Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

jene, sich absondern von der Nation, und
diese verlassen oder verrathen, so wurden sie
doch später leicht wieder fortgerissen zur Ein¬
stimmigkeit mit derselben, und erbarmten sich
ihrer Völker. Daß das erste stets der Fall
gewesen sey, werden wir tiefer unten noch
an andern Belegen darthun; daß das leztere
fortdauernd der Fall bleiben möge, können
wir nur mit heißer Sehnsucht wünschen.

Ohnerachtet man nun bekennen muß, daß
in der Angst jenes Zeitalters um das Heil
der Seelen, eine Dunkelheit und Unklarheit
blieb, indem es nicht darum zu thun war,
den äußeren Vermittler zwischen Gott und
den Menschen nur zu verändern, sondern
gar keines äußern Mittlers zu bedürfen, und
das Band des Zusammenhanges in sich sel¬
ber zu finden; so war es doch vielleicht
nothwendig, daß die religiöse Ausbildung der
Menschen im Ganzen durch diesen Mittel¬
zustand hindurch ginge. Luthern selbst hat
sein redlicher Eifer noch mehr gegeben, denn
er suchte, und ihn weit hinausgeführt über
sein Lehrgebäude. Nachdem er nur die ersten

jene, ſich abſondern von der Nation, und
dieſe verlaſſen oder verrathen, ſo wurden ſie
doch ſpaͤter leicht wieder fortgeriſſen zur Ein¬
ſtimmigkeit mit derſelben, und erbarmten ſich
ihrer Voͤlker. Daß das erſte ſtets der Fall
geweſen ſey, werden wir tiefer unten noch
an andern Belegen darthun; daß das leztere
fortdauernd der Fall bleiben moͤge, koͤnnen
wir nur mit heißer Sehnſucht wuͤnſchen.

Ohnerachtet man nun bekennen muß, daß
in der Angſt jenes Zeitalters um das Heil
der Seelen, eine Dunkelheit und Unklarheit
blieb, indem es nicht darum zu thun war,
den aͤußeren Vermittler zwiſchen Gott und
den Menſchen nur zu veraͤndern, ſondern
gar keines aͤußern Mittlers zu beduͤrfen, und
das Band des Zuſammenhanges in ſich ſel¬
ber zu finden; ſo war es doch vielleicht
nothwendig, daß die religioͤſe Ausbildung der
Menſchen im Ganzen durch dieſen Mittel¬
zuſtand hindurch ginge. Luthern ſelbſt hat
ſein redlicher Eifer noch mehr gegeben, denn
er ſuchte, und ihn weit hinausgefuͤhrt uͤber
ſein Lehrgebaͤude. Nachdem er nur die erſten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0194" n="188"/>
jene, &#x017F;ich ab&#x017F;ondern von der Nation, und<lb/>
die&#x017F;e verla&#x017F;&#x017F;en oder verrathen, &#x017F;o wurden &#x017F;ie<lb/>
doch &#x017F;pa&#x0364;ter leicht wieder fortgeri&#x017F;&#x017F;en zur Ein¬<lb/>
&#x017F;timmigkeit mit der&#x017F;elben, und erbarmten &#x017F;ich<lb/>
ihrer Vo&#x0364;lker. Daß das er&#x017F;te &#x017F;tets der Fall<lb/>
gewe&#x017F;en &#x017F;ey, werden wir tiefer unten noch<lb/>
an andern Belegen darthun; daß das leztere<lb/>
fortdauernd der Fall bleiben mo&#x0364;ge, ko&#x0364;nnen<lb/>
wir nur mit heißer Sehn&#x017F;ucht wu&#x0364;n&#x017F;chen.</p><lb/>
        <p>Ohnerachtet man nun bekennen muß, daß<lb/>
in der Ang&#x017F;t jenes Zeitalters um das Heil<lb/>
der Seelen, eine Dunkelheit und Unklarheit<lb/>
blieb, indem es nicht darum zu thun war,<lb/>
den a&#x0364;ußeren Vermittler zwi&#x017F;chen Gott und<lb/>
den Men&#x017F;chen nur zu vera&#x0364;ndern, &#x017F;ondern<lb/>
gar keines a&#x0364;ußern Mittlers zu bedu&#x0364;rfen, und<lb/>
das Band des Zu&#x017F;ammenhanges in &#x017F;ich &#x017F;el¬<lb/>
ber zu finden; &#x017F;o war es doch vielleicht<lb/>
nothwendig, daß die religio&#x0364;&#x017F;e Ausbildung der<lb/>
Men&#x017F;chen im Ganzen durch die&#x017F;en Mittel¬<lb/>
zu&#x017F;tand hindurch ginge. Luthern &#x017F;elb&#x017F;t hat<lb/>
&#x017F;ein redlicher Eifer noch mehr gegeben, denn<lb/>
er &#x017F;uchte, und ihn weit hinausgefu&#x0364;hrt u&#x0364;ber<lb/>
&#x017F;ein Lehrgeba&#x0364;ude. Nachdem er nur die er&#x017F;ten<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[188/0194] jene, ſich abſondern von der Nation, und dieſe verlaſſen oder verrathen, ſo wurden ſie doch ſpaͤter leicht wieder fortgeriſſen zur Ein¬ ſtimmigkeit mit derſelben, und erbarmten ſich ihrer Voͤlker. Daß das erſte ſtets der Fall geweſen ſey, werden wir tiefer unten noch an andern Belegen darthun; daß das leztere fortdauernd der Fall bleiben moͤge, koͤnnen wir nur mit heißer Sehnſucht wuͤnſchen. Ohnerachtet man nun bekennen muß, daß in der Angſt jenes Zeitalters um das Heil der Seelen, eine Dunkelheit und Unklarheit blieb, indem es nicht darum zu thun war, den aͤußeren Vermittler zwiſchen Gott und den Menſchen nur zu veraͤndern, ſondern gar keines aͤußern Mittlers zu beduͤrfen, und das Band des Zuſammenhanges in ſich ſel¬ ber zu finden; ſo war es doch vielleicht nothwendig, daß die religioͤſe Ausbildung der Menſchen im Ganzen durch dieſen Mittel¬ zuſtand hindurch ginge. Luthern ſelbſt hat ſein redlicher Eifer noch mehr gegeben, denn er ſuchte, und ihn weit hinausgefuͤhrt uͤber ſein Lehrgebaͤude. Nachdem er nur die erſten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/194
Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/194>, abgerufen am 25.11.2024.