einer Seite steigert, desto mehr muß sie nach jeder anderen Seite hin abnehmen: mit der Thätigkeit schwindet aber auch dasjenige Bewußtsein, welches sich eben nur in dieser Thätigkeit entwickeln kann. Wenn sich der Künstler in sein Thun versenkt, so hört er auf, dasjenige zu denken und zu thun, worin für Andere das bewußte Leben besteht; ja je ernsthafter und bedeutender seine Leistung ist, desto mehr wird sie sich von allem entfernen, was als der wesentliche Inhalt bewußten Lebens gilt. Der Künstler erscheint dann denen, die seines Strebens und seiner Fähig¬ keit nicht theilhaftig sind, wie abwesend und wie von Mächten geleitet, deren er sich selbst unbewußt ist. Der Künstler aber weiß sehr genau, was er will und was er thut. Wenn er an seine Thätigkeit geht, so macht er keines¬ wegs einen gewaltsamen Sprung aus dem Bereiche be¬ wußter Thätigkeit in die Sphäre von Lebensäußerungen, die den Menschen als ein Vernunft- und willenloses Werk¬ zeug geheimnißvoller Eingebungen erscheinen lassen. Er entzieht sich zwar dem Bewußtsein, welches ihn mit seinen Mitmenschen so lange vereinigte, als er sich an ihrer Denk- und Beschäftigungsweise betheiligt hatte, aber er verscheucht darum nicht die gegenwärtige Kraft seiner Intelligenz und seines Willens, um das Feld frei zu machen für jene Offenbarungen. Was er thut, ist, daß er zur Ent¬ wickelung seines Bewußtseins andere der menschlichen Natur eigene Anlagen aufruft, und auch zu einem anderen Re¬ sultat kommt, als Andere, denen seine Art der Thätigkeit fern liegt. Aber innerhalb seiner Thätigkeit erweist sich
einer Seite ſteigert, deſto mehr muß ſie nach jeder anderen Seite hin abnehmen: mit der Thätigkeit ſchwindet aber auch dasjenige Bewußtſein, welches ſich eben nur in dieſer Thätigkeit entwickeln kann. Wenn ſich der Künſtler in ſein Thun verſenkt, ſo hört er auf, dasjenige zu denken und zu thun, worin für Andere das bewußte Leben beſteht; ja je ernſthafter und bedeutender ſeine Leiſtung iſt, deſto mehr wird ſie ſich von allem entfernen, was als der weſentliche Inhalt bewußten Lebens gilt. Der Künſtler erſcheint dann denen, die ſeines Strebens und ſeiner Fähig¬ keit nicht theilhaftig ſind, wie abweſend und wie von Mächten geleitet, deren er ſich ſelbſt unbewußt iſt. Der Künſtler aber weiß ſehr genau, was er will und was er thut. Wenn er an ſeine Thätigkeit geht, ſo macht er keines¬ wegs einen gewaltſamen Sprung aus dem Bereiche be¬ wußter Thätigkeit in die Sphäre von Lebensäußerungen, die den Menſchen als ein Vernunft- und willenloſes Werk¬ zeug geheimnißvoller Eingebungen erſcheinen laſſen. Er entzieht ſich zwar dem Bewußtſein, welches ihn mit ſeinen Mitmenſchen ſo lange vereinigte, als er ſich an ihrer Denk- und Beſchäftigungsweiſe betheiligt hatte, aber er verſcheucht darum nicht die gegenwärtige Kraft ſeiner Intelligenz und ſeines Willens, um das Feld frei zu machen für jene Offenbarungen. Was er thut, iſt, daß er zur Ent¬ wickelung ſeines Bewußtſeins andere der menſchlichen Natur eigene Anlagen aufruft, und auch zu einem anderen Re¬ ſultat kommt, als Andere, denen ſeine Art der Thätigkeit fern liegt. Aber innerhalb ſeiner Thätigkeit erweiſt ſich
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einer Seite ſteigert, deſto mehr muß ſie nach jeder anderen
Seite hin abnehmen: mit der Thätigkeit ſchwindet aber
auch dasjenige Bewußtſein, welches ſich eben nur in dieſer
Thätigkeit entwickeln kann. Wenn ſich der Künſtler in
ſein Thun verſenkt, ſo hört er auf, dasjenige zu denken
und zu thun, worin für Andere das bewußte Leben beſteht;
ja je ernſthafter und bedeutender ſeine Leiſtung iſt, deſto
mehr wird ſie ſich von allem entfernen, was als der
weſentliche Inhalt bewußten Lebens gilt. Der Künſtler
erſcheint dann denen, die ſeines Strebens und ſeiner Fähig¬
keit nicht theilhaftig ſind, wie abweſend und wie von
Mächten geleitet, deren er ſich ſelbſt unbewußt iſt. Der
Künſtler aber weiß ſehr genau, was er will und was er
thut. Wenn er an ſeine Thätigkeit geht, ſo macht er keines¬
wegs einen gewaltſamen Sprung aus dem Bereiche be¬
wußter Thätigkeit in die Sphäre von Lebensäußerungen,
die den Menſchen als ein Vernunft- und willenloſes Werk¬
zeug geheimnißvoller Eingebungen erſcheinen laſſen. Er
entzieht ſich zwar dem Bewußtſein, welches ihn mit ſeinen
Mitmenſchen ſo lange vereinigte, als er ſich an ihrer Denk-
und Beſchäftigungsweiſe betheiligt hatte, aber er verſcheucht
darum nicht die gegenwärtige Kraft ſeiner Intelligenz
und ſeines Willens, um das Feld frei zu machen für
jene Offenbarungen. Was er thut, iſt, daß er zur Ent¬
wickelung ſeines Bewußtſeins andere der menſchlichen Natur
eigene Anlagen aufruft, und auch zu einem anderen Re¬
ſultat kommt, als Andere, denen ſeine Art der Thätigkeit
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Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887/119>, abgerufen am 18.07.2024.
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