Fichte, Johann Gottlieb: Über den Begriff der Wissenschaftslehre oder der sogenannten Philosophie. Weimar, 1794.Ich mache mich deutlicher. -- Eine Wissenschaft Aber wir betrachten auch die gesammte Geometrie, Ohne Zweifel dadurch, dass die einzelnen Sätze Mithin müsste wenigstens Ein Satz gewiss seyn sich
Ich mache mich deutlicher. — Eine Wiſſenſchaft Aber wir betrachten auch die geſammte Geometrie, Ohne Zweifel dadurch, daſs die einzelnen Sätze Mithin müſste wenigſtens Ein Satz gewiſs ſeyn ſich
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0020" n="12"/> <p>Ich mache mich deutlicher. — Eine Wiſſenſchaft<lb/> ſoll Eins, ein Ganzes ſeyn. Der Satz, daſs der Per-<lb/> pendikul auf einer Horizontallinie zwei rechte Winkel<lb/> mache, oder daſs Joſephus zur Zeit der Zerſtörung Jeru-<lb/> ſalems gelebt habe, iſt für den, der keine zuſammen-<lb/> hängende Kenntniſs von der Geometrie, oder Geſchich-<lb/> te hat, ohne Zweifel ein Ganzes, und in ſo fern eine<lb/> Wiſſenſchaft.</p><lb/> <p>Aber wir betrachten auch die geſammte Geometrie,<lb/> und Geſchichte als eine Wiſſenſchaft, da doch Beide<lb/> noch gar manches andre enthalten, als jene Sätze, —<lb/> wie und wodurch, werden nun eine Menge an ſich<lb/> höchſt verſchiedener Sätze zu <hi rendition="#i">Einer</hi> Wiſſenſchaft, zu<lb/> Einem und eben demſelben Ganzen?</p><lb/> <p>Ohne Zweifel dadurch, daſs die einzelnen Sätze<lb/> überhaupt nicht Wiſſenſchaft wären, ſondern daſs ſie<lb/> erſt im Ganzen, durch ihre Stelle im Ganzen, und<lb/> durch ihr Verhältniſs zum Ganzen es werden. Nie<lb/> aber kann durch bloſse Zuſammenſetzung von Theilen<lb/> ein etwas entſtehen, das nicht in einem Theile des<lb/> Ganzen anzutreffen ſei. Wenn gar kein Satz unter<lb/> den verbundnen Sätzen Gewiſsheit hätte, ſo würde<lb/> auch das durch die Verbindung entſtandene Ganze keine<lb/> haben.</p><lb/> <p>Mithin müſste wenigſtens Ein Satz gewiſs ſeyn<lb/> der etwa den übrigen ſeine Gewiſsheit mittheilte; ſo<lb/> daſs, wenn, und in wie fern dieſer Eine gewiſs ſeyn<lb/> ſoll, auch ein Zweiter, und wenn, und in wie fern<lb/> dieſer Zweite gewiſs ſeyn ſoll, auch ein Dritter, u. ſ. f.<lb/> gewiſs ſeyn muſs. Und ſo würden mehrere, und an<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſich</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [12/0020]
Ich mache mich deutlicher. — Eine Wiſſenſchaft
ſoll Eins, ein Ganzes ſeyn. Der Satz, daſs der Per-
pendikul auf einer Horizontallinie zwei rechte Winkel
mache, oder daſs Joſephus zur Zeit der Zerſtörung Jeru-
ſalems gelebt habe, iſt für den, der keine zuſammen-
hängende Kenntniſs von der Geometrie, oder Geſchich-
te hat, ohne Zweifel ein Ganzes, und in ſo fern eine
Wiſſenſchaft.
Aber wir betrachten auch die geſammte Geometrie,
und Geſchichte als eine Wiſſenſchaft, da doch Beide
noch gar manches andre enthalten, als jene Sätze, —
wie und wodurch, werden nun eine Menge an ſich
höchſt verſchiedener Sätze zu Einer Wiſſenſchaft, zu
Einem und eben demſelben Ganzen?
Ohne Zweifel dadurch, daſs die einzelnen Sätze
überhaupt nicht Wiſſenſchaft wären, ſondern daſs ſie
erſt im Ganzen, durch ihre Stelle im Ganzen, und
durch ihr Verhältniſs zum Ganzen es werden. Nie
aber kann durch bloſse Zuſammenſetzung von Theilen
ein etwas entſtehen, das nicht in einem Theile des
Ganzen anzutreffen ſei. Wenn gar kein Satz unter
den verbundnen Sätzen Gewiſsheit hätte, ſo würde
auch das durch die Verbindung entſtandene Ganze keine
haben.
Mithin müſste wenigſtens Ein Satz gewiſs ſeyn
der etwa den übrigen ſeine Gewiſsheit mittheilte; ſo
daſs, wenn, und in wie fern dieſer Eine gewiſs ſeyn
ſoll, auch ein Zweiter, und wenn, und in wie fern
dieſer Zweite gewiſs ſeyn ſoll, auch ein Dritter, u. ſ. f.
gewiſs ſeyn muſs. Und ſo würden mehrere, und an
ſich
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Zitationshilfe: | Fichte, Johann Gottlieb: Über den Begriff der Wissenschaftslehre oder der sogenannten Philosophie. Weimar, 1794, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_wissenschaftslehre_1794/20>, abgerufen am 16.07.2024. |