Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

hätten, fähig seyn, dieselben in ihrer ganzen
Folgemäßigkeit rükwärts und vorwärts zu ent¬
wikeln; wir werfen sie nur eben gleich von vorn
herein weg, und so auch alles, was aus ihnen
folgt, dessen mehreres ist in unserm hergebrach¬
ten Denken, als der oberflächliche Beobachter
leicht glauben dürfte.

Wie in unsre wissenschaftliche Ansicht, eben
so fließt dieser Geist des Auslandes auch ein
in unser gewöhnliches Leben, und die Regeln
desselben; damit aber dieses klar, und das
vorhergehende noch klärer werde, ist es nöthig,
zuförderst das Wesen des ursprünglichen Le¬
bens, oder der Freiheit, mit tieferm Blicke zu
durchdringen.

Die Freiheit im Sinne des unentschiedenen
Schwankens zwischen mehreren gleich mögli¬
chen genommen, ist nicht Leben, sondern nur
Vorhof und Eingang zu wirklichem Leben.
Endlich muß es doch einmal aus diesem
Schwanken heraus zum Entschlusse, und zum
Handeln kommen, und erst jezt beginnt das
Leben.

Nun erscheint unmittelbar und auf den er¬
sten Blik jedweder Willensentschluß als erstes,
keinesweges als zweites, und Folge aus einem

P 2

haͤtten, faͤhig ſeyn, dieſelben in ihrer ganzen
Folgemaͤßigkeit ruͤkwaͤrts und vorwaͤrts zu ent¬
wikeln; wir werfen ſie nur eben gleich von vorn
herein weg, und ſo auch alles, was aus ihnen
folgt, deſſen mehreres iſt in unſerm hergebrach¬
ten Denken, als der oberflaͤchliche Beobachter
leicht glauben duͤrfte.

Wie in unſre wiſſenſchaftliche Anſicht, eben
ſo fließt dieſer Geiſt des Auslandes auch ein
in unſer gewoͤhnliches Leben, und die Regeln
deſſelben; damit aber dieſes klar, und das
vorhergehende noch klaͤrer werde, iſt es noͤthig,
zufoͤrderſt das Weſen des urſpruͤnglichen Le¬
bens, oder der Freiheit, mit tieferm Blicke zu
durchdringen.

Die Freiheit im Sinne des unentſchiedenen
Schwankens zwiſchen mehreren gleich moͤgli¬
chen genommen, iſt nicht Leben, ſondern nur
Vorhof und Eingang zu wirklichem Leben.
Endlich muß es doch einmal aus dieſem
Schwanken heraus zum Entſchluſſe, und zum
Handeln kommen, und erſt jezt beginnt das
Leben.

Nun erſcheint unmittelbar und auf den er¬
ſten Blik jedweder Willensentſchluß als erſtes,
keinesweges als zweites, und Folge aus einem

P 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0233" n="227"/>
ha&#x0364;tten, fa&#x0364;hig &#x017F;eyn, die&#x017F;elben in ihrer ganzen<lb/>
Folgema&#x0364;ßigkeit ru&#x0364;kwa&#x0364;rts und vorwa&#x0364;rts zu ent¬<lb/>
wikeln; wir werfen &#x017F;ie nur eben gleich von vorn<lb/>
herein weg, und &#x017F;o auch alles, was aus ihnen<lb/>
folgt, de&#x017F;&#x017F;en mehreres i&#x017F;t in un&#x017F;erm hergebrach¬<lb/>
ten Denken, als der oberfla&#x0364;chliche Beobachter<lb/>
leicht glauben du&#x0364;rfte.</p><lb/>
        <p>Wie in un&#x017F;re wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftliche An&#x017F;icht, eben<lb/>
&#x017F;o fließt die&#x017F;er Gei&#x017F;t des Auslandes auch ein<lb/>
in un&#x017F;er gewo&#x0364;hnliches Leben, und die Regeln<lb/>
de&#x017F;&#x017F;elben; damit aber die&#x017F;es klar, und das<lb/>
vorhergehende noch kla&#x0364;rer werde, i&#x017F;t es no&#x0364;thig,<lb/>
zufo&#x0364;rder&#x017F;t das We&#x017F;en des ur&#x017F;pru&#x0364;nglichen Le¬<lb/>
bens, oder der Freiheit, mit tieferm Blicke zu<lb/>
durchdringen.</p><lb/>
        <p>Die Freiheit im Sinne des unent&#x017F;chiedenen<lb/>
Schwankens zwi&#x017F;chen mehreren gleich mo&#x0364;gli¬<lb/>
chen genommen, i&#x017F;t nicht Leben, &#x017F;ondern nur<lb/>
Vorhof und Eingang zu wirklichem Leben.<lb/>
Endlich muß es doch einmal aus die&#x017F;em<lb/>
Schwanken heraus zum Ent&#x017F;chlu&#x017F;&#x017F;e, und zum<lb/>
Handeln kommen, und er&#x017F;t jezt beginnt das<lb/>
Leben.</p><lb/>
        <p>Nun er&#x017F;cheint unmittelbar und auf den er¬<lb/>
&#x017F;ten Blik jedweder Willensent&#x017F;chluß als er&#x017F;tes,<lb/>
keinesweges als zweites, und Folge aus einem<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">P 2<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[227/0233] haͤtten, faͤhig ſeyn, dieſelben in ihrer ganzen Folgemaͤßigkeit ruͤkwaͤrts und vorwaͤrts zu ent¬ wikeln; wir werfen ſie nur eben gleich von vorn herein weg, und ſo auch alles, was aus ihnen folgt, deſſen mehreres iſt in unſerm hergebrach¬ ten Denken, als der oberflaͤchliche Beobachter leicht glauben duͤrfte. Wie in unſre wiſſenſchaftliche Anſicht, eben ſo fließt dieſer Geiſt des Auslandes auch ein in unſer gewoͤhnliches Leben, und die Regeln deſſelben; damit aber dieſes klar, und das vorhergehende noch klaͤrer werde, iſt es noͤthig, zufoͤrderſt das Weſen des urſpruͤnglichen Le¬ bens, oder der Freiheit, mit tieferm Blicke zu durchdringen. Die Freiheit im Sinne des unentſchiedenen Schwankens zwiſchen mehreren gleich moͤgli¬ chen genommen, iſt nicht Leben, ſondern nur Vorhof und Eingang zu wirklichem Leben. Endlich muß es doch einmal aus dieſem Schwanken heraus zum Entſchluſſe, und zum Handeln kommen, und erſt jezt beginnt das Leben. Nun erſcheint unmittelbar und auf den er¬ ſten Blik jedweder Willensentſchluß als erſtes, keinesweges als zweites, und Folge aus einem P 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/233
Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/233>, abgerufen am 22.11.2024.