nißvoll-Wunderbares, wie in dem Augenblick, in welchem ein Wort, etwas an sich so Unbedeutendes und Geringes, in das Bewußtsein tritt, wie dann ganz plötzlich, wie aus einem Banne erlöst, Bilder auf Bilder sich vor die Seele drängen, wie eine unendliche sinnliche Mannichfaltigkeit, nahe und entfernte geistige Beziehungen, Erinnerungen und Ahnungen, dies alles in dem kleinen, unscheinbaren Wort enthalten zu sein und sich von ihm aus über unser Be¬ wußtsein zu ergießen scheint. Es ist nur zu begreiflich, daß uns das Wort wie ein geistiger Herrscher erscheint über das ganze Reich dessen, was überhaupt als Seiendes in unser Bewußtsein treten kann.
Aber wir sahen, daß der Werth der Sprache, als des Denkstoffes, gar nicht darauf beruhen kann, daß wir in ihr eine Vertretung von Dingen oder von Vorstellungen besäßen; daß wir somit nicht Dinge oder Vorstellungen, sondern immer nur Worte denken. Wir überzeugten uns, daß wir uns einer sehr uneigentlichen Ausdrucksweise be¬ dienen, wenn wir Denken und Erkennen als eine Thätig¬ keit bezeichnen, die in irgend einem Vorhandenen ihr Ob¬ ject hat; daß wir in allem Denken und Erkennen nur eine Form dessen besitzen, was wir als Sein zu bezeichnen berechtigt sind. Damit ändert sich das Verhältniß, in das wir Denken und Vorstellungen zu einander zu bringen gewöhnt sind. Es kann von keinem Verhältniß der Unter¬ ordnung mehr die Rede sein. Wir müssen uns durchaus von der Meinung frei machen, nach der für die Erfassung des Seins in unserer sinnlichen Wahrnehmungs- und Vor¬
nißvoll-Wunderbares, wie in dem Augenblick, in welchem ein Wort, etwas an ſich ſo Unbedeutendes und Geringes, in das Bewußtſein tritt, wie dann ganz plötzlich, wie aus einem Banne erlöſt, Bilder auf Bilder ſich vor die Seele drängen, wie eine unendliche ſinnliche Mannichfaltigkeit, nahe und entfernte geiſtige Beziehungen, Erinnerungen und Ahnungen, dies alles in dem kleinen, unſcheinbaren Wort enthalten zu ſein und ſich von ihm aus über unſer Be¬ wußtſein zu ergießen ſcheint. Es iſt nur zu begreiflich, daß uns das Wort wie ein geiſtiger Herrſcher erſcheint über das ganze Reich deſſen, was überhaupt als Seiendes in unſer Bewußtſein treten kann.
Aber wir ſahen, daß der Werth der Sprache, als des Denkſtoffes, gar nicht darauf beruhen kann, daß wir in ihr eine Vertretung von Dingen oder von Vorſtellungen beſäßen; daß wir ſomit nicht Dinge oder Vorſtellungen, ſondern immer nur Worte denken. Wir überzeugten uns, daß wir uns einer ſehr uneigentlichen Ausdrucksweiſe be¬ dienen, wenn wir Denken und Erkennen als eine Thätig¬ keit bezeichnen, die in irgend einem Vorhandenen ihr Ob¬ ject hat; daß wir in allem Denken und Erkennen nur eine Form deſſen beſitzen, was wir als Sein zu bezeichnen berechtigt ſind. Damit ändert ſich das Verhältniß, in das wir Denken und Vorſtellungen zu einander zu bringen gewöhnt ſind. Es kann von keinem Verhältniß der Unter¬ ordnung mehr die Rede ſein. Wir müſſen uns durchaus von der Meinung frei machen, nach der für die Erfaſſung des Seins in unſerer ſinnlichen Wahrnehmungs- und Vor¬
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nißvoll-Wunderbares, wie in dem Augenblick, in welchem
ein Wort, etwas an ſich ſo Unbedeutendes und Geringes,
in das Bewußtſein tritt, wie dann ganz plötzlich, wie aus
einem Banne erlöſt, Bilder auf Bilder ſich vor die Seele
drängen, wie eine unendliche ſinnliche Mannichfaltigkeit,
nahe und entfernte geiſtige Beziehungen, Erinnerungen und
Ahnungen, dies alles in dem kleinen, unſcheinbaren Wort
enthalten zu ſein und ſich von ihm aus über unſer Be¬
wußtſein zu ergießen ſcheint. Es iſt nur zu begreiflich,
daß uns das Wort wie ein geiſtiger Herrſcher erſcheint
über das ganze Reich deſſen, was überhaupt als Seiendes
in unſer Bewußtſein treten kann.
Aber wir ſahen, daß der Werth der Sprache, als
des Denkſtoffes, gar nicht darauf beruhen kann, daß wir
in ihr eine Vertretung von Dingen oder von Vorſtellungen
beſäßen; daß wir ſomit nicht Dinge oder Vorſtellungen,
ſondern immer nur Worte denken. Wir überzeugten uns,
daß wir uns einer ſehr uneigentlichen Ausdrucksweiſe be¬
dienen, wenn wir Denken und Erkennen als eine Thätig¬
keit bezeichnen, die in irgend einem Vorhandenen ihr Ob¬
ject hat; daß wir in allem Denken und Erkennen nur eine
Form deſſen beſitzen, was wir als Sein zu bezeichnen
berechtigt ſind. Damit ändert ſich das Verhältniß, in das
wir Denken und Vorſtellungen zu einander zu bringen
gewöhnt ſind. Es kann von keinem Verhältniß der Unter¬
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Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887/49>, abgerufen am 16.07.2024.
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