Jener begeisterte Ausruf: welch' ein erhabe¬ nes Genie, welch' eine tiefe Weisheit, welch' ein umfassender Plan! -- was sagt er denn nun zulezt aus, wenn man ihn recht ins Auge faßt? Er sagt aus, daß das Genie so groß sey, daß auch wir es vollkommen begreifen, die Weisheit so tief, daß auch wir sie durchschauen, der Plan so umfassend, daß auch wir ihn voll¬ ständig nachzubilden vermögen. Er sagt dem¬ nach aus, daß der Gelobte ohngefähr von dem¬ selben Maaße der Größe sey, wie der Lobende, jedoch nicht ganz, indem ja der lezte den ersten vollkommen versteht, und übersieht, und sonach über demselben steht, und, falls er sich nur recht anstrengte, wohl noch etwas größeres lei¬ sten könnte. Man muß eine sehr gute Mei¬ nung von sich selbst haben, wenn man glaubt, daß man also auf eine gefällige Weise seinen Hof machen könne; und der Gelobte muß eine sehr geringe von sich haben, wenn er solche Huldigungen mit Wohlgefallen aufnimmt.
Nein, biedere, ernste, gesezte, deutsche Män¬ ner und Landsleute, fern bleibe ein solcher Un¬
Jener begeiſterte Ausruf: welch' ein erhabe¬ nes Genie, welch' eine tiefe Weisheit, welch' ein umfaſſender Plan! — was ſagt er denn nun zulezt aus, wenn man ihn recht ins Auge faßt? Er ſagt aus, daß das Genie ſo groß ſey, daß auch wir es vollkommen begreifen, die Weisheit ſo tief, daß auch wir ſie durchſchauen, der Plan ſo umfaſſend, daß auch wir ihn voll¬ ſtaͤndig nachzubilden vermoͤgen. Er ſagt dem¬ nach aus, daß der Gelobte ohngefaͤhr von dem¬ ſelben Maaße der Groͤße ſey, wie der Lobende, jedoch nicht ganz, indem ja der lezte den erſten vollkommen verſteht, und uͤberſieht, und ſonach uͤber demſelben ſteht, und, falls er ſich nur recht anſtrengte, wohl noch etwas groͤßeres lei¬ ſten koͤnnte. Man muß eine ſehr gute Mei¬ nung von ſich ſelbſt haben, wenn man glaubt, daß man alſo auf eine gefaͤllige Weiſe ſeinen Hof machen koͤnne; und der Gelobte muß eine ſehr geringe von ſich haben, wenn er ſolche Huldigungen mit Wohlgefallen aufnimmt.
Nein, biedere, ernſte, geſezte, deutſche Maͤn¬ ner und Landsleute, fern bleibe ein ſolcher Un¬
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0454"n="448"/><p>Jener begeiſterte Ausruf: welch' ein erhabe¬<lb/>
nes Genie, welch' eine tiefe Weisheit, welch'<lb/>
ein umfaſſender Plan! — was ſagt er denn<lb/>
nun zulezt aus, wenn man ihn recht ins Auge<lb/>
faßt? Er ſagt aus, daß das Genie ſo groß ſey,<lb/>
daß auch wir es vollkommen begreifen, die<lb/>
Weisheit ſo tief, daß auch wir ſie durchſchauen,<lb/>
der Plan ſo umfaſſend, daß auch wir ihn voll¬<lb/>ſtaͤndig nachzubilden vermoͤgen. Er ſagt dem¬<lb/>
nach aus, daß der Gelobte ohngefaͤhr von dem¬<lb/>ſelben Maaße der Groͤße ſey, wie der Lobende,<lb/>
jedoch nicht ganz, indem ja der lezte den erſten<lb/>
vollkommen verſteht, und uͤberſieht, und ſonach<lb/>
uͤber demſelben ſteht, und, falls er ſich nur<lb/>
recht anſtrengte, wohl noch etwas groͤßeres lei¬<lb/>ſten koͤnnte. Man muß eine ſehr gute Mei¬<lb/>
nung von ſich ſelbſt haben, wenn man glaubt,<lb/>
daß man alſo auf eine gefaͤllige Weiſe ſeinen<lb/>
Hof machen koͤnne; und der Gelobte muß eine<lb/>ſehr geringe von ſich haben, wenn er ſolche<lb/>
Huldigungen mit Wohlgefallen aufnimmt.</p><lb/><p>Nein, biedere, ernſte, geſezte, deutſche Maͤn¬<lb/>
ner und Landsleute, fern bleibe ein ſolcher Un¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[448/0454]
Jener begeiſterte Ausruf: welch' ein erhabe¬
nes Genie, welch' eine tiefe Weisheit, welch'
ein umfaſſender Plan! — was ſagt er denn
nun zulezt aus, wenn man ihn recht ins Auge
faßt? Er ſagt aus, daß das Genie ſo groß ſey,
daß auch wir es vollkommen begreifen, die
Weisheit ſo tief, daß auch wir ſie durchſchauen,
der Plan ſo umfaſſend, daß auch wir ihn voll¬
ſtaͤndig nachzubilden vermoͤgen. Er ſagt dem¬
nach aus, daß der Gelobte ohngefaͤhr von dem¬
ſelben Maaße der Groͤße ſey, wie der Lobende,
jedoch nicht ganz, indem ja der lezte den erſten
vollkommen verſteht, und uͤberſieht, und ſonach
uͤber demſelben ſteht, und, falls er ſich nur
recht anſtrengte, wohl noch etwas groͤßeres lei¬
ſten koͤnnte. Man muß eine ſehr gute Mei¬
nung von ſich ſelbſt haben, wenn man glaubt,
daß man alſo auf eine gefaͤllige Weiſe ſeinen
Hof machen koͤnne; und der Gelobte muß eine
ſehr geringe von ſich haben, wenn er ſolche
Huldigungen mit Wohlgefallen aufnimmt.
Nein, biedere, ernſte, geſezte, deutſche Maͤn¬
ner und Landsleute, fern bleibe ein ſolcher Un¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/454>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.