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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

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welches zunächst seine Nation, und vermittelst
ihrer das ganze Menschengeschlecht, innigst mit
ihm selber verknüpft, und ihrer aller Bedürf¬
nisse, bis ans Ende der Tage, einführt in sein
erweitertes Herz. Dies ist seine Liebe zu sei¬
nem Volke, zuvörderst achtend, vertrauend,
desselben sich freuend, mit der Abstammung
daraus sich ehrend. Es ist göttliches in ihm
erschienen, und das ursprüngliche hat dasselbe
gewürdigt, es zu seiner Hülle, und zu seinem
unmittelbaren Verflößungsmittel in die Welt zu
machen; es wird darum auch ferner göttliches
aus ihm hervorbrechen. Sodann thätig, wirk¬
sam, sich aufopfernd für dasselbe. Das Leben,
bloß als Leben, als Fortsetzen des wechselnden
Daseyns, hat für ihn ja ohne dies nie Werth
gehabt, er hat es nur gewollt als Quelle des
dauernden; aber diese Dauer, verspricht ihm
allein die selbstständige Fortdauer seiner Na¬
tion; um diese zu retten, muß er sogar sterben
wollen, damit diese lebe, und er in ihr lebe das
einzige Leben, das er von je gemocht hat.

So ist es. Die Liebe, die wahrhaftig Liebe
sey, und nicht bloß eine vorübergehende Be¬
gehrlichkeit, haftet nie auf vergänglichem, son¬

welches zunaͤchſt ſeine Nation, und vermittelſt
ihrer das ganze Menſchengeſchlecht, innigſt mit
ihm ſelber verknuͤpft, und ihrer aller Beduͤrf¬
niſſe, bis ans Ende der Tage, einfuͤhrt in ſein
erweitertes Herz. Dies iſt ſeine Liebe zu ſei¬
nem Volke, zuvoͤrderſt achtend, vertrauend,
deſſelben ſich freuend, mit der Abſtammung
daraus ſich ehrend. Es iſt goͤttliches in ihm
erſchienen, und das urſpruͤngliche hat daſſelbe
gewuͤrdigt, es zu ſeiner Huͤlle, und zu ſeinem
unmittelbaren Verfloͤßungsmittel in die Welt zu
machen; es wird darum auch ferner goͤttliches
aus ihm hervorbrechen. Sodann thaͤtig, wirk¬
ſam, ſich aufopfernd fuͤr daſſelbe. Das Leben,
bloß als Leben, als Fortſetzen des wechſelnden
Daſeyns, hat fuͤr ihn ja ohne dies nie Werth
gehabt, er hat es nur gewollt als Quelle des
dauernden; aber dieſe Dauer, verſpricht ihm
allein die ſelbſtſtaͤndige Fortdauer ſeiner Na¬
tion; um dieſe zu retten, muß er ſogar ſterben
wollen, damit dieſe lebe, und er in ihr lebe das
einzige Leben, das er von je gemocht hat.

So iſt es. Die Liebe, die wahrhaftig Liebe
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[254/0260] welches zunaͤchſt ſeine Nation, und vermittelſt ihrer das ganze Menſchengeſchlecht, innigſt mit ihm ſelber verknuͤpft, und ihrer aller Beduͤrf¬ niſſe, bis ans Ende der Tage, einfuͤhrt in ſein erweitertes Herz. Dies iſt ſeine Liebe zu ſei¬ nem Volke, zuvoͤrderſt achtend, vertrauend, deſſelben ſich freuend, mit der Abſtammung daraus ſich ehrend. Es iſt goͤttliches in ihm erſchienen, und das urſpruͤngliche hat daſſelbe gewuͤrdigt, es zu ſeiner Huͤlle, und zu ſeinem unmittelbaren Verfloͤßungsmittel in die Welt zu machen; es wird darum auch ferner goͤttliches aus ihm hervorbrechen. Sodann thaͤtig, wirk¬ ſam, ſich aufopfernd fuͤr daſſelbe. Das Leben, bloß als Leben, als Fortſetzen des wechſelnden Daſeyns, hat fuͤr ihn ja ohne dies nie Werth gehabt, er hat es nur gewollt als Quelle des dauernden; aber dieſe Dauer, verſpricht ihm allein die ſelbſtſtaͤndige Fortdauer ſeiner Na¬ tion; um dieſe zu retten, muß er ſogar ſterben wollen, damit dieſe lebe, und er in ihr lebe das einzige Leben, das er von je gemocht hat. So iſt es. Die Liebe, die wahrhaftig Liebe ſey, und nicht bloß eine voruͤbergehende Be¬ gehrlichkeit, haftet nie auf vergaͤnglichem, ſon¬

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Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/260>, abgerufen am 22.11.2024.