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Finen, Eberhard: Der unbewegliche Damm der Gläubigen. Braunschweig, [1716].

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WEin Vater / wie? wie ists / mein allerliebster Vater? Wil Er mir denn so bald / ach! gar zu bald entgehn? Er war ja sonst / nächst GOtt / mein treuester Berahter: Wil Er mir denn hinfort nicht zu der Seiten stehn? Bishero hab ich zwar nicht sonderlich empfunden / Wie sehr des Todes Pfeil auch lebende verletzt. Doch Sein Tod schläget mir auf einmahl solche Wunden / Wodurch mein Leben wird in grosse Noth gesetzt. Ja kont' ich sonsten es nicht allzudeutlich wissen / Wie fest mein Wolergehn an Seiner Wolfahrt hieng; So spür' ichs allzuviel / nachdem Er mir entrissen / Weil ich durch Seinen Fall zugleich danieder sinck. Es steht kein Rebe fest / wenn ihm die Stütz entnommen: Kein Kraut gedeyet wol / das nicht der Gärtner pflegt: Und wie kan eine Frucht zur rechten Reifung kommen / Wenn der krafftlose Baum sich an die Erde legt? Wächst auch ein Zweigelein an einem dürren Stamme? Pflegt es in kurtzer Zeit mit ihm nicht aus zu seyn? Ist wol ein sichrer Ort beym eingerißnen Damme? Stürmt nicht die Wasser-Flut von allen Seiten ein? So und nicht anders sind die Kinder anzusehen / Die ihres Vaters gar zu früh beraubet sind. Ach! dörfft' ich doch noch nicht in solcher Anzahl stehen! Ach würd' ich nicht zu früh' ein Vaterloses Kind! Ein Vaterloses Kind? O allzutraurger Nahme / Der auch das süsseste mir Gallenbitter macht! Ein Vaterloses Kind? O Unglücks-voller Saame / Der spitz'ge Dornen-Büsch aus sich herfür gebracht! Ein Vaterloses Kind? Jedoch was will ich klagen? Ich klage das Geschick des grossen GOttes an. Das aber ist nicht recht. Was GOtt thut / muß man tragen. Wer ist / der GOttes Rath und Schickung tadeln kan? Ja / wunderbarer GOtt / du hast es so geschicket / Wie unsers VatersPhil. I, 23. Wunsch und heisses Sehnen war. Ach! aber lindre du den Kummer / der uns drücket / Entreiß' uns Traurige der übrigen Gefahr!
WEin Vater / wie? wie ists / mein allerliebster Vater? Wil Er mir denn so bald / ach! gar zu bald entgehn? Er war ja sonst / nächst GOtt / mein treuester Berahter: Wil Er mir denn hinfort nicht zu der Seiten stehn? Bishero hab ich zwar nicht sonderlich empfunden / Wie sehr des Todes Pfeil auch lebende verletzt. Doch Sein Tod schläget mir auf einmahl solche Wunden / Wodurch mein Leben wird in grosse Noth gesetzt. Ja kont’ ich sonsten es nicht allzudeutlich wissen / Wie fest mein Wolergehn an Seiner Wolfahrt hieng; So spür’ ichs allzuviel / nachdem Er mir entrissen / Weil ich durch Seinen Fall zugleich danieder sinck. Es steht kein Rebe fest / wenn ihm die Stütz entnommen: Kein Kraut gedeyet wol / das nicht der Gärtner pflegt: Und wie kan eine Frucht zur rechten Reifung kommen / Wenn der krafftlose Baum sich an die Erde legt? Wächst auch ein Zweigelein an einem dürren Stamme? Pflegt es in kurtzer Zeit mit ihm nicht aus zu seyn? Ist wol ein sichrer Ort beym eingerißnen Damme? Stürmt nicht die Wasser-Flut von allen Seiten ein? So und nicht anders sind die Kinder anzusehen / Die ihres Vaters gar zu früh beraubet sind. Ach! dörfft’ ich doch noch nicht in solcher Anzahl stehen! Ach würd’ ich nicht zu früh’ ein Vaterloses Kind! Ein Vaterloses Kind? O allzutraurger Nahme / Der auch das süsseste mir Gallenbitter macht! Ein Vaterloses Kind? O Unglücks-voller Saame / Der spitz’ge Dornen-Büsch aus sich herfür gebracht! Ein Vaterloses Kind? Jedoch was will ich klagen? Ich klage das Geschick des grossen GOttes an. Das aber ist nicht recht. Was GOtt thut / muß man tragen. Wer ist / der GOttes Rath und Schickung tadeln kan? Ja / wunderbarer GOtt / du hast es so geschicket / Wie unsers VatersPhil. I, 23. Wunsch und heisses Sehnen war. Ach! aber lindre du den Kummer / der uns drücket / Entreiß’ uns Traurige der übrigen Gefahr!
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[0081] WEin Vater / wie? wie ists / mein allerliebster Vater? Wil Er mir denn so bald / ach! gar zu bald entgehn? Er war ja sonst / nächst GOtt / mein treuester Berahter: Wil Er mir denn hinfort nicht zu der Seiten stehn? Bishero hab ich zwar nicht sonderlich empfunden / Wie sehr des Todes Pfeil auch lebende verletzt. Doch Sein Tod schläget mir auf einmahl solche Wunden / Wodurch mein Leben wird in grosse Noth gesetzt. Ja kont’ ich sonsten es nicht allzudeutlich wissen / Wie fest mein Wolergehn an Seiner Wolfahrt hieng; So spür’ ichs allzuviel / nachdem Er mir entrissen / Weil ich durch Seinen Fall zugleich danieder sinck. Es steht kein Rebe fest / wenn ihm die Stütz entnommen: Kein Kraut gedeyet wol / das nicht der Gärtner pflegt: Und wie kan eine Frucht zur rechten Reifung kommen / Wenn der krafftlose Baum sich an die Erde legt? Wächst auch ein Zweigelein an einem dürren Stamme? Pflegt es in kurtzer Zeit mit ihm nicht aus zu seyn? Ist wol ein sichrer Ort beym eingerißnen Damme? Stürmt nicht die Wasser-Flut von allen Seiten ein? So und nicht anders sind die Kinder anzusehen / Die ihres Vaters gar zu früh beraubet sind. Ach! dörfft’ ich doch noch nicht in solcher Anzahl stehen! Ach würd’ ich nicht zu früh’ ein Vaterloses Kind! Ein Vaterloses Kind? O allzutraurger Nahme / Der auch das süsseste mir Gallenbitter macht! Ein Vaterloses Kind? O Unglücks-voller Saame / Der spitz’ge Dornen-Büsch aus sich herfür gebracht! Ein Vaterloses Kind? Jedoch was will ich klagen? Ich klage das Geschick des grossen GOttes an. Das aber ist nicht recht. Was GOtt thut / muß man tragen. Wer ist / der GOttes Rath und Schickung tadeln kan? Ja / wunderbarer GOtt / du hast es so geschicket / Wie unsers Vaters Wunsch und heisses Sehnen war. Ach! aber lindre du den Kummer / der uns drücket / Entreiß’ uns Traurige der übrigen Gefahr!

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Zitationshilfe: Finen, Eberhard: Der unbewegliche Damm der Gläubigen. Braunschweig, [1716], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/finen_damm_1716/81>, abgerufen am 28.04.2024.