Finen, Eberhard: Helmstädtsche Denk- und Dank-Reden. Helmstedt, 1702.der Gewohnheit als Nohtwendigkeit richten wolte. Hie ist ja kein Vater der Leyde trägt; hie ist keine Mutter / die einen wolgerahtenen Sohn bedauret; hie ist keine Wittwe / die ihren Mann beseuffzet; hie sind keine Kinder / die das Grab ihres Vaters mit Thränen benetzen; Anverwandten sollen noch vorhanden seyn / aber ich müste starck ruffen / wenn mich dieselbe hören solten; Ja ist mir recht / so höre ich diese Worte: Dieß sind lachende Erben / die werden wol leicht zu trösten seyn. Aber stille / da ich von lachenden Erben höre / höre ich ein Wort / welches mir zu mehren Worten Anlaß giebt. Ich wil / wenn ich mich einer kleinen Gedult von M. H. A. versichern kan / beweisen / daß unsere Leiche eine belachte Leiche sey. Sonst weiß ich wol was weyse Heiden gesagt: De mortuo non riseris; ich weiß auch wol was Syrach fordert / wenn er spricht: Mein Kind wenn jemand stirbet so beweine ihn. Und die / welche Rom gesehen / wollen auf alten Grabsteinen diese Worte angemercket haben: Cum lacrymis posuere, man hat diese Leiche mit Thränen hieher gesetzet. Sonder Zweiffel zielen diese Worte auf die Gefässe so man vorzeiten mit Thränen gefüllet / und bey die Asche der todten Cörper in die so genandte Urnas oder Leichen-Töpffe gethan; Wenn denn die Steine von den wehmühtigen Thränen der Heyden noch Zeugniß geben / und wenn es bey ihren Leichen hieß cum lacrymis posuere, So müste es traun bey Christen nicht heissen: Cum risu posuere. Dessen aber ungeachtet / so sage ich doch: Unsere Leiche ist eine belachte Leiche. Mein wer solte es aber wol seyn / dem Sie ein Lachen oder Freude zugerichtet? der ist es / welcher bey diesem Tode ein Grosses zugewinnen meinet; der Tod. Ich erinnere mich hiebey eines Gemähldes / welches ein der Gewohnheit als Nohtwendigkeit richten wolte. Hie ist ja kein Vater der Leyde trägt; hie ist keine Mutter / die einen wolgerahtenen Sohn bedauret; hie ist keine Wittwe / die ihren Mann beseuffzet; hie sind keine Kinder / die das Grab ihres Vaters mit Thränen benetzen; Anverwandten sollen noch vorhanden seyn / aber ich müste starck ruffen / wenn mich dieselbe hören solten; Ja ist mir recht / so höre ich diese Worte: Dieß sind lachende Erben / die werden wol leicht zu trösten seyn. Aber stille / da ich von lachenden Erben höre / höre ich ein Wort / welches mir zu mehren Worten Anlaß giebt. Ich wil / wenn ich mich einer kleinen Gedult von M. H. A. versichern kan / beweisen / daß unsere Leiche eine belachte Leiche sey. Sonst weiß ich wol was weyse Heiden gesagt: De mortuo non riseris; ich weiß auch wol was Syrach fordert / wenn er spricht: Mein Kind wenn jemand stirbet so beweine ihn. Und die / welche Rom gesehen / wollen auf alten Grabsteinen diese Worte angemercket haben: Cum lacrymis posuere, man hat diese Leiche mit Thränen hieher gesetzet. Sonder Zweiffel zielen diese Worte auf die Gefässe so man vorzeiten mit Thränen gefüllet / und bey die Asche der todten Cörper in die so genandte Urnas oder Leichen-Töpffe gethan; Wenn denn die Steine von den wehmühtigen Thränen der Heyden noch Zeugniß geben / und wenn es bey ihren Leichen hieß cum lacrymis posuere, So müste es traun bey Christen nicht heissen: Cum risu posuere. Dessen aber ungeachtet / so sage ich doch: Unsere Leiche ist eine belachte Leiche. Mein wer solte es aber wol seyn / dem Sie ein Lachen oder Freude zugerichtet? der ist es / welcher bey diesem Tode ein Grosses zugewinnen meinet; der Tod. Ich erinnere mich hiebey eines Gemähldes / welches ein <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0009" n="3"/> der Gewohnheit als Nohtwendigkeit richten wolte. Hie ist ja kein Vater der Leyde