Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887.Wir müssen nun hier die verschiedenen Sinnesgebiete Eine frühere Betrachtungsweise stellte die verschiedenen Wir müſſen nun hier die verſchiedenen Sinnesgebiete Eine frühere Betrachtungsweiſe ſtellte die verſchiedenen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0087" n="75"/> <p>Wir müſſen nun hier die verſchiedenen Sinnesgebiete<lb/> trennen. Wie ſehr der Menſch darauf angewieſen iſt, den<lb/> einzelnen Sinn zu iſoliren, um nur überhaupt zu einer in¬<lb/> tenſiveren Empfindung, zu einer deutlicheren Wahrnehmung<lb/> zu gelangen, haben wir oben ſchon erwähnt. Es iſt aber<lb/> kein Grund zu der Annahme vorhanden, daß auf allen<lb/> Sinnesgebieten analoge Entwickelungsvorgänge möglich<lb/> ſeien, und in der That zeigt die Erfahrung, daß dies nicht<lb/> der Fall iſt.</p><lb/> <p>Eine frühere Betrachtungsweiſe ſtellte die verſchiedenen<lb/> Sinne als unter ſich weſentlich verſchieden und weſentlich<lb/> gleichgeſtellt neben einander. Heutzutage unterſcheidet<lb/> man zwiſchen niederen und höheren Sinnen und ſieht in<lb/> dieſen ein höheres Entwickelungsſtadium jener. Indem<lb/> man den Taſtſinn mit Gehör und Geſicht vergleicht, faßt<lb/> man das Verhältniß ſo auf, als ob ein im Taſtſinn vor¬<lb/> handenes allgemeines ſinnliches Wahrnehmungs- und An¬<lb/> ſchauungsvermögen in jenen höheren Sinnen differenzirt<lb/> und ſpecialiſirt auftrete. Man ermißt damit aber noch<lb/> nicht die ganze Tragweite der Entwickelung, die dem ſinn¬<lb/> lichen Vermögen der menſchlichen Natur durch jene höheren<lb/> oder Specialſinne zu theil werden kann. Wir vergleichen<lb/> hier nur den Taſtſinn mit dem Geſichtsſinn. Im Allge¬<lb/> meinen wird freilich das Wirklichkeitsmaterial, welches dem<lb/> Taſtſinn, und dasjenige, welches dem Geſichtsſinn ſein<lb/> Daſein verdankt, auf gleicher Entwickelungsſtufe verharren;<lb/> es ſind in beiden Fällen Vorgänge, die in unſer Bewußt¬<lb/> ſein treten, ohne zu einem beſtimmten geſtalteten Ausdruck<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [75/0087]
Wir müſſen nun hier die verſchiedenen Sinnesgebiete
trennen. Wie ſehr der Menſch darauf angewieſen iſt, den
einzelnen Sinn zu iſoliren, um nur überhaupt zu einer in¬
tenſiveren Empfindung, zu einer deutlicheren Wahrnehmung
zu gelangen, haben wir oben ſchon erwähnt. Es iſt aber
kein Grund zu der Annahme vorhanden, daß auf allen
Sinnesgebieten analoge Entwickelungsvorgänge möglich
ſeien, und in der That zeigt die Erfahrung, daß dies nicht
der Fall iſt.
Eine frühere Betrachtungsweiſe ſtellte die verſchiedenen
Sinne als unter ſich weſentlich verſchieden und weſentlich
gleichgeſtellt neben einander. Heutzutage unterſcheidet
man zwiſchen niederen und höheren Sinnen und ſieht in
dieſen ein höheres Entwickelungsſtadium jener. Indem
man den Taſtſinn mit Gehör und Geſicht vergleicht, faßt
man das Verhältniß ſo auf, als ob ein im Taſtſinn vor¬
handenes allgemeines ſinnliches Wahrnehmungs- und An¬
ſchauungsvermögen in jenen höheren Sinnen differenzirt
und ſpecialiſirt auftrete. Man ermißt damit aber noch
nicht die ganze Tragweite der Entwickelung, die dem ſinn¬
lichen Vermögen der menſchlichen Natur durch jene höheren
oder Specialſinne zu theil werden kann. Wir vergleichen
hier nur den Taſtſinn mit dem Geſichtsſinn. Im Allge¬
meinen wird freilich das Wirklichkeitsmaterial, welches dem
Taſtſinn, und dasjenige, welches dem Geſichtsſinn ſein
Daſein verdankt, auf gleicher Entwickelungsſtufe verharren;
es ſind in beiden Fällen Vorgänge, die in unſer Bewußt¬
ſein treten, ohne zu einem beſtimmten geſtalteten Ausdruck
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