Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887.

Bild:
<< vorherige Seite
4.

Was wir, dem besonderen Zwecke dieser Untersuchungen
gemäß, in Betreff der Vorstellungen, die dem Gebiete des
Gesichtssinnes angehören, näher ausgeführt haben, das gilt
für alle Sinnesgebiete. Gerade das Dasein desjenigen,
was in bestimmter, gegebener Form uns gegenüberzustehen
scheint, das sinnlich Vorhandene, ist an Vorgänge in un¬
serem Bewußtsein gebunden, die weit davon entfernt sind,
dieses sinnlich Vorhandene seiner sinnlich wahrnehmbaren,
vorstellbaren Natur nach zu einigermaßen bestimmten For¬
men und Gestalten entwickelt darzustellen. Jeder Versuch,
uns irgend eines Dinges, welches wir als Bezeichnung,
als Name besitzen, nun auch seinem sinnlich wahrnehm¬
baren Sein nach, als Sinnesobject in einer nachweisbar
sinnlich vorhandenen Form zu vergewissern, muß uns die
Unfähigkeit zum Bewußtsein bringen, in der wir uns nach
dieser Richtung hin befinden. Es muß uns daher die
Ueberlegung nahe treten, ob in den Fähigkeiten der mensch¬
lichen Natur überhaupt die Möglichkeit gegeben ist, den
sinnlichen Besitz aus dem mangelhaften Zustande, in dem
er sich im Allgemeinen befindet, zu bestimmteren Daseins¬
formen zu entwickeln.

4.

Was wir, dem beſonderen Zwecke dieſer Unterſuchungen
gemäß, in Betreff der Vorſtellungen, die dem Gebiete des
Geſichtsſinnes angehören, näher ausgeführt haben, das gilt
für alle Sinnesgebiete. Gerade das Daſein desjenigen,
was in beſtimmter, gegebener Form uns gegenüberzuſtehen
ſcheint, das ſinnlich Vorhandene, iſt an Vorgänge in un¬
ſerem Bewußtſein gebunden, die weit davon entfernt ſind,
dieſes ſinnlich Vorhandene ſeiner ſinnlich wahrnehmbaren,
vorſtellbaren Natur nach zu einigermaßen beſtimmten For¬
men und Geſtalten entwickelt darzuſtellen. Jeder Verſuch,
uns irgend eines Dinges, welches wir als Bezeichnung,
als Name beſitzen, nun auch ſeinem ſinnlich wahrnehm¬
baren Sein nach, als Sinnesobject in einer nachweisbar
ſinnlich vorhandenen Form zu vergewiſſern, muß uns die
Unfähigkeit zum Bewußtſein bringen, in der wir uns nach
dieſer Richtung hin befinden. Es muß uns daher die
Ueberlegung nahe treten, ob in den Fähigkeiten der menſch¬
lichen Natur überhaupt die Möglichkeit gegeben iſt, den
ſinnlichen Beſitz aus dem mangelhaften Zuſtande, in dem
er ſich im Allgemeinen befindet, zu beſtimmteren Daſeins¬
formen zu entwickeln.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0086" n="[74]"/>
      <div n="1">
        <head>4.<lb/></head>
        <p>Was wir, dem be&#x017F;onderen Zwecke die&#x017F;er Unter&#x017F;uchungen<lb/>
gemäß, in Betreff der Vor&#x017F;tellungen, die dem Gebiete des<lb/>
Ge&#x017F;ichts&#x017F;innes angehören, näher ausgeführt haben, das gilt<lb/>
für alle Sinnesgebiete. Gerade das Da&#x017F;ein desjenigen,<lb/>
was in be&#x017F;timmter, gegebener Form uns gegenüberzu&#x017F;tehen<lb/>
&#x017F;cheint, das &#x017F;innlich Vorhandene, i&#x017F;t an Vorgänge in un¬<lb/>
&#x017F;erem Bewußt&#x017F;ein gebunden, die weit davon entfernt &#x017F;ind,<lb/>
die&#x017F;es &#x017F;innlich Vorhandene &#x017F;einer &#x017F;innlich wahrnehmbaren,<lb/>
vor&#x017F;tellbaren Natur nach zu einigermaßen be&#x017F;timmten For¬<lb/>
men und Ge&#x017F;talten entwickelt darzu&#x017F;tellen. Jeder Ver&#x017F;uch,<lb/>
uns irgend eines Dinges, welches wir als Bezeichnung,<lb/>
als Name be&#x017F;itzen, nun auch &#x017F;einem &#x017F;innlich wahrnehm¬<lb/>
baren Sein nach, als Sinnesobject in einer nachweisbar<lb/>
&#x017F;innlich vorhandenen Form zu vergewi&#x017F;&#x017F;ern, muß uns die<lb/>
Unfähigkeit zum Bewußt&#x017F;ein bringen, in der wir uns nach<lb/>
die&#x017F;er Richtung hin befinden. Es muß uns daher die<lb/>
Ueberlegung nahe treten, ob in den Fähigkeiten der men&#x017F;ch¬<lb/>
lichen Natur überhaupt die Möglichkeit gegeben i&#x017F;t, den<lb/>
&#x017F;innlichen Be&#x017F;itz aus dem mangelhaften Zu&#x017F;tande, in dem<lb/>
er &#x017F;ich im Allgemeinen befindet, zu be&#x017F;timmteren Da&#x017F;eins¬<lb/>
formen zu entwickeln.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[74]/0086] 4. Was wir, dem beſonderen Zwecke dieſer Unterſuchungen gemäß, in Betreff der Vorſtellungen, die dem Gebiete des Geſichtsſinnes angehören, näher ausgeführt haben, das gilt für alle Sinnesgebiete. Gerade das Daſein desjenigen, was in beſtimmter, gegebener Form uns gegenüberzuſtehen ſcheint, das ſinnlich Vorhandene, iſt an Vorgänge in un¬ ſerem Bewußtſein gebunden, die weit davon entfernt ſind, dieſes ſinnlich Vorhandene ſeiner ſinnlich wahrnehmbaren, vorſtellbaren Natur nach zu einigermaßen beſtimmten For¬ men und Geſtalten entwickelt darzuſtellen. Jeder Verſuch, uns irgend eines Dinges, welches wir als Bezeichnung, als Name beſitzen, nun auch ſeinem ſinnlich wahrnehm¬ baren Sein nach, als Sinnesobject in einer nachweisbar ſinnlich vorhandenen Form zu vergewiſſern, muß uns die Unfähigkeit zum Bewußtſein bringen, in der wir uns nach dieſer Richtung hin befinden. Es muß uns daher die Ueberlegung nahe treten, ob in den Fähigkeiten der menſch¬ lichen Natur überhaupt die Möglichkeit gegeben iſt, den ſinnlichen Beſitz aus dem mangelhaften Zuſtande, in dem er ſich im Allgemeinen befindet, zu beſtimmteren Daſeins¬ formen zu entwickeln.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887/86
Zitationshilfe: Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887, S. [74]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887/86>, abgerufen am 23.11.2024.