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Finen, Eberhard: Helmstädtsche Denk- und Dank-Reden. Helmstedt, 1702.

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dem Buche Ruth III. V. II. und sage / die gantze Stadt weiß / daß Sie ein tugendsahm Weib gewesen / eine treue Gehülffinn ihrem Sehl. Manne / eine fürsichtige Mutter ihren Kindern / eine sorgfältige Hauß-Mutter ihrem Gesinde / eine aufrichtige Freundinne ihren Anverwandten und Bekandten / ihren Nachbahren und Geschwister / eine fromme Witwe wie die Hanna, welche das Gottes-Haus fleißig besuchet / welche Gott gedienet mit Gebeht und Flehen / eine mitleidige Wittwe wie die zu Zarpath / eine Wittwe voll guter Wercke wie die Tabea. In dem ich Sie aber eine Wittwe nenne / nenne ich zugleich eins von dem grösten Unglücke / welches einem Menschen in der Welt begegnen kan. Nicht unbillig hat ein vortrefflicher Theologus eine Wittwe mit einem solchen Menschen verglichen / welcher vom Schlage gerühret und an der einen Helffte des Leibes gantz todt / an der andern Helffte aber kranck und krafftloß ist; jenes Theil taugt weiter zu nichts / es fühlet nichts und bewegt sich nicht / dieses aber ist um des andern wilen gantz kranck und laß / und kan nichts rechtes anfangen. Nun ist aber Mann und Weib ein Leib und ein Fleisch / wenn demnach der Mann verstirbet / so ist der halbe Leib todt und verweset / die andere Helffte bleibt kranck und krafftloß; so ist also eine Witwe / nur so zu reden / ein halber Mensche. Und jene sinnreiche Feder stellet eine Wittwe als in einem Sinnbilde vor unter einer Corallen-Staude / welche nicht als nur in nassen wachsen / mit der Beyschrifft: in lacrymis tantum vivo. Anzuzeigen / daß eine Wittwe ihr Leben nur in Thränen zubringe. Ach in solchem zustande hat unsere Seel. Frau Professorinn 33 Jahr

dem Buche Ruth III. V. II. und sage / die gantze Stadt weiß / daß Sie ein tugendsahm Weib gewesen / eine treue Gehülffinn ihrem Sehl. Manne / eine fürsichtige Mutter ihren Kindern / eine sorgfältige Hauß-Mutter ihrem Gesinde / eine aufrichtige Freundinne ihren Anverwandten und Bekandten / ihren Nachbahren und Geschwister / eine fromme Witwe wie die Hanna, welche das Gottes-Haus fleißig besuchet / welche Gott gedienet mit Gebeht und Flehen / eine mitleidige Wittwe wie die zu Zarpath / eine Wittwe voll guter Wercke wie die Tabea. In dem ich Sie aber eine Wittwe nenne / nenne ich zugleich eins von dem grösten Unglücke / welches einem Menschen in der Welt begegnen kan. Nicht unbillig hat ein vortrefflicher Theologus eine Wittwe mit einem solchen Menschen verglichen / welcher vom Schlage gerühret und an der einen Helffte des Leibes gantz todt / an der andern Helffte aber kranck und krafftloß ist; jenes Theil taugt weiter zu nichts / es fühlet nichts uñ bewegt sich nicht / dieses aber ist um des andern wilen gantz kranck und laß / und kan nichts rechtes anfangẽ. Nun ist aber Mann und Weib ein Leib und ein Fleisch / wenn demnach der Mann verstirbet / so ist der halbe Leib todt und verweset / die andere Helffte bleibt kranck und krafftloß; so ist also eine Witwe / nur so zu reden / ein halber Mensche. Und jene sinnreiche Feder stellet eine Wittwe als in einem Sinnbilde vor unter einer Corallen-Staude / welche nicht als nur in nassen wachsen / mit der Beyschrifft: in lacrymis tantum vivo. Anzuzeigen / daß eine Wittwe ihr Leben nur in Thränen zubringe. Ach in solchem zustande hat unsere Seel. Frau Professorinn 33 Jahr

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[128/0134] dem Buche Ruth III. V. II. und sage / die gantze Stadt weiß / daß Sie ein tugendsahm Weib gewesen / eine treue Gehülffinn ihrem Sehl. Manne / eine fürsichtige Mutter ihren Kindern / eine sorgfältige Hauß-Mutter ihrem Gesinde / eine aufrichtige Freundinne ihren Anverwandten und Bekandten / ihren Nachbahren und Geschwister / eine fromme Witwe wie die Hanna, welche das Gottes-Haus fleißig besuchet / welche Gott gedienet mit Gebeht und Flehen / eine mitleidige Wittwe wie die zu Zarpath / eine Wittwe voll guter Wercke wie die Tabea. In dem ich Sie aber eine Wittwe nenne / nenne ich zugleich eins von dem grösten Unglücke / welches einem Menschen in der Welt begegnen kan. Nicht unbillig hat ein vortrefflicher Theologus eine Wittwe mit einem solchen Menschen verglichen / welcher vom Schlage gerühret und an der einen Helffte des Leibes gantz todt / an der andern Helffte aber kranck und krafftloß ist; jenes Theil taugt weiter zu nichts / es fühlet nichts uñ bewegt sich nicht / dieses aber ist um des andern wilen gantz kranck und laß / und kan nichts rechtes anfangẽ. Nun ist aber Mann und Weib ein Leib und ein Fleisch / wenn demnach der Mann verstirbet / so ist der halbe Leib todt und verweset / die andere Helffte bleibt kranck und krafftloß; so ist also eine Witwe / nur so zu reden / ein halber Mensche. Und jene sinnreiche Feder stellet eine Wittwe als in einem Sinnbilde vor unter einer Corallen-Staude / welche nicht als nur in nassen wachsen / mit der Beyschrifft: in lacrymis tantum vivo. Anzuzeigen / daß eine Wittwe ihr Leben nur in Thränen zubringe. Ach in solchem zustande hat unsere Seel. Frau Professorinn 33 Jahr

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Zitationshilfe: Finen, Eberhard: Helmstädtsche Denk- und Dank-Reden. Helmstedt, 1702, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/finen_dankreden_1702/134>, abgerufen am 27.04.2024.