zu verwahren. Sie sind wahr in folgendem doppelten aber beschränkten Sinne; zuförderst, daß Wissenschaft oder Kunst dem Leben auf einer gewissen niedern Stufe, z. B. dem irrdischen und sinnlichen Leben, oder der gemeinen Erbaulich¬ keit, wie einige gedacht haben, nicht müsse die¬ nen wollen; sodann, daß ein Einzelner, zufolge seiner persönlichen Abgeschiedenheit vom Gan¬ zen einer Geisterwelt, in diesen besondern Zwei¬ gen des allgemeinen göttlichen Lebens, völlig aufgehen könne, ohne eines außer ihnen lie¬ genden Antriebes zu bedürfen, und volle Be¬ friedigung in ihnen finden könne. Keines¬ weges aber sind sie wahr in strenger Bedeutung, denn es ist eben so unmöglich, daß es mehrere Selbstzwecke gebe, als es unmöglich ist, daß es mehrere Absolute gebe. Der einige Selbst¬ zweck, außer welchem es keinen andern geben kann, ist das geistige Leben. Dieses äußert sich nun zum Theil und erscheint als ein ewiger Fortfluß aus ihm selber, als Quell, d. i. als ewige Thätigkeit. Diese Thätigkeit erhält ewig fort ihr Musterbild von der Wissenschaft, die Geschicklichkeit, nach diesem Bilde sich zu gestalten, von der Kunst, und in soweit könnte
zu verwahren. Sie ſind wahr in folgendem doppelten aber beſchraͤnkten Sinne; zufoͤrderſt, daß Wiſſenſchaft oder Kunſt dem Leben auf einer gewiſſen niedern Stufe, z. B. dem irrdiſchen und ſinnlichen Leben, oder der gemeinen Erbaulich¬ keit, wie einige gedacht haben, nicht muͤſſe die¬ nen wollen; ſodann, daß ein Einzelner, zufolge ſeiner perſoͤnlichen Abgeſchiedenheit vom Gan¬ zen einer Geiſterwelