Einzelne in einem großen, einheitlichen Zusammenhange darstellt; vielmehr ist es das Schicksal, dem eine einfache und klare Thätigkeit der menschlichen Natur in den Ver¬ wirrungen des Lebens thatsächlich verfällt, worüber uns die unbefangene Betrachtung der dem Auge sich darbieten¬ den Leistungen belehrt. Gleichgültig wird uns jene Ge¬ schichte der Kunst werden, die alles in sich aufnimmt, was sich in das äußere Gewand der Kunst kleidet, und für die alles bedeutend ist, was von irgend einem Standpunkt aus von den vorhandenen Kunstwerken ausgesagt werden kann; nichts anderes wird sich uns in der Betrachtung jenes weiten Schaffensgebietes enthüllen, als die nie ruhende Bethätigung der besonderen Beziehung, in die der Mensch durch die künstlerische Begabung zur sichtbaren Welt ge¬ setzt wird.
Sondert sich so vor unserem Auge aus der bunten verwirrenden Menge künstlerischen Thuns, von der sich das Leben jeder Zeit, jedes Volkes begleitet zeigt, der echte künstlerische Gehalt, der jenem Thun innewohnt, so müssen wir uns zunächst eingestehen, daß sich oft genug unter einem anspruchsvollen und glänzenden Schein künst¬ lerischen Hervorbringens ein recht kümmerlicher Gehalt verbirgt. Freilich ist in jeder Kunstübung, auch wenn sie noch so stümperhaft, noch so willkürlich nach entlegenen Zielen abgelenkt erscheint, eine Aeußerung ursprünglichen künstlerischen Könnens und Wollens verborgen, und anderer¬ seits sehen wir in Zeiten allgemeiner Verirrung auch große und selbstständige Begabungen auftreten; in ihnen scheint
Einzelne in einem großen, einheitlichen Zuſammenhange darſtellt; vielmehr iſt es das Schickſal, dem eine einfache und klare Thätigkeit der menſchlichen Natur in den Ver¬ wirrungen des Lebens thatſächlich verfällt, worüber uns die unbefangene Betrachtung der dem Auge ſich darbieten¬ den Leiſtungen belehrt. Gleichgültig wird uns jene Ge¬ ſchichte der Kunſt werden, die alles in ſich aufnimmt, was ſich in das äußere Gewand der Kunſt kleidet, und für die alles bedeutend iſt, was von irgend einem Standpunkt aus von den vorhandenen Kunſtwerken ausgeſagt werden kann; nichts anderes wird ſich uns in der Betrachtung jenes weiten Schaffensgebietes enthüllen, als die nie ruhende Bethätigung der beſonderen Beziehung, in die der Menſch durch die künſtleriſche Begabung zur ſichtbaren Welt ge¬ ſetzt wird.
Sondert ſich ſo vor unſerem Auge aus der bunten verwirrenden Menge künſtleriſchen Thuns, von der ſich das Leben jeder Zeit, jedes Volkes begleitet zeigt, der echte künſtleriſche Gehalt, der jenem Thun innewohnt, ſo müſſen wir uns zunächſt eingeſtehen, daß ſich oft genug unter einem anſpruchsvollen und glänzenden Schein künſt¬ leriſchen Hervorbringens ein recht kümmerlicher Gehalt verbirgt. Freilich iſt in jeder Kunſtübung, auch wenn ſie noch ſo ſtümperhaft, noch ſo willkürlich nach entlegenen Zielen abgelenkt erſcheint, eine Aeußerung urſprünglichen künſtleriſchen Könnens und Wollens verborgen, und anderer¬ ſeits ſehen wir in Zeiten allgemeiner Verirrung auch große und ſelbſtſtändige Begabungen auftreten; in ihnen ſcheint
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Einzelne in einem großen, einheitlichen Zuſammenhange
darſtellt; vielmehr iſt es das Schickſal, dem eine einfache
und klare Thätigkeit der menſchlichen Natur in den Ver¬
wirrungen des Lebens thatſächlich verfällt, worüber uns
die unbefangene Betrachtung der dem Auge ſich darbieten¬
den Leiſtungen belehrt. Gleichgültig wird uns jene Ge¬
ſchichte der Kunſt werden, die alles in ſich aufnimmt, was
ſich in das äußere Gewand der Kunſt kleidet, und für die
alles bedeutend iſt, was von irgend einem Standpunkt
aus von den vorhandenen Kunſtwerken ausgeſagt werden
kann; nichts anderes wird ſich uns in der Betrachtung
jenes weiten Schaffensgebietes enthüllen, als die nie ruhende
Bethätigung der beſonderen Beziehung, in die der Menſch
durch die künſtleriſche Begabung zur ſichtbaren Welt ge¬
ſetzt wird.
Sondert ſich ſo vor unſerem Auge aus der bunten
verwirrenden Menge künſtleriſchen Thuns, von der ſich
das Leben jeder Zeit, jedes Volkes begleitet zeigt, der
echte künſtleriſche Gehalt, der jenem Thun innewohnt, ſo
müſſen wir uns zunächſt eingeſtehen, daß ſich oft genug
unter einem anſpruchsvollen und glänzenden Schein künſt¬
leriſchen Hervorbringens ein recht kümmerlicher Gehalt
verbirgt. Freilich iſt in jeder Kunſtübung, auch wenn ſie
noch ſo ſtümperhaft, noch ſo willkürlich nach entlegenen
Zielen abgelenkt erſcheint, eine Aeußerung urſprünglichen
künſtleriſchen Könnens und Wollens verborgen, und anderer¬
ſeits ſehen wir in Zeiten allgemeiner Verirrung auch große
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Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887/168>, abgerufen am 16.07.2024.
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