Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887.

Bild:
<< vorherige Seite

wohl auch associativ begleitet wird, -- sein Werth beruht
vielmehr darauf, daß sich das Wirklichkeitsbewußtsein,
welches zunächst nur aus jenen vagen Sinnesvorgängen
bestand, im Wort um ein neues Element, einen neuen
Stoff bereichert, in dem überhaupt erst die überraschende
Möglichkeit eines in sich zusammenhängenden und be¬
stimmten Wirklichkeitsaufbaues gegeben ist. Man wird
auf Grund dieser Auffassung dem unberechenbaren Werthe
der Sprache gerecht werden und doch die Grenzen nicht
übersehen, die der sich in und durch die Sprache voll¬
ziehenden Entwickelung des menschlichen Geistes gesetzt
sind. Diese Grenzen liegen nicht da, wo man gemeiniglich
die Grenzen der Erkenntniß zu constatiren pflegt, jenseits
des Gebietes einer möglichen Erkenntniß, vielmehr hat die
Erkenntniß noch andere, näher liegende Grenzen, die so¬
zusagen diesseits einer möglichen Erkenntniß liegen; denn
da sie an die Form der Sprache oder der Zeichen gebunden
ist, kann es ihr niemals gelingen, sich jenes gesammten
reichen Werdens, als welches uns die Wirklichkeit zunächst
zum ahnungsvollen Bewußtsein kommt, zu bemächtigen, und
es zu einem klaren und bestimmten Sein zu entwickeln.

Mancherlei Betrachtungen sind hier noch anzuschließen.
Wo man gewohnt war, einen Gewinn, eine Errungenschaft
zu sehen, da erkennt man, daß dieser Gewinn zugleich mit
einem Verlust verbunden ist, daß diese Errungenschaft zu¬
gleich einen Verzicht bedeutet. Wenn der Mensch sein
geistiges Leben überschaut, wenn er sieht, wie Empfindungen
zu Wahrnehmungen zusammentreten, Vorstellungen sich ge¬

2 *

wohl auch aſſociativ begleitet wird, — ſein Werth beruht
vielmehr darauf, daß ſich das Wirklichkeitsbewußtſein,
welches zunächſt nur aus jenen vagen Sinnesvorgängen
beſtand, im Wort um ein neues Element, einen neuen
Stoff bereichert, in dem überhaupt erſt die überraſchende
Möglichkeit eines in ſich zuſammenhängenden und be¬
ſtimmten Wirklichkeitsaufbaues gegeben iſt. Man wird
auf Grund dieſer Auffaſſung dem unberechenbaren Werthe
der Sprache gerecht werden und doch die Grenzen nicht
überſehen, die der ſich in und durch die Sprache voll¬
ziehenden Entwickelung des menſchlichen Geiſtes geſetzt
ſind. Dieſe Grenzen liegen nicht da, wo man gemeiniglich
die Grenzen der Erkenntniß zu conſtatiren pflegt, jenſeits
des Gebietes einer möglichen Erkenntniß, vielmehr hat die
Erkenntniß noch andere, näher liegende Grenzen, die ſo¬
zuſagen diesſeits einer möglichen Erkenntniß liegen; denn
da ſie an die Form der Sprache oder der Zeichen gebunden
iſt, kann es ihr niemals gelingen, ſich jenes geſammten
reichen Werdens, als welches uns die Wirklichkeit zunächſt
zum ahnungsvollen Bewußtſein kommt, zu bemächtigen, und
es zu einem klaren und beſtimmten Sein zu entwickeln.

Mancherlei Betrachtungen ſind hier noch anzuſchließen.
Wo man gewohnt war, einen Gewinn, eine Errungenſchaft
zu ſehen, da erkennt man, daß dieſer Gewinn zugleich mit
einem Verluſt verbunden iſt, daß dieſe Errungenſchaft zu¬
gleich einen Verzicht bedeutet. Wenn der Menſch ſein
geiſtiges Leben überſchaut, wenn er ſieht, wie Empfindungen
zu Wahrnehmungen zuſammentreten, Vorſtellungen ſich ge¬

