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Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887.

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der Begriffe, auf Seite der Vorstellung aber keinerlei be¬
stimmten Werth, sondern wechselnde, gleichsam fließende
Bewußtseinszustände. Wir sind so sehr gewöhnt, uns in
der Welt an dem Leitfaden des Denkens zurecht zu finden,
daß wir die Hülflosigkeit gar nicht sehen, der wir preis¬
gegeben sind, wenn wir es versuchen, uns nicht denkend,
sondern nur vorstellend zu verhalten. Selbst wenn wir
etwas ganz Bestimmtes, Individuelles nehmen, sei es eine
Person oder ein Gegenstand, was finden wir in unserem
Bewußtsein vor, wenn wir unser Augenmerk auf das richten,
was nun eigentlich den Inhalt, die sinnliche Substanz
dessen bildet was wir durch das Wort zu bezeichnen meinen?
In unendlich abgestuften Deutlichkeitsgraden wird derselbe
Gegenstand immer als ein anderer in unser vorstellendes
Bewußtsein treten, von der hellsten Gegenwärtigkeit bis
zu nahezu verschwindender Erinnerung. Ueber dieses Leben
der Vorstellungen hat keinerlei Denken irgend eine Macht.
Wenn ich sage: der Baum ist grün, so berührt dies die
Unendlichkeit der Vorstellungsmöglichkeiten, in denen ein
grüner Baum in meinem Bewußtsein vorkommen kann,
gar nicht. Und so ist es durchgehends. Auch muß es
einer irrigen Meinung über die inneren Vorgänge Vor¬
schub leisten, wenn man dieselben so vorführt, daß Em¬
pfindungen zu Wahrnehmungen zusammentreten, Wahr¬
nehmungen zu Vorstellungen sich steigern, aus Vorstellungen
Begriffe sich entwickeln. Man geht davon aus, daß die
Entwickelung von Empfindung zu Wahrnehmung, von
Wahrnehmung zu Vorstellung, von Vorstellung zu Begriff

Fiedler, Ursprung. 3

der Begriffe, auf Seite der Vorſtellung aber keinerlei be¬
ſtimmten Werth, ſondern wechſelnde, gleichſam fließende
Bewußtſeinszuſtände. Wir ſind ſo ſehr gewöhnt, uns in
der Welt an dem Leitfaden des Denkens zurecht zu finden,
daß wir die Hülfloſigkeit gar nicht ſehen, der wir preis¬
gegeben ſind, wenn wir es verſuchen, uns nicht denkend,
ſondern nur vorſtellend zu verhalten. Selbſt wenn wir
etwas ganz Beſtimmtes, Individuelles nehmen, ſei es eine
Perſon oder ein Gegenſtand, was finden wir in unſerem
Bewußtſein vor, wenn wir unſer Augenmerk auf das richten,
was nun eigentlich den Inhalt, die ſinnliche Subſtanz
deſſen bildet was wir durch das Wort zu bezeichnen meinen?
In unendlich abgeſtuften Deutlichkeitsgraden wird derſelbe
Gegenſtand immer als ein anderer in unſer vorſtellendes
Bewußtſein treten, von der hellſten Gegenwärtigkeit bis
zu nahezu verſchwindender Erinnerung. Ueber dieſes Leben
der Vorſtellungen hat keinerlei Denken irgend eine Macht.
Wenn ich ſage: der Baum iſt grün, ſo berührt dies die
Unendlichkeit der Vorſtellungsmöglichkeiten, in denen ein
grüner Baum in meinem Bewußtſein vorkommen kann,
gar nicht. Und ſo iſt es durchgehends. Auch muß es
einer irrigen Meinung über die inneren Vorgänge Vor¬
ſchub leiſten, wenn man dieſelben ſo vorführt, daß Em¬
pfindungen zu Wahrnehmungen zuſammentreten, Wahr¬
nehmungen zu Vorſtellungen ſich ſteigern, aus Vorſtellungen
Begriffe ſich entwickeln. Man geht davon aus, daß die
Entwickelung von Empfindung zu Wahrnehmung, von
Wahrnehmung zu Vorſtellung, von Vorſtellung zu Begriff

Fiedler, Urſprung. 3
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[33/0045] der Begriffe, auf Seite der Vorſtellung aber keinerlei be¬ ſtimmten Werth, ſondern wechſelnde, gleichſam fließende Bewußtſeinszuſtände. Wir ſind ſo ſehr gewöhnt, uns in der Welt an dem Leitfaden des Denkens zurecht zu finden, daß wir die Hülfloſigkeit gar nicht ſehen, der wir preis¬ gegeben ſind, wenn wir es verſuchen, uns nicht denkend, ſondern nur vorſtellend zu verhalten. Selbſt wenn wir etwas ganz Beſtimmtes, Individuelles nehmen, ſei es eine Perſon oder ein Gegenſtand, was finden wir in unſerem Bewußtſein vor, wenn wir unſer Augenmerk auf das richten, was nun eigentlich den Inhalt, die ſinnliche Subſtanz deſſen bildet was wir durch das Wort zu bezeichnen meinen? In unendlich abgeſtuften Deutlichkeitsgraden wird derſelbe Gegenſtand immer als ein anderer in unſer vorſtellendes Bewußtſein treten, von der hellſten Gegenwärtigkeit bis zu nahezu verſchwindender Erinnerung. Ueber dieſes Leben der Vorſtellungen hat keinerlei Denken irgend eine Macht. Wenn ich ſage: der Baum iſt grün, ſo berührt dies die Unendlichkeit der Vorſtellungsmöglichkeiten, in denen ein grüner Baum in meinem Bewußtſein vorkommen kann, gar nicht. Und ſo iſt es durchgehends. Auch muß es einer irrigen Meinung über die inneren Vorgänge Vor¬ ſchub leiſten, wenn man dieſelben ſo vorführt, daß Em¬ pfindungen zu Wahrnehmungen zuſammentreten, Wahr¬ nehmungen zu Vorſtellungen ſich ſteigern, aus Vorſtellungen Begriffe ſich entwickeln. Man geht davon aus, daß die Entwickelung von Empfindung zu Wahrnehmung, von Wahrnehmung zu Vorſtellung, von Vorſtellung zu Begriff Fiedler, Urſprung. 3

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Zitationshilfe: Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887/45>, abgerufen am 21.11.2024.