nerhalb dieses Umkreises demnach und zufolge dieser Betrachtung, ist es noch viel zu wenig gesagt, daß die Wissenschaft einfließe aufs Le¬ ben; sie ist vielmehr selber, und in sich selbst¬ beständiges Leben. -- Oder, um dasselbe an eine bekannte Wendung anzuknüpfen. Was hilft alles Wissen, hört man zuweilen sagen, wenn nicht darnach gehandelt wird? In diesem Aus¬ spruche wird das Wissen als Mittel für das Handeln, und dieses leztere als der eigentliche Zweck angesehen. Man könnte umgekehrt sa¬ gen; wie kann man doch gut handeln, ohne das Gute zu kennen? und es würde in diesem Ausspruche das Wissen, als das bedingende des Handelns betrachtet. Beide Aussprüche aber sind einseitig; und das wahre ist, daß beides, Wissen so wie Handeln, auf dieselbe Weise unabtrennliche Bestandtheile des ver¬ nünftigen Lebens sind.
In sich selbst beständiges Leben aber, wie wir so eben uns ausdrückten, ist die Wissenschaft nur alsdann, wenn der Gedanke der wirkliche Sinn, und die Gesinnung des Denkenden ist, also daß er, ohne besondere Mühe, und sogar ohne dessen sich klar bewußt zu seyn, alles an¬
nerhalb dieſes Umkreiſes demnach und zufolge dieſer Betrachtung, iſt es noch viel zu wenig geſagt, daß die Wiſſenſchaft einfließe aufs Le¬ ben; ſie iſt vielmehr ſelber, und in ſich ſelbſt¬ beſtaͤndiges Leben. — Oder, um daſſelbe an eine bekannte Wendung anzuknuͤpfen. Was hilft alles Wiſſen, hoͤrt man zuweilen ſagen, wenn nicht darnach gehandelt wird? In dieſem Aus¬ ſpruche wird das Wiſſen als Mittel fuͤr das Handeln, und dieſes leztere als der eigentliche Zweck angeſehen. Man koͤnnte umgekehrt ſa¬ gen; wie kann man doch gut handeln, ohne das Gute zu kennen? und es wuͤrde in dieſem Ausſpruche das Wiſſen, als das bedingende des Handelns betrachtet. Beide Ausſpruͤche aber ſind einſeitig; und das wahre iſt, daß beides, Wiſſen ſo wie Handeln, auf dieſelbe Weiſe unabtrennliche Beſtandtheile des ver¬ nuͤnftigen Lebens ſind.
In ſich ſelbſt beſtaͤndiges Leben aber, wie wir ſo eben uns ausdruͤckten, iſt die Wiſſenſchaft nur alsdann, wenn der Gedanke der wirkliche Sinn, und die Geſinnung des Denkenden iſt, alſo daß er, ohne beſondere Muͤhe, und ſogar ohne deſſen ſich klar bewußt zu ſeyn, alles an¬
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nerhalb dieſes Umkreiſes demnach und zufolge
dieſer Betrachtung, iſt es noch viel zu wenig
geſagt, daß die Wiſſenſchaft einfließe aufs Le¬
ben; ſie iſt vielmehr ſelber, und in ſich ſelbſt¬
beſtaͤndiges Leben. — Oder, um daſſelbe an eine
bekannte Wendung anzuknuͤpfen. Was hilft
alles Wiſſen, hoͤrt man zuweilen ſagen, wenn
nicht darnach gehandelt wird? In dieſem Aus¬
ſpruche wird das Wiſſen als Mittel fuͤr das
Handeln, und dieſes leztere als der eigentliche
Zweck angeſehen. Man koͤnnte umgekehrt ſa¬
gen; wie kann man doch gut handeln, ohne
das Gute zu kennen? und es wuͤrde in dieſem
Ausſpruche das Wiſſen, als das bedingende
des Handelns betrachtet. Beide Ausſpruͤche
aber ſind einſeitig; und das wahre iſt, daß
beides, Wiſſen ſo wie Handeln, auf dieſelbe
Weiſe unabtrennliche Beſtandtheile des ver¬
nuͤnftigen Lebens ſind.
In ſich ſelbſt beſtaͤndiges Leben aber, wie
wir ſo eben uns ausdruͤckten, iſt die Wiſſenſchaft
nur alsdann, wenn der Gedanke der wirkliche
Sinn, und die Geſinnung des Denkenden iſt,
alſo daß er, ohne beſondere Muͤhe, und ſogar
ohne deſſen ſich klar bewußt zu ſeyn, alles an¬
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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/157>, abgerufen am 25.11.2024.
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