daß sie jene häufig sich zeigende Neigung, über die eignen Angelegenheiten sich zu täuschen, und ein weniger unerfreuliches Bild von den¬ selben, als mit der Wahrheit bestehen kann, sich vorzuhalten, entweder schon besiegt haben, oder doch fähig sind, sie zu besiegen. Jene Neigung ist ein feiges Entfliehen vor seinen eignen Gedanken, und kindischer Sinn, der da zu glauben scheint, wenn er nur nicht sehe sein Elend, oder wenigstens sich nicht gestehe, daß er es sehe, so werde dieses Elend dadurch auch in der Wirklichkeit aufgehoben, wie es, aufgehoben ist in seinem Denken. Dagegen ist es mannhafte Kühnheit, das Uebel fest ins Auge zu fassen, es zu nöthigen, Stand zu hal¬ ten, es ruhig, kalt und frei zu durchdringen, und es aufzulösen in seine Bestandtheile. Auch wird man nur durch diese klare Einsicht des Uebels Meister, und geht in der Bekäm¬ pfung desselben einher mit sicherem Schritte, indem man, in jedem Theile das Ganze über¬ sehend, immer weiß, wo man sich befinde, und durch die einmal erlangte Klarheit seiner Sache gewiß ist, dagegen der andere, ohne
daß ſie jene haͤufig ſich zeigende Neigung, uͤber die eignen Angelegenheiten ſich zu taͤuſchen, und ein weniger unerfreuliches Bild von den¬ ſelben, als mit der Wahrheit beſtehen kann, ſich vorzuhalten, entweder ſchon beſiegt haben, oder doch faͤhig ſind, ſie zu beſiegen. Jene Neigung iſt ein feiges Entfliehen vor ſeinen eignen Gedanken, und kindiſcher Sinn, der da zu glauben ſcheint, wenn er nur nicht ſehe ſein Elend, oder wenigſtens ſich nicht geſtehe, daß er es ſehe, ſo werde dieſes Elend dadurch auch in der Wirklichkeit aufgehoben, wie es, aufgehoben iſt in ſeinem Denken. Dagegen iſt es mannhafte Kuͤhnheit, das Uebel feſt ins Auge zu faſſen, es zu noͤthigen, Stand zu hal¬ ten, es ruhig, kalt und frei zu durchdringen, und es aufzuloͤſen in ſeine Beſtandtheile. Auch wird man nur durch dieſe klare Einſicht des Uebels Meiſter, und geht in der Bekaͤm¬ pfung deſſelben einher mit ſicherem Schritte, indem man, in jedem Theile das Ganze uͤber¬ ſehend, immer weiß, wo man ſich befinde, und durch die einmal erlangte Klarheit ſeiner Sache gewiß iſt, dagegen der andere, ohne
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daß ſie jene haͤufig ſich zeigende Neigung, uͤber
die eignen Angelegenheiten ſich zu taͤuſchen,
und ein weniger unerfreuliches Bild von den¬
ſelben, als mit der Wahrheit beſtehen kann,
ſich vorzuhalten, entweder ſchon beſiegt haben,
oder doch faͤhig ſind, ſie zu beſiegen. Jene
Neigung iſt ein feiges Entfliehen vor ſeinen
eignen Gedanken, und kindiſcher Sinn, der
da zu glauben ſcheint, wenn er nur nicht ſehe
ſein Elend, oder wenigſtens ſich nicht geſtehe,
daß er es ſehe, ſo werde dieſes Elend dadurch
auch in der Wirklichkeit aufgehoben, wie es,
aufgehoben iſt in ſeinem Denken. Dagegen
iſt es mannhafte Kuͤhnheit, das Uebel feſt ins
Auge zu faſſen, es zu noͤthigen, Stand zu hal¬
ten, es ruhig, kalt und frei zu durchdringen,
und es aufzuloͤſen in ſeine Beſtandtheile.
Auch wird man nur durch dieſe klare Einſicht
des Uebels Meiſter, und geht in der Bekaͤm¬
pfung deſſelben einher mit ſicherem Schritte,
indem man, in jedem Theile das Ganze uͤber¬
ſehend, immer weiß, wo man ſich befinde, und
durch die einmal erlangte Klarheit ſeiner
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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/31>, abgerufen am 12.10.2024.
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