Finen, Eberhard: Helmstädtsche Denk- und Dank-Reden. Helmstedt, 1702.Wohl-Ehren Vesten / Großachtbahren Herrn Johann Nevershusen wolbenahmten Bürger / Victual-Händler und Vorsteher des Armen-Kastens macht er zum betrübten Witwer / dessen beyde liebe Töchter zu Mutterlosen Weysen. Vor ohngefehr 2. Stunden muste Er sein halbes Hertz / seine treue Hauß-Ehre / Sie ihre sorgfältige Mutter die weyland Ehr- und Tugendbegabte Frau Margaretha Nevershusen gebohrne Wernerin in das finstere Grab versencken sehen. Unglückseeliger Januarius, soliu den Nahmen führen a Janua von der Thür / und öffnest nicht / sondern schleust vielmehr die Lebens-Pforte zu! Unglückseeliger Neujahrs-Tag / da alles in Begriff war mit Neujahrs-wünschen einander zu begegnen / da muste man in dem Neverhusischen Hause vor dem Krancken-Bette der Haus-Mutter nur abwechselnde und ächzende Seufzer hören! Ja unglückseliger Morgen / da noch ehe der Tag anbrach / der gar zu frühe Abend der Sehl. Frauen eingetretten! Doch was sage ich von Unglückseeligkeit / wenn ich recht wil von der Sache reden / so muß ich sagen / daß Sie es ist an diesem Orte / an welcher der Neujahrs-Wunsch am ersten und glükligsten erfüllet worden. 45. mahl ist ihr wol das Neujahr gewünschet / denn soviel Neujahrs-Tage hat Sie in der Welt erlebet; Aber wie man insgemein das / was Salomo Eccl. 5. 6. von den Träumen saget: Wo viel Träume sind / da ist Eitelkeit / auch von dem wünschen sagen möchte / wo viel Wünsche sind / da ist Eitelkeit / so würde die Sehl. wenn Ihr erblaßter Mund reden solte / gestehen / daß viele Wünsche / so Ihr geschehen / eitel und umsonst gewesen / nur der letzte sey glücklich und vollkommen erfüllet worden. Denn laß seyn daß Sie etliche gute Jahre gehabt; das Jahr darin Sie zur Christin worden / das Jahr da Sie die glückliche Vermäh- Wohl-Ehren Vesten / Großachtbahren Herrn Johann Nevershusen wolbenahmten Bürger / Victual-Händler und Vorsteher des Armen-Kastens macht er zum betrübten Witwer / dessen beyde liebe Töchter zu Mutterlosen Weysen. Vor ohngefehr 2. Stunden muste Er sein halbes Hertz / seine treue Hauß-Ehre / Sie ihre sorgfältige Mutter die weyland Ehr- und Tugendbegabte Frau Margaretha Nevershusen gebohrne Wernerin in das finstere Grab versencken sehen. Unglückseeliger Januarius, soliu den Nahmen führen â Janua von der Thür / und öffnest nicht / sondern schleust vielmehr die Lebens-Pforte zu! Unglückseeliger Neujahrs-Tag / da alles in Begriff war mit Neujahrs-wünschen einander zu begegnen / da muste man in dem Neverhusischen Hause vor dem Krancken-Bette der Haus-Mutter nur abwechselnde und ächzende Seufzer hören! Ja unglückseliger Morgen / da noch ehe der Tag anbrach / der gar zu frühe Abend der Sehl. Frauen eingetretten! Doch was sage ich von Unglückseeligkeit / wenn ich recht wil von der Sache reden / so muß ich sagen / daß Sie es ist an diesem Orte / an welcher der Neujahrs-Wunsch am ersten und glükligsten erfüllet worden. 45. mahl ist ihr wol das Neujahr gewünschet / denn soviel Neujahrs-Tage hat Sie in der Welt erlebet; Aber wie man insgemein das / was Salomo Eccl. 5. 6. von den Träumen saget: Wo viel Träume sind / da ist Eitelkeit / auch von dem wünschen sagen möchte / wo viel Wünsche sind / da ist Eitelkeit / so würde die Sehl. wenn Ihr erblaßter Mund reden solte / gestehen / daß viele Wünsche / so Ihr geschehen / eitel und umsonst gewesen / nur der letzte sey glücklich und vollkommen erfüllet worden. Denn laß seyn daß Sie etliche gute Jahre gehabt; das Jahr darin Sie zur Christin worden / das Jahr da Sie die glückliche Vermäh- <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0119" n="113"/> Wohl-Ehren Vesten / Großachtbahren Herrn Johann Nevershusen wolbenahmten Bürger / Victual-Händler und Vorsteher des Armen-Kastens macht er zum betrübten Witwer / dessen beyde liebe Töchter zu Mutterlosen Weysen. Vor ohngefehr 2. Stunden muste Er sein halbes Hertz / seine treue Hauß-Ehre / Sie ihre sorgfältige Mutter die weyland Ehr- und Tugendbegabte Frau Margaretha Nevershusen gebohrne Wernerin in das finstere Grab versencken sehen. Unglückseeliger Januarius, soliu den Nahmen führen â Janua von der Thür / und öffnest nicht / sondern schleust vielmehr die Lebens-Pforte zu! Unglückseeliger Neujahrs-Tag / da alles in Begriff war mit Neujahrs-wünschen einander zu begegnen / da muste man in dem Neverhusischen Hause vor dem Krancken-Bette der Haus-Mutter nur abwechselnde und ächzende Seufzer hören! Ja unglückseliger Morgen / da noch ehe der Tag anbrach / der gar zu frühe Abend der Sehl. Frauen eingetretten! Doch was sage ich von Unglückseeligkeit / wenn ich recht wil von der Sache reden / so muß ich sagen / daß Sie es ist an diesem Orte / an welcher der Neujahrs-Wunsch am ersten und glükligsten erfüllet worden. 45. mahl ist ihr wol das Neujahr gewünschet / denn soviel Neujahrs-Tage hat Sie in der Welt erlebet; Aber wie man insgemein das / was Salomo Eccl. 5. 6. von den Träumen saget: Wo viel Träume sind / da ist Eitelkeit / auch von dem wünschen sagen möchte / wo viel Wünsche sind / da ist Eitelkeit / so würde die Sehl. wenn Ihr erblaßter Mund reden solte / gestehen / daß viele Wünsche / so Ihr geschehen / eitel und umsonst gewesen / nur der letzte sey glücklich und vollkommen erfüllet worden. Denn laß seyn daß Sie etliche gute Jahre gehabt; das Jahr darin Sie zur Christin worden / das Jahr da Sie die glückliche Vermäh- </p> </div> </body> </text> </TEI> [113/0119]
Wohl-Ehren Vesten / Großachtbahren Herrn Johann Nevershusen wolbenahmten Bürger / Victual-Händler und Vorsteher des Armen-Kastens macht er zum betrübten Witwer / dessen beyde liebe Töchter zu Mutterlosen Weysen. Vor ohngefehr 2. Stunden muste Er sein halbes Hertz / seine treue Hauß-Ehre / Sie ihre sorgfältige Mutter die weyland Ehr- und Tugendbegabte Frau Margaretha Nevershusen gebohrne Wernerin in das finstere Grab versencken sehen. Unglückseeliger Januarius, soliu den Nahmen führen â Janua von der Thür / und öffnest nicht / sondern schleust vielmehr die Lebens-Pforte zu! Unglückseeliger Neujahrs-Tag / da alles in Begriff war mit Neujahrs-wünschen einander zu begegnen / da muste man in dem Neverhusischen Hause vor dem Krancken-Bette der Haus-Mutter nur abwechselnde und ächzende Seufzer hören! Ja unglückseliger Morgen / da noch ehe der Tag anbrach / der gar zu frühe Abend der Sehl. Frauen eingetretten! Doch was sage ich von Unglückseeligkeit / wenn ich recht wil von der Sache reden / so muß ich sagen / daß Sie es ist an diesem Orte / an welcher der Neujahrs-Wunsch am ersten und glükligsten erfüllet worden. 45. mahl ist ihr wol das Neujahr gewünschet / denn soviel Neujahrs-Tage hat Sie in der Welt erlebet; Aber wie man insgemein das / was Salomo Eccl. 5. 6. von den Träumen saget: Wo viel Träume sind / da ist Eitelkeit / auch von dem wünschen sagen möchte / wo viel Wünsche sind / da ist Eitelkeit / so würde die Sehl. wenn Ihr erblaßter Mund reden solte / gestehen / daß viele Wünsche / so Ihr geschehen / eitel und umsonst gewesen / nur der letzte sey glücklich und vollkommen erfüllet worden. Denn laß seyn daß Sie etliche gute Jahre gehabt; das Jahr darin Sie zur Christin worden / das Jahr da Sie die glückliche Vermäh-
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Zitationshilfe: | Finen, Eberhard: Helmstädtsche Denk- und Dank-Reden. Helmstedt, 1702, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/finen_dankreden_1702/119>, abgerufen am 16.07.2024. |