einen, bald nach der anderen Seite, sobald sie in allen ihren Aeußerungen nicht mehr jenem obersten Princip ge¬ horcht. Die Erfahrung lehrt dies deutlich genug. Sowohl in den Jahrhunderten, die der großen Zeit griechischer Kunst folgen, als auch in denen, die sich an die moderne Blütheperiode der Kunst anschließen, Jahrhunderten, denen auch unsere eigene Zeit angehört, nehmen wir kaum einen Nachlaß in der künstlerischen Thätigkeit wahr, soweit diese von den treibenden Mächten der Einbildungskraft, des Ver¬ langens nach Schmuck des Daseins, des Darstellungsbe¬ dürfnisses abhängt. Und doch hat in beiden Fällen der Niedergang der Kunst rasche und unaufhaltsame Fort¬ schritte gemacht. Nun steht die gestaltende Hand nicht mehr ausschließlich im Dienste des zum Ausdruck sich ent¬ wickelnden Sehprocesses; vielmehr ist es ebensosehr die Lust an decorativer Verwerthung der künstlerischen Mittel, die maßgebend wird für die schaffende Thätigkeit, wie der Hang, alles und jedes zum Gegenstand bildlicher Dar¬ stellung zu machen; allerhand Nebenwerthe treten an die Stelle der eigentlich künstlerischen Ausdruckswerthe.
Wohl sehen wir das Beispiel großer Zeiten oft lange nachwirken. Die gewaltige Entwickelung, die unter den bildenden Händen zahlreicher bedeutender Künstler das Vorstellungsleben, es auf dem Gesichtssinn beruht, erfährt, stellt sich in Formen dar, die nachgeahmt und verwendet werden können; es ist wie eine reiche Erbschaft, die den nachfolgenden Zeiten zufällt. Die Herrschaft, die diese Formen über die bildnerische Thätigkeit der Folge¬
Fiedler, Ursprung. 11
einen, bald nach der anderen Seite, ſobald ſie in allen ihren Aeußerungen nicht mehr jenem oberſten Princip ge¬ horcht. Die Erfahrung lehrt dies deutlich genug. Sowohl in den Jahrhunderten, die der großen Zeit griechiſcher Kunſt folgen, als auch in denen, die ſich an die moderne Blütheperiode der Kunſt anſchließen, Jahrhunderten, denen auch unſere eigene Zeit angehört, nehmen wir kaum einen Nachlaß in der künſtleriſchen Thätigkeit wahr, ſoweit dieſe von den treibenden Mächten der Einbildungskraft, des Ver¬ langens nach Schmuck des Daſeins, des Darſtellungsbe¬ dürfniſſes abhängt. Und doch hat in beiden Fällen der Niedergang der Kunſt raſche und unaufhaltſame Fort¬ ſchritte gemacht. Nun ſteht die geſtaltende Hand nicht mehr ausſchließlich im Dienſte des zum Ausdruck ſich ent¬ wickelnden Sehproceſſes; vielmehr iſt es ebenſoſehr die Luſt an decorativer Verwerthung der künſtleriſchen Mittel, die maßgebend wird für die ſchaffende Thätigkeit, wie der Hang, alles und jedes zum Gegenſtand bildlicher Dar¬ ſtellung zu machen; allerhand Nebenwerthe treten an die Stelle der eigentlich künſtleriſchen Ausdruckswerthe.
Wohl ſehen wir das Beiſpiel großer Zeiten oft lange nachwirken. Die gewaltige Entwickelung, die unter den bildenden Händen zahlreicher bedeutender Künſtler das Vorſtellungsleben, es auf dem Geſichtsſinn beruht, erfährt, ſtellt ſich in Formen dar, die nachgeahmt und verwendet werden können; es iſt wie eine reiche Erbſchaft, die den nachfolgenden Zeiten zufällt. Die Herrſchaft, die dieſe Formen über die bildneriſche Thätigkeit der Folge¬
Fiedler, Urſprung. 11
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einen, bald nach der anderen Seite, ſobald ſie in allen
ihren Aeußerungen nicht mehr jenem oberſten Princip ge¬
horcht. Die Erfahrung lehrt dies deutlich genug. Sowohl
in den Jahrhunderten, die der großen Zeit griechiſcher
Kunſt folgen, als auch in denen, die ſich an die moderne
Blütheperiode der Kunſt anſchließen, Jahrhunderten, denen
auch unſere eigene Zeit angehört, nehmen wir kaum einen
Nachlaß in der künſtleriſchen Thätigkeit wahr, ſoweit dieſe
von den treibenden Mächten der Einbildungskraft, des Ver¬
langens nach Schmuck des Daſeins, des Darſtellungsbe¬
dürfniſſes abhängt. Und doch hat in beiden Fällen der
Niedergang der Kunſt raſche und unaufhaltſame Fort¬
ſchritte gemacht. Nun ſteht die geſtaltende Hand nicht
mehr ausſchließlich im Dienſte des zum Ausdruck ſich ent¬
wickelnden Sehproceſſes; vielmehr iſt es ebenſoſehr die Luſt
an decorativer Verwerthung der künſtleriſchen Mittel, die
maßgebend wird für die ſchaffende Thätigkeit, wie der
Hang, alles und jedes zum Gegenſtand bildlicher Dar¬
ſtellung zu machen; allerhand Nebenwerthe treten an die
Stelle der eigentlich künſtleriſchen Ausdruckswerthe.
Wohl ſehen wir das Beiſpiel großer Zeiten oft lange
nachwirken. Die gewaltige Entwickelung, die unter den
bildenden Händen zahlreicher bedeutender Künſtler das
Vorſtellungsleben, es auf dem Geſichtsſinn beruht,
erfährt, ſtellt ſich in Formen dar, die nachgeahmt und
verwendet werden können; es iſt wie eine reiche Erbſchaft,
die den nachfolgenden Zeiten zufällt. Die Herrſchaft, die
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Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887/173>, abgerufen am 16.02.2025.
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