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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

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leerer Laut, zum Kitzel müßiger Ohren. Er
will ursprünglich und aus der Wurzel des gei¬
stigen Lebens heraus denken, für diejenigen,
die eben so ursprünglich wirken, d. i. regieren.
Er kann deswegen nur in einer solchen Spra¬
che schreiben, in der auch die Regierenden den¬
ken, in einer Sprache, in der regiert wird,
in der eines Volkes, das einen selbstständigen
Staat ausmacht. Was wollen denn zulezt
alle unsre Bemühungen selbst um die abgezo¬
gensten Wissenschaften? Lasset seyn, der näch¬
ste Zwek dieser Bemühungen sei der, die Wissen¬
schaft fortzupflanzen von Geschlecht zu Ge¬
schlecht, und in der Welt zu erhalten; warum
soll sie denn auch erhalten werden? Offenbar
nur, um zu rechter Zeit das allgemeine Leben,
und die ganze menschliche Ordnung der Dinge
zu gestalten. Dies ist ihr lezter Zwek; mit¬
telbar dient sonach, sey es auch erst in einer
spätern Zukunft, jede wissenschaftliche Bestre¬
bung dem Staate. Giebt sie diesen Zwek auf,
so ist auch ihre Würde, und ihre Selbstständig¬
keit verloren. Wer aber diesen Zwek hat, der
muß schreiben in der Sprache des herrschenden
Volkes.

leerer Laut, zum Kitzel muͤßiger Ohren. Er
will urſpruͤnglich und aus der Wurzel des gei¬
ſtigen Lebens heraus denken, fuͤr diejenigen,
die eben ſo urſpruͤnglich wirken, d. i. regieren.
Er kann deswegen nur in einer ſolchen Spra¬
che ſchreiben, in der auch die Regierenden den¬
ken, in einer Sprache, in der regiert wird,
in der eines Volkes, das einen ſelbſtſtaͤndigen
Staat ausmacht. Was wollen denn zulezt
alle unſre Bemuͤhungen ſelbſt um die abgezo¬
genſten Wiſſenſchaften? Laſſet ſeyn, der naͤch¬
ſte Zwek dieſer Bemuͤhungen ſei der, die Wiſſen¬
ſchaft fortzupflanzen von Geſchlecht zu Ge¬
ſchlecht, und in der Welt zu erhalten; warum
ſoll ſie denn auch erhalten werden? Offenbar
nur, um zu rechter Zeit das allgemeine Leben,
und die ganze menſchliche Ordnung der Dinge
zu geſtalten. Dies iſt ihr lezter Zwek; mit¬
telbar dient ſonach, ſey es auch erſt in einer
ſpaͤtern Zukunft, jede wiſſenſchaftliche Beſtre¬
bung dem Staate. Giebt ſie dieſen Zwek auf,
ſo iſt auch ihre Wuͤrde, und ihre Selbſtſtaͤndig¬
keit verloren. Wer aber dieſen Zwek hat, der
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[394/0400] leerer Laut, zum Kitzel muͤßiger Ohren. Er will urſpruͤnglich und aus der Wurzel des gei¬ ſtigen Lebens heraus denken, fuͤr diejenigen, die eben ſo urſpruͤnglich wirken, d. i. regieren. Er kann deswegen nur in einer ſolchen Spra¬ che ſchreiben, in der auch die Regierenden den¬ ken, in einer Sprache, in der regiert wird, in der eines Volkes, das einen ſelbſtſtaͤndigen Staat ausmacht. Was wollen denn zulezt alle unſre Bemuͤhungen ſelbſt um die abgezo¬ genſten Wiſſenſchaften? Laſſet ſeyn, der naͤch¬ ſte Zwek dieſer Bemuͤhungen ſei der, die Wiſſen¬ ſchaft fortzupflanzen von Geſchlecht zu Ge¬ ſchlecht, und in der Welt zu erhalten; warum ſoll ſie denn auch erhalten werden? Offenbar nur, um zu rechter Zeit das allgemeine Leben, und die ganze menſchliche Ordnung der Dinge zu geſtalten. Dies iſt ihr lezter Zwek; mit¬ telbar dient ſonach, ſey es auch erſt in einer ſpaͤtern Zukunft, jede wiſſenſchaftliche Beſtre¬ bung dem Staate. Giebt ſie dieſen Zwek auf, ſo iſt auch ihre Wuͤrde, und ihre Selbſtſtaͤndig¬ keit verloren. Wer aber dieſen Zwek hat, der muß ſchreiben in der Sprache des herrſchenden Volkes.

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Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/400>, abgerufen am 22.11.2024.