Entwickelung dessen, was in der Wahrnehmung des Auges seinen Anfang nimmt, zu bestimmten Gestaltungen, haben wir eingesehen, daß das Auge aus eigener Kraft das von ihm begonnene Werk nicht vollenden kann, sondern den ganzen Menschen in eine bestimmte Art der Thätigkeit versetzen muß, damit das von ihm gelieferte Sinnenmaterial sich zu geistigen Werthen formen könne; so werden wir auch der Einsicht zugänglich sein, daß sich in der künst¬ lerisch bildenden Thätigkeit eine bestimmte Art der Ent¬ wickelung bewußten Lebens darstellt. Man treibt mit dem Wort Bewußtsein oft genug einen sonderbaren Mißbrauch. Man setzt das Vorhandensein einer Art von Normal-Be¬ wußtsein voraus, welches gleichsam das allgemeine helle Reich des Denkens und der Thätigkeit bilde; in diesem Reich entwickelt sich das praktische zielbewußte Handeln und die theoretische Welterkenntniß. Thätigkeiten, wie die des Künstlers gehören nun freilich weder zu dem einen, noch zu dem anderen, und während die menschliche Natur ihren großen praktischen und intellektuellen Zielen mit Be¬ wußtsein und Folgerichtigkeit zustrebt, scheint sie da, wo sie sich der künstlerischen Thätigkeit hingiebt, jenes Tageslicht des Bewußtseins verlassen zu müssen, damit die geheimni߬ vollen Kräfte lebendig und wirksam werden können, als deren Resultat man das Kunstwerk so gern betrachtet.
Indessen ist Bewußtsein niemals als allgemeiner Zu¬ stand, sondern immer nur als bestimmte Thätigkeit vor¬ handen; es ist in jedem einzelnen Menschen ein beständig wechselndes, sowohl in Hinsicht auf den Grad, als auch
Entwickelung deſſen, was in der Wahrnehmung des Auges ſeinen Anfang nimmt, zu beſtimmten Geſtaltungen, haben wir eingeſehen, daß das Auge aus eigener Kraft das von ihm begonnene Werk nicht vollenden kann, ſondern den ganzen Menſchen in eine beſtimmte Art der Thätigkeit verſetzen muß, damit das von ihm gelieferte Sinnenmaterial ſich zu geiſtigen Werthen formen könne; ſo werden wir auch der Einſicht zugänglich ſein, daß ſich in der künſt¬ leriſch bildenden Thätigkeit eine beſtimmte Art der Ent¬ wickelung bewußten Lebens darſtellt. Man treibt mit dem Wort Bewußtſein oft genug einen ſonderbaren Mißbrauch. Man ſetzt das Vorhandenſein einer Art von Normal-Be¬ wußtſein voraus, welches gleichſam das allgemeine helle Reich des Denkens und der Thätigkeit bilde; in dieſem Reich entwickelt ſich das praktiſche zielbewußte Handeln und die theoretiſche Welterkenntniß. Thätigkeiten, wie die des Künſtlers gehören nun freilich weder zu dem einen, noch zu dem anderen, und während die menſchliche Natur ihren großen praktiſchen und intellektuellen Zielen mit Be¬ wußtſein und Folgerichtigkeit zuſtrebt, ſcheint ſie da, wo ſie ſich der künſtleriſchen Thätigkeit hingiebt, jenes Tageslicht des Bewußtſeins verlaſſen zu müſſen, damit die geheimni߬ vollen Kräfte lebendig und wirkſam werden können, als deren Reſultat man das Kunſtwerk ſo gern betrachtet.
Indeſſen iſt Bewußtſein niemals als allgemeiner Zu¬ ſtand, ſondern immer nur als beſtimmte Thätigkeit vor¬ handen; es iſt in jedem einzelnen Menſchen ein beſtändig wechſelndes, ſowohl in Hinſicht auf den Grad, als auch
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Entwickelung deſſen, was in der Wahrnehmung des Auges
ſeinen Anfang nimmt, zu beſtimmten Geſtaltungen, haben
wir eingeſehen, daß das Auge aus eigener Kraft das von
ihm begonnene Werk nicht vollenden kann, ſondern den
ganzen Menſchen in eine beſtimmte Art der Thätigkeit
verſetzen muß, damit das von ihm gelieferte Sinnenmaterial
ſich zu geiſtigen Werthen formen könne; ſo werden wir
auch der Einſicht zugänglich ſein, daß ſich in der künſt¬
leriſch bildenden Thätigkeit eine beſtimmte Art der Ent¬
wickelung bewußten Lebens darſtellt. Man treibt mit dem
Wort Bewußtſein oft genug einen ſonderbaren Mißbrauch.
Man ſetzt das Vorhandenſein einer Art von Normal-Be¬
wußtſein voraus, welches gleichſam das allgemeine helle
Reich des Denkens und der Thätigkeit bilde; in dieſem
Reich entwickelt ſich das praktiſche zielbewußte Handeln
und die theoretiſche Welterkenntniß. Thätigkeiten, wie die
des Künſtlers gehören nun freilich weder zu dem einen,
noch zu dem anderen, und während die menſchliche Natur
ihren großen praktiſchen und intellektuellen Zielen mit Be¬
wußtſein und Folgerichtigkeit zuſtrebt, ſcheint ſie da, wo ſie
ſich der künſtleriſchen Thätigkeit hingiebt, jenes Tageslicht
des Bewußtſeins verlaſſen zu müſſen, damit die geheimni߬
vollen Kräfte lebendig und wirkſam werden können, als
deren Reſultat man das Kunſtwerk ſo gern betrachtet.
Indeſſen iſt Bewußtſein niemals als allgemeiner Zu¬
ſtand, ſondern immer nur als beſtimmte Thätigkeit vor¬
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Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887/117>, abgerufen am 17.07.2024.
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