in die andere. So sahe er auch wol / daß wenn es die Gnade GOttes nicht verhütete / der geistliche und ewige Tod daraus erfolgen könte. Bey solchen Umständen köñen wir Paulum nicht verdencken / daß er sich einen elenden Menschen / einen rechten [fremdsprachliches Material], einen recht jämmerlichen Menschen nennet. Und wenn wir den rechten Nachdruck nach anderweitigen Gebrauch dieses Worts ansehen / so hält sich der Apostel denen gleich / welche durch allerhand Angst / Krieges-Last / Verfolgung / Gefängniß / schwere Arbeit gantz abgemergelt / abgezehret / ausgesogen / gantz ermattet und ermüdet sind. In der ersten grossen Verfolgung der Christen wurden einige Märtyrer an todte Cörper angebunden / und musten so liegend an denselben verfaulen; Ja einige wurden gar in totes Aaß eingenehet / daß sie in dem Gestanck und Fäulniß verderben musten. Das Elend dieser Unglückseligen muß sehr groß gewesen seyn; und siehe bey Paulo und andern Wiedergebohrnen muß der inwendige Mensch sich mit dem Leibe des Todes / mit der sündlichen bösen Unart schleppen / gantz davon umgeben seyn / und so zu reden seinen garstigen Geruch einnehmen / ja wo er sich nicht vor siehet / kan er von der Fäulniß angestecket werden. <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0015" n="11"/> Frömmste manches mahl aus Ubereilung / Unwissenheit und ohne Vorbedacht sündiget. Hierzu kommen noch die geistlichen Anfechtungen / welche die Gläubigen / ob sie gleich<note place="right">Rom. V, 1.</note> Friede mit GOtt haben / durch ihren HErrn JEsum Christum / dennoch öffters zum Streit aufffodern / daß der Glaube an seiner Freudigkeit einen Abgang leidet / das Gewissen auch wol die schon längst vergebene Sünden wieder aufwärmet / mit dem Zorn GOttes schrecket / und zuweilen das Hertz ihm selbst nicht vergeben wil / was doch GOtt schon vergeben hat. Verwundert euch denn nicht M. A. daß Paulus dieses Ubel / die Sünde die in ihm wohnet / und damit er sich so wol als andere Wiedergebohrne schleppen müssen / einen Tod nennet. Vors erste wuste er / daß der leibliche Tod auch der Erb-Sünden Sold. Ferner war es /<note place="right">Rom. VI, 23.</note> nach der gewöhnlichen Redens-Art / sein Tod daß er solchen Widerwillen zum Guten / so viel Neigung zum Bösen / so viel Unvermögen seinem JEsu / den er so hertzlich liebte / in allen zu Gefallen zu leben spürete / dieß brachte seinen Geist aus einer tödtlichen Ohnmacht in die andere. So sahe er auch wol / daß wenn es die Gnade GOttes nicht verhütete / der geistliche und ewige Tod daraus erfolgen könte.</p> <p>Bey solchen Umständen köñen wir Paulum nicht verdencken / daß er sich einen elenden Menschen / einen rechten <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign>, einen recht jämmerlichen Menschen nennet. 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Frömmste manches mahl aus Ubereilung / Unwissenheit und ohne Vorbedacht sündiget. Hierzu kommen noch die geistlichen Anfechtungen / welche die Gläubigen / ob sie gleich Friede mit GOtt haben / durch ihren HErrn JEsum Christum / dennoch öffters zum Streit aufffodern / daß der Glaube an seiner Freudigkeit einen Abgang leidet / das Gewissen auch wol die schon längst vergebene Sünden wieder aufwärmet / mit dem Zorn GOttes schrecket / und zuweilen das Hertz ihm selbst nicht vergeben wil / was doch GOtt schon vergeben hat. Verwundert euch denn nicht M. A. daß Paulus dieses Ubel / die Sünde die in ihm wohnet / und damit er sich so wol als andere Wiedergebohrne schleppen müssen / einen Tod nennet. Vors erste wuste er / daß der leibliche Tod auch der Erb-Sünden Sold. Ferner war es / nach der gewöhnlichen Redens-Art / sein Tod daß er solchen Widerwillen zum Guten / so viel Neigung zum Bösen / so viel Unvermögen seinem JEsu / den er so hertzlich liebte / in allen zu Gefallen zu leben spürete / dieß brachte seinen Geist aus einer tödtlichen Ohnmacht in die andere. So sahe er auch wol / daß wenn es die Gnade GOttes nicht verhütete / der geistliche und ewige Tod daraus erfolgen könte.
Rom. V, 1.
Rom. VI, 23. Bey solchen Umständen köñen wir Paulum nicht verdencken / daß er sich einen elenden Menschen / einen rechten _ , einen recht jämmerlichen Menschen nennet. Und wenn wir den rechten Nachdruck nach anderweitigen Gebrauch dieses Worts ansehen / so hält sich der Apostel denen gleich / welche durch allerhand Angst / Krieges-Last / Verfolgung / Gefängniß / schwere Arbeit gantz abgemergelt / abgezehret / ausgesogen / gantz ermattet und ermüdet sind. In der ersten grossen Verfolgung der Christen wurden einige Märtyrer an todte Cörper angebunden / und musten so liegend an denselben verfaulen; Ja einige wurden gar in totes Aaß eingenehet / daß sie in dem Gestanck und Fäulniß verderben musten. Das Elend dieser Unglückseligen muß sehr groß gewesen seyn; und siehe bey Paulo und andern Wiedergebohrnen muß der inwendige Mensch sich mit dem Leibe des Todes / mit der sündlichen bösen Unart schleppen / gantz davon umgeben seyn / und so zu reden seinen garstigen Geruch einnehmen / ja wo er sich nicht vor siehet / kan er von der Fäulniß angestecket werden.
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Zitationshilfe: | Finen, Eberhard: Kläglicher Sterbe-Wunsch Pauli als Ein Wunsch eines Hohen in der Welt. Braunschweig, 1706, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/finen_sterbewunsch_1707/15>, abgerufen am 27.07.2024. |