weder Vernunft, noch Anstand, gute Sitte und Geschmak, verschonten, wo sie glaubten, eine Schmeichelrede anbringen zu können. Diese Sitte ist binnen der Zeit abgekommen, und diese Lobeserhebungen haben sich zum Theil in Scheltworte verwandelt. Wir gaben indessen unsern Weihrauchwolken, gleichsam damit wir nicht aus der Uebung kämen, eine andere Rich¬ tung, nach der Seite hin, wo jezt die Gewalt ist. Schon das erste, sowohl die Schmeichelei selbst, als daß sie nicht verbeten wurde, mußte jeden ernsthaft denkenden Deutschen schmerzen; doch blieb die Sache unter uns. Wollen wir jezt auch das Ausland zum Zeugen machen die¬ ser unsrer niedrigen Sucht, so wie zugleich der großen Ungeschiklichkeit, mit welcher wir uns derselben entledigen, und so der Verachtung un¬ srer Niedrigkeit auch noch den lächerlichen An¬ blik unsrer Ungelenkigkeit hinzufügen? Es fehlt nns nemlich in dieser Verrichtung an aller dem Ausländer eignen Feinheit; um doch ja nicht überhört zu werden, werden wir plump und übertreibend, und heben mit Vergötterungen, und Versetzungen unter die Gestirne gleich an.
weder Vernunft, noch Anſtand, gute Sitte und Geſchmak, verſchonten, wo ſie glaubten, eine Schmeichelrede anbringen zu koͤnnen. Dieſe Sitte iſt binnen der Zeit abgekommen, und dieſe Lobeserhebungen haben ſich zum Theil in Scheltworte verwandelt. Wir gaben indeſſen unſern Weihrauchwolken, gleichſam damit wir nicht aus der Uebung kaͤmen, eine andere Rich¬ tung, nach der Seite hin, wo jezt die Gewalt iſt. Schon das erſte, ſowohl die Schmeichelei ſelbſt, als daß ſie nicht verbeten wurde, mußte jeden ernſthaft denkenden Deutſchen ſchmerzen; doch blieb die Sache unter uns. Wollen wir jezt auch das Ausland zum Zeugen machen die¬ ſer unſrer niedrigen Sucht, ſo wie zugleich der großen Ungeſchiklichkeit, mit welcher wir uns derſelben entledigen, und ſo der Verachtung un¬ ſrer Niedrigkeit auch noch den laͤcherlichen An¬ blik unſrer Ungelenkigkeit hinzufuͤgen? Es fehlt nns nemlich in dieſer Verrichtung an aller dem Auslaͤnder eignen Feinheit; um doch ja nicht uͤberhoͤrt zu werden, werden wir plump und uͤbertreibend, und heben mit Vergoͤtterungen, und Verſetzungen unter die Geſtirne gleich an.
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weder Vernunft, noch Anſtand, gute Sitte und
Geſchmak, verſchonten, wo ſie glaubten, eine
Schmeichelrede anbringen zu koͤnnen. Dieſe
Sitte iſt binnen der Zeit abgekommen, und
dieſe Lobeserhebungen haben ſich zum Theil in
Scheltworte verwandelt. Wir gaben indeſſen
unſern Weihrauchwolken, gleichſam damit wir
nicht aus der Uebung kaͤmen, eine andere Rich¬
tung, nach der Seite hin, wo jezt die Gewalt
iſt. Schon das erſte, ſowohl die Schmeichelei
ſelbſt, als daß ſie nicht verbeten wurde, mußte
jeden ernſthaft denkenden Deutſchen ſchmerzen;
doch blieb die Sache unter uns. Wollen wir
jezt auch das Ausland zum Zeugen machen die¬
ſer unſrer niedrigen Sucht, ſo wie zugleich der
großen Ungeſchiklichkeit, mit welcher wir uns
derſelben entledigen, und ſo der Verachtung un¬
ſrer Niedrigkeit auch noch den laͤcherlichen An¬
blik unſrer Ungelenkigkeit hinzufuͤgen? Es fehlt
nns nemlich in dieſer Verrichtung an aller dem
Auslaͤnder eignen Feinheit; um doch ja nicht
uͤberhoͤrt zu werden, werden wir plump und
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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/451>, abgerufen am 22.11.2024.
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