Dazu kommt, daß es bei uns das Ansehen hat, als ob es vorzüglich das Schrecken und die Furcht seye, die unsre Lobeserhebungen uns auspressen; aber es ist kein Gegenstand lächer¬ licher, denn ein Furchtsamer, der die Schönheit und Anmuth desjenigen lobpreist, was er in der That für ein Ungeheuer hält, das er durch diese Schmeichelei nur bestechen will, ihn nicht zu verschlingen.
Oder sind vielleicht diese Lobpreisungen nicht Schmeichelei, sondern der wahrhafte Ausdruk der Verehrung und Bewunderung, die sie dem großen Genie, das nach ihnen die Angelegen¬ heiten der Menschen leitet, zu zollen genöthigt sind? Wie wenig kennen sie auch hier das Gepräge der wahren Größe! Darin ist dieselbe in allen Zeitaltern und unter allen Völkern sich gleich gewesen, daß sie nicht eitel war, so wie umgekehrt von jeher sicherlich klein war, und niedrig, was Eitelkeit zeigte. Der wahrhaften auf sich selber ruhenden Größe gefallen nicht Bildsäulen von der Mitwelt errichtet, oder der Beiname des Großen, und der schreiende Bei¬ fall und die Lobreisungen der Menge; vielmehr
Dazu kommt, daß es bei uns das Anſehen hat, als ob es vorzuͤglich das Schrecken und die Furcht ſeye, die unſre Lobeserhebungen uns auspreſſen; aber es iſt kein Gegenſtand laͤcher¬ licher, denn ein Furchtſamer, der die Schoͤnheit und Anmuth desjenigen lobpreiſt, was er in der That fuͤr ein Ungeheuer haͤlt, das er durch dieſe Schmeichelei nur beſtechen will, ihn nicht zu verſchlingen.
Oder ſind vielleicht dieſe Lobpreiſungen nicht Schmeichelei, ſondern der wahrhafte Ausdruk der Verehrung und Bewunderung, die ſie dem großen Genie, das nach ihnen die Angelegen¬ heiten der Menſchen leitet, zu zollen genoͤthigt ſind? Wie wenig kennen ſie auch hier das Gepraͤge der wahren Groͤße! Darin iſt dieſelbe in allen Zeitaltern und unter allen Voͤlkern ſich gleich geweſen, daß ſie nicht eitel war, ſo wie umgekehrt von jeher ſicherlich klein war, und niedrig, was Eitelkeit zeigte. Der wahrhaften auf ſich ſelber ruhenden Groͤße gefallen nicht Bildſaͤulen von der Mitwelt errichtet, oder der Beiname des Großen, und der ſchreiende Bei¬ fall und die Lobreiſungen der Menge; vielmehr
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Dazu kommt, daß es bei uns das Anſehen hat,
als ob es vorzuͤglich das Schrecken und die
Furcht ſeye, die unſre Lobeserhebungen uns
auspreſſen; aber es iſt kein Gegenſtand laͤcher¬
licher, denn ein Furchtſamer, der die Schoͤnheit
und Anmuth desjenigen lobpreiſt, was er in
der That fuͤr ein Ungeheuer haͤlt, das er durch
dieſe Schmeichelei nur beſtechen will, ihn nicht
zu verſchlingen.
Oder ſind vielleicht dieſe Lobpreiſungen nicht
Schmeichelei, ſondern der wahrhafte Ausdruk
der Verehrung und Bewunderung, die ſie dem
großen Genie, das nach ihnen die Angelegen¬
heiten der Menſchen leitet, zu zollen genoͤthigt
ſind? Wie wenig kennen ſie auch hier das
Gepraͤge der wahren Groͤße! Darin iſt dieſelbe
in allen Zeitaltern und unter allen Voͤlkern ſich
gleich geweſen, daß ſie nicht eitel war, ſo wie
umgekehrt von jeher ſicherlich klein war, und
niedrig, was Eitelkeit zeigte. Der wahrhaften
auf ſich ſelber ruhenden Groͤße gefallen nicht
Bildſaͤulen von der Mitwelt errichtet, oder der
Beiname des Großen, und der ſchreiende Bei¬
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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 446. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/452>, abgerufen am 22.11.2024.
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