Finen, Eberhard: Helmstädtsche Denk- und Dank-Reden. Helmstedt, 1702.die Clöster in ihren gottseligen alten Gebrauch solten wieder gebracht werden. Zu dem Ende sahe sie dahin / daß nicht nur in diesen Convent ein Convent und Versammlung aller Christl. Tugenden wäre / sondern auch zuförderst in ihrem eigenen Hertzen Glaube / Liebe / Gottseligkeit / Demuth / Gedult / Sanfftmuth und Freundlichkeit einen stetigen Convent halten möchten. Diese hatte sie nach Pauli Ermahnung als ihr bestes Ehren-Kleid angezogen. Sie kunte demnach flugs nach angenommenen geistlichen Habit auch wol sagen / was jene Hand zu einem Seiten-Wurm / der nunmehr ein ander Kleid und Leben angenommen / geschrieben: Sie ließ Ihr ja höchst angelegen seyn / als eine Domina auch Domina von Ihr selbst zu werden / auch sonst / was dieses ihr Ampt mit sich führet ohne Eigennutz abzuwarten / Ihren Gottesdienst nach vorgeschriebener Ordnung zuverrichten / auch auf des Closters Beste nach Möglichkeit zu sehen. Doch was war es / bey diesen ihren Kleidern war ihre Seele noch in ein ander Kleid eingeschlossen / dessen / da sie es nun beynahe 76. Jahr getragen / und darinn so manches Creutz ausgestanden / sie endlich überdrüßig worden / und es deswegen abzulegen längst so sehnlich gewünschet hat. Ich verstehe kein ander Kleid als das Kleid ihres Leibes. Wie nun ein Seidenwurm / wenn er gnug gearbeitet / sein altes Kleid ab- und ein neues anzulegen mit diesen Worten wünschen möchte: Exuar ut induar, Ach möchte ich nur bald das alte Kleid verlieren / Und davor wiederum ein neues Kleid mich zieren.die Clöster in ihren gottseligen alten Gebrauch solten wieder gebracht werden. Zu dem Ende sahe sie dahin / daß nicht nur in diesen Convent ein Convent und Versammlung aller Christl. Tugenden wäre / sondern auch zuförderst in ihrem eigenen Hertzen Glaube / Liebe / Gottseligkeit / Demuth / Gedult / Sanfftmuth und Freundlichkeit einen stetigen Convent halten möchten. Diese hatte sie nach Pauli Ermahnung als ihr bestes Ehren-Kleid angezogen. Sie kunte demnach flugs nach angenommenen geistlichen Habit auch wol sagen / was jene Hand zu einem Seiten-Wurm / der nunmehr ein ander Kleid und Leben angenommen / geschrieben: Sie ließ Ihr ja höchst angelegen seyn / als eine Domina auch Domina von Ihr selbst zu werden / auch sonst / was dieses ihr Ampt mit sich führet ohne Eigennutz abzuwarten / Ihren Gottesdienst nach vorgeschriebener Ordnung zuverrichten / auch auf des Closters Beste nach Möglichkeit zu sehen. Doch was war es / bey diesen ihren Kleidern war ihre Seele noch in ein ander Kleid eingeschlossen / dessen / da sie es nun beynahe 76. Jahr getragen / und darinn so manches Creutz ausgestanden / sie endlich überdrüßig worden / und es deswegen abzulegen längst so sehnlich gewünschet hat. Ich verstehe kein ander Kleid als das Kleid ihres Leibes. Wie nun ein Seidenwurm / wenn er gnug gearbeitet / sein altes Kleid ab- und ein neues anzulegen mit diesen Worten wünschen möchte: Exuar ut induar, Ach möchte ich nur bald das alte Kleid verlieren / Und davor wiederum ein neues Kleid mich zieren.<TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0083" n="77"/> die Clöster in ihren gottseligen alten Gebrauch solten wieder gebracht werden. Zu dem Ende sahe sie dahin / daß nicht nur in diesen Convent ein Convent und Versammlung aller Christl. Tugenden wäre / sondern auch zuförderst in ihrem eigenen Hertzen Glaube / Liebe / Gottseligkeit / Demuth / Gedult / Sanfftmuth und Freundlichkeit einen stetigen Convent halten möchten. Diese hatte sie nach Pauli Ermahnung als ihr bestes Ehren-Kleid angezogen. Sie kunte demnach flugs nach angenommenen geistlichen Habit auch wol sagen / was jene Hand zu einem Seiten-Wurm / der nunmehr ein ander Kleid und Leben angenommen / geschrieben:</p> <l>Vivo ego jam non ego, Ich lebe / doch bin ich nunmehr ein ander Ich Denn Christus lebt in mir / ich in Ihm stetiglich.</l> <p>Sie ließ Ihr ja höchst angelegen seyn / als eine Domina auch Domina von Ihr selbst zu werden / auch sonst / was dieses ihr Ampt mit sich führet ohne Eigennutz abzuwarten / Ihren Gottesdienst nach vorgeschriebener Ordnung zuverrichten / auch auf des Closters Beste nach Möglichkeit zu sehen.</p> <p>Doch was war es / bey diesen ihren Kleidern war ihre Seele noch in ein ander Kleid eingeschlossen / dessen / da sie es nun beynahe 76. Jahr getragen / und darinn so manches Creutz ausgestanden / sie endlich überdrüßig worden / und es deswegen abzulegen längst so sehnlich gewünschet hat. Ich verstehe kein ander Kleid als das Kleid ihres Leibes. Wie nun ein Seidenwurm / wenn er gnug gearbeitet / sein altes Kleid ab- und ein neues anzulegen mit diesen Worten wünschen möchte:</p> <l>Exuar ut induar, Ach möchte ich nur bald das alte Kleid verlieren / Und davor wiederum ein neues Kleid mich zieren.</l> </div> </body> </text> </TEI> [77/0083]
die Clöster in ihren gottseligen alten Gebrauch solten wieder gebracht werden. Zu dem Ende sahe sie dahin / daß nicht nur in diesen Convent ein Convent und Versammlung aller Christl. Tugenden wäre / sondern auch zuförderst in ihrem eigenen Hertzen Glaube / Liebe / Gottseligkeit / Demuth / Gedult / Sanfftmuth und Freundlichkeit einen stetigen Convent halten möchten. Diese hatte sie nach Pauli Ermahnung als ihr bestes Ehren-Kleid angezogen. Sie kunte demnach flugs nach angenommenen geistlichen Habit auch wol sagen / was jene Hand zu einem Seiten-Wurm / der nunmehr ein ander Kleid und Leben angenommen / geschrieben:
Vivo ego jam non ego, Ich lebe / doch bin ich nunmehr ein ander Ich Denn Christus lebt in mir / ich in Ihm stetiglich. Sie ließ Ihr ja höchst angelegen seyn / als eine Domina auch Domina von Ihr selbst zu werden / auch sonst / was dieses ihr Ampt mit sich führet ohne Eigennutz abzuwarten / Ihren Gottesdienst nach vorgeschriebener Ordnung zuverrichten / auch auf des Closters Beste nach Möglichkeit zu sehen.
Doch was war es / bey diesen ihren Kleidern war ihre Seele noch in ein ander Kleid eingeschlossen / dessen / da sie es nun beynahe 76. Jahr getragen / und darinn so manches Creutz ausgestanden / sie endlich überdrüßig worden / und es deswegen abzulegen längst so sehnlich gewünschet hat. Ich verstehe kein ander Kleid als das Kleid ihres Leibes. Wie nun ein Seidenwurm / wenn er gnug gearbeitet / sein altes Kleid ab- und ein neues anzulegen mit diesen Worten wünschen möchte:
Exuar ut induar, Ach möchte ich nur bald das alte Kleid verlieren / Und davor wiederum ein neues Kleid mich zieren.
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Zitationshilfe: | Finen, Eberhard: Helmstädtsche Denk- und Dank-Reden. Helmstedt, 1702, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/finen_dankreden_1702/83>, abgerufen am 16.02.2025. |