2 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0031" n="19"/>
wohl auch a&#x017F;&#x017F;ociativ begleitet wird, &#x2014; &#x017F;ein Werth beruht<lb/>
vielmehr darauf, daß &#x017F;ich das Wirklichkeitsbewußt&#x017F;ein,<lb/>
welches zunäch&#x017F;t nur aus jenen vagen Sinnesvorgängen<lb/>
be&#x017F;tand, im Wort um ein neues Element, einen neuen<lb/>
Stoff bereichert, in dem überhaupt er&#x017F;t die überra&#x017F;chende<lb/>
Möglichkeit eines in &#x017F;ich zu&#x017F;ammenhängenden und be¬<lb/>
&#x017F;timmten Wirklichkeitsaufbaues gegeben i&#x017F;t. Man wird<lb/>
auf Grund die&#x017F;er Auffa&#x017F;&#x017F;ung dem unberechenbaren Werthe<lb/>
der Sprache gerecht werden und doch die Grenzen nicht<lb/>
über&#x017F;ehen, die der &#x017F;ich in und durch die Sprache voll¬<lb/>
ziehenden Entwickelung des men&#x017F;chlichen Gei&#x017F;tes ge&#x017F;etzt<lb/>
&#x017F;ind. Die&#x017F;e Grenzen liegen nicht da, wo man gemeiniglich<lb/>
die Grenzen der Erkenntniß zu con&#x017F;tatiren pflegt, jen&#x017F;eits<lb/>
des Gebietes einer möglichen Erkenntniß, vielmehr hat die<lb/>
Erkenntniß noch andere, näher liegende Grenzen, die &#x017F;<lb/>
zu&#x017F;agen dies&#x017F;eits einer möglichen Erkenntniß liegen; denn<lb/>
da &#x017F;ie an die Form der Sprache oder der Zeichen gebunden<lb/>
i&#x017F;t, kann es ihr niemals gelingen, &#x017F;ich jenes ge&#x017F;ammten<lb/>
reichen Werdens, als welches uns die Wirklichkeit zunäch&#x017F;t<lb/>
zum ahnungsvollen Bewußt&#x017F;ein kommt, zu bemächtigen, und<lb/>
es zu einem klaren und be&#x017F;timmten Sein zu entwickeln.</p><lb/>
        <p>Mancherlei Betrachtungen &#x017F;ind hier noch anzu&#x017F;chließen.<lb/>
Wo man gewohnt war, einen Gewinn, eine Errungen&#x017F;chaft<lb/>
zu &#x017F;ehen, da erkennt man, daß die&#x017F;er Gewinn zugleich mit<lb/>
einem Verlu&#x017F;t verbunden i&#x017F;t, daß die&#x017F;e Errungen&#x017F;chaft zu¬<lb/>
gleich einen Verzicht bedeutet. Wenn der Men&#x017F;ch &#x017F;ein<lb/>
gei&#x017F;tiges Leben über&#x017F;chaut, wenn er &#x017F;ieht, wie Empfindungen<lb/>
zu Wahrnehmungen zu&#x017F;ammentreten, Vor&#x017F;tellungen &#x017F;ich ge¬<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">2 *<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[19/0031] wohl auch aſſociativ begleitet wird, — ſein Werth beruht vielmehr darauf, daß ſich das Wirklichkeitsbewußtſein, welches zunächſt nur aus jenen vagen Sinnesvorgängen beſtand, im Wort um ein neues Element, einen neuen Stoff bereichert, in dem überhaupt erſt die überraſchende Möglichkeit eines in ſich zuſammenhängenden und be¬ ſtimmten Wirklichkeitsaufbaues gegeben iſt. Man wird auf Grund dieſer Auffaſſung dem unberechenbaren Werthe der Sprache gerecht werden und doch die Grenzen nicht überſehen, die der ſich in und durch die Sprache voll¬ ziehenden Entwickelung des menſchlichen Geiſtes geſetzt ſind. Dieſe Grenzen liegen nicht da, wo man gemeiniglich die Grenzen der Erkenntniß zu conſtatiren pflegt, jenſeits des Gebietes einer möglichen Erkenntniß, vielmehr hat die Erkenntniß noch andere, näher liegende Grenzen, die ſo¬ zuſagen diesſeits einer möglichen Erkenntniß liegen; denn da ſie an die Form der Sprache oder der Zeichen gebunden iſt, kann es ihr niemals gelingen, ſich jenes geſammten reichen Werdens, als welches uns die Wirklichkeit zunächſt zum ahnungsvollen Bewußtſein kommt, zu bemächtigen, und es zu einem klaren und beſtimmten Sein zu entwickeln. Mancherlei Betrachtungen ſind hier noch anzuſchließen. Wo man gewohnt war, einen Gewinn, eine Errungenſchaft zu ſehen, da erkennt man, daß dieſer Gewinn zugleich mit einem Verluſt verbunden iſt, daß dieſe Errungenſchaft zu¬ gleich einen Verzicht bedeutet. Wenn der Menſch ſein geiſtiges Leben überſchaut, wenn er ſieht, wie Empfindungen zu Wahrnehmungen zuſammentreten, Vorſtellungen ſich ge¬ 2 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887/31
Zitationshilfe: Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887/31>, abgerufen am 18.04.2024.