wohl auch associativ begleitet wird, -- sein Werth beruht vielmehr darauf, daß sich das Wirklichkeitsbewußtsein, welches zunächst nur aus jenen vagen Sinnesvorgängen bestand, im Wort um ein neues Element, einen neuen Stoff bereichert, in dem überhaupt erst die überraschende Möglichkeit eines in sich zusammenhängenden und be¬ stimmten Wirklichkeitsaufbaues gegeben ist. Man wird auf Grund dieser Auffassung dem unberechenbaren Werthe der Sprache gerecht werden und doch die Grenzen nicht übersehen, die der sich in und durch die Sprache voll¬ ziehenden Entwickelung des menschlichen Geistes gesetzt sind. Diese Grenzen liegen nicht da, wo man gemeiniglich die Grenzen der Erkenntniß zu constatiren pflegt, jenseits des Gebietes einer möglichen Erkenntniß, vielmehr hat die Erkenntniß noch andere, näher liegende Grenzen, die so¬ zusagen diesseits einer möglichen Erkenntniß liegen; denn da sie an die Form der Sprache oder der Zeichen gebunden ist, kann es ihr niemals gelingen, sich jenes gesammten reichen Werdens, als welches uns die Wirklichkeit zunächst zum ahnungsvollen Bewußtsein kommt, zu bemächtigen, und es zu einem klaren und bestimmten Sein zu entwickeln.
Mancherlei Betrachtungen sind hier noch anzuschließen. Wo man gewohnt war, einen Gewinn, eine Errungenschaft zu sehen, da erkennt man, daß dieser Gewinn zugleich mit einem Verlust verbunden ist, daß diese Errungenschaft zu¬ gleich einen Verzicht bedeutet. Wenn der Mensch sein geistiges Leben überschaut, wenn er sieht, wie Empfindungen zu Wahrnehmungen zusammentreten, Vorstellungen sich ge¬
2 *
wohl auch aſſociativ begleitet wird, — ſein Werth beruht vielmehr darauf, daß ſich das Wirklichkeitsbewußtſein, welches zunächſt nur aus jenen vagen Sinnesvorgängen beſtand, im Wort um ein neues Element, einen neuen Stoff bereichert, in dem überhaupt erſt die überraſchende Möglichkeit eines in ſich zuſammenhängenden und be¬ ſtimmten Wirklichkeitsaufbaues gegeben iſt. Man wird auf Grund dieſer Auffaſſung dem unberechenbaren Werthe der Sprache gerecht werden und doch die Grenzen nicht überſehen, die der ſich in und durch die Sprache voll¬ ziehenden Entwickelung des menſchlichen Geiſtes geſetzt ſind. Dieſe Grenzen liegen nicht da, wo man gemeiniglich die Grenzen der Erkenntniß zu conſtatiren pflegt, jenſeits des Gebietes einer möglichen Erkenntniß, vielmehr hat die Erkenntniß noch andere, näher liegende Grenzen, die ſo¬ zuſagen diesſeits einer möglichen Erkenntniß liegen; denn da ſie an die Form der Sprache oder der Zeichen gebunden iſt, kann es ihr niemals gelingen, ſich jenes geſammten reichen Werdens, als welches uns die Wirklichkeit zunächſt zum ahnungsvollen Bewußtſein kommt, zu bemächtigen, und es zu einem klaren und beſtimmten Sein zu entwickeln.