trägt; hie ist keine Mutter / die einen wolgerahtenen Sohn bedauret; hie ist keine Wittwe / die ihren Mann beseuffzet; hie sind keine Kinder / die das Grab ihres Vaters mit Thränen benetzen; Anverwandten sollen noch vorhanden seyn / aber ich müste starck ruffen / wenn mich dieselbe hören solten; Ja ist mir recht / so höre ich diese Worte: Dieß sind lachende Erben / die werden wol leicht zu trösten seyn. Aber stille / da ich von lachenden Erben höre / höre ich ein Wort / welches mir zu mehren Worten Anlaß giebt. Ich wil / wenn ich mich einer kleinen Gedult von M. H. A. versichern kan / beweisen / daß unsere Leiche eine belachte Leiche sey.</p> <p>Sonst weiß ich wol was weyse Heiden gesagt: De mortuo non riseris; ich weiß auch wol was Syrach fordert / wenn er spricht: Mein Kind wenn jemand stirbet so beweine ihn. Und die / welche Rom gesehen / wollen auf alten Grabsteinen diese Worte angemercket haben: Cum lacrymis posuere, man hat diese Leiche mit Thränen hieher gesetzet. Sonder Zweiffel zielen diese Worte auf die Gefässe so man vorzeiten mit Thränen gefüllet / und bey die Asche der todten Cörper in die so genandte Urnas oder Leichen-Töpffe gethan; Wenn denn die Steine von den wehmühtigen Thränen der Heyden noch Zeugniß geben / und wenn es bey ihren Leichen hieß cum lacrymis posuere, So müste es traun bey Christen nicht heissen: Cum risu posuere. Dessen aber ungeachtet / so sage ich doch: Unsere Leiche ist eine belachte Leiche. Mein wer solte es aber wol seyn / dem Sie ein Lachen oder Freude zugerichtet? der ist es / welcher bey diesem Tode ein Grosses zugewinnen meinet; der Tod.</p> <p>Ich erinnere mich hiebey eines Gemähldes / welches ein </p> </div> </body> </text> </TEI> [3/0009]
der Gewohnheit als Nohtwendigkeit richten wolte. Hie ist ja kein Vater der Leyde trägt; hie ist keine Mutter / die einen wolgerahtenen Sohn bedauret; hie ist keine Wittwe / die ihren Mann beseuffzet; hie sind keine Kinder / die das Grab ihres Vaters mit Thränen benetzen; Anverwandten sollen noch vorhanden seyn / aber ich müste starck ruffen / wenn mich dieselbe hören solten; Ja ist mir recht / so höre ich diese Worte: Dieß sind lachende Erben / die werden wol leicht zu trösten seyn. Aber stille / da ich von lachenden Erben höre / höre ich ein Wort / welches mir zu mehren Worten Anlaß giebt. Ich wil / wenn ich mich einer kleinen Gedult von M. H. A. versichern kan / beweisen / daß unsere Leiche eine belachte Leiche sey.
Sonst weiß ich wol was weyse Heiden gesagt: De mortuo non riseris; ich weiß auch wol was Syrach fordert / wenn er spricht: Mein Kind wenn jemand stirbet so beweine ihn. Und die / welche Rom gesehen / wollen auf alten Grabsteinen diese Worte angemercket haben: Cum lacrymis posuere, man hat diese Leiche mit Thränen hieher gesetzet. Sonder Zweiffel zielen diese Worte auf die Gefässe so man vorzeiten mit Thränen gefüllet / und bey die Asche der todten Cörper in die so genandte Urnas oder Leichen-Töpffe gethan; Wenn denn die Steine von den wehmühtigen Thränen der Heyden noch Zeugniß geben / und wenn es bey ihren Leichen hieß cum lacrymis posuere, So müste es traun bey Christen nicht heissen: Cum risu posuere. Dessen aber ungeachtet / so sage ich doch: Unsere Leiche ist eine belachte Leiche. Mein wer solte es aber wol seyn / dem Sie ein Lachen oder Freude zugerichtet? der ist es / welcher bey diesem Tode ein Grosses zugewinnen meinet; der Tod.
Ich erinnere mich hiebey eines Gemähldes / welches ein
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Zitationshilfe: | Finen, Eberhard: Helmstädtsche Denk- und Dank-Reden. Helmstedt, 1702, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/finen_dankreden_1702/9>, abgerufen am 16.07.2024. |