Mancherlei Betrachtungen ſind hier noch anzuſchließen. Wo man gewohnt war, einen Gewinn, eine Errungenſchaft zu ſehen, da erkennt man, daß dieſer Gewinn zugleich mit einem Verluſt verbunden iſt, daß dieſe Errungenſchaft zu¬ gleich einen Verzicht bedeutet. Wenn der Menſch ſein geiſtiges Leben überſchaut, wenn er ſieht, wie Empfindungen zu Wahrnehmungen zuſammentreten, Vorſtellungen ſich ge¬
2 *
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0031"n="19"/>
wohl auch aſſociativ begleitet wird, —ſein Werth beruht<lb/>
vielmehr darauf, daß ſich das Wirklichkeitsbewußtſein,<lb/>
welches zunächſt nur aus jenen vagen Sinnesvorgängen<lb/>
beſtand, im Wort um ein neues Element, einen neuen<lb/>
Stoff bereichert, in dem überhaupt erſt die überraſchende<lb/>
Möglichkeit eines in ſich zuſammenhängenden und be¬<lb/>ſtimmten Wirklichkeitsaufbaues gegeben iſt. Man wird<lb/>
auf Grund dieſer Auffaſſung dem unberechenbaren Werthe<lb/>
der Sprache gerecht werden und doch die Grenzen nicht<lb/>
überſehen, die der ſich in und durch die Sprache voll¬<lb/>
ziehenden Entwickelung des menſchlichen Geiſtes geſetzt<lb/>ſind. Dieſe Grenzen liegen nicht da, wo man gemeiniglich<lb/>
die Grenzen der Erkenntniß zu conſtatiren pflegt, jenſeits<lb/>
des Gebietes einer möglichen Erkenntniß, vielmehr hat die<lb/>
Erkenntniß noch andere, näher liegende Grenzen, die ſo¬<lb/>
zuſagen diesſeits einer möglichen Erkenntniß liegen; denn<lb/>
da ſie an die Form der Sprache oder der Zeichen gebunden<lb/>
iſt, kann es ihr niemals gelingen, ſich jenes geſammten<lb/>
reichen Werdens, als welches uns die Wirklichkeit zunächſt<lb/>
zum ahnungsvollen Bewußtſein kommt, zu bemächtigen, und<lb/>
es zu einem klaren und beſtimmten Sein zu entwickeln.</p><lb/><p>Mancherlei Betrachtungen ſind hier noch anzuſchließen.<lb/>
Wo man gewohnt war, einen Gewinn, eine Errungenſchaft<lb/>
zu ſehen, da erkennt man, daß dieſer Gewinn zugleich mit<lb/>
einem Verluſt verbunden iſt, daß dieſe Errungenſchaft zu¬<lb/>
gleich einen Verzicht bedeutet. Wenn der Menſch ſein<lb/>
geiſtiges Leben überſchaut, wenn er ſieht, wie Empfindungen<lb/>
zu Wahrnehmungen zuſammentreten, Vorſtellungen ſich ge¬<lb/><fwplace="bottom"type="sig">2 *<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[19/0031]
wohl auch aſſociativ begleitet wird, — ſein Werth beruht
vielmehr darauf, daß ſich das Wirklichkeitsbewußtſein,
welches zunächſt nur aus jenen vagen Sinnesvorgängen
beſtand, im Wort um ein neues Element, einen neuen
Stoff bereichert, in dem überhaupt erſt die überraſchende
Möglichkeit eines in ſich zuſammenhängenden und be¬
ſtimmten Wirklichkeitsaufbaues gegeben iſt. Man wird
auf Grund dieſer Auffaſſung dem unberechenbaren Werthe
der Sprache gerecht werden und doch die Grenzen nicht
überſehen, die der ſich in und durch die Sprache voll¬
ziehenden Entwickelung des menſchlichen Geiſtes geſetzt
ſind. Dieſe Grenzen liegen nicht da, wo man gemeiniglich
die Grenzen der Erkenntniß zu conſtatiren pflegt, jenſeits
des Gebietes einer möglichen Erkenntniß, vielmehr hat die
Erkenntniß noch andere, näher liegende Grenzen, die ſo¬
zuſagen diesſeits einer möglichen Erkenntniß liegen; denn
da ſie an die Form der Sprache oder der Zeichen gebunden
iſt, kann es ihr niemals gelingen, ſich jenes geſammten
reichen Werdens, als welches uns die Wirklichkeit zunächſt
zum ahnungsvollen Bewußtſein kommt, zu bemächtigen, und
es zu einem klaren und beſtimmten Sein zu entwickeln.
Mancherlei Betrachtungen ſind hier noch anzuſchließen.
Wo man gewohnt war, einen Gewinn, eine Errungenſchaft
zu ſehen, da erkennt man, daß dieſer Gewinn zugleich mit
einem Verluſt verbunden iſt, daß dieſe Errungenſchaft zu¬
gleich einen Verzicht bedeutet. Wenn der Menſch ſein
geiſtiges Leben überſchaut, wenn er ſieht, wie Empfindungen
zu Wahrnehmungen zuſammentreten, Vorſtellungen ſich ge¬
2 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887/31>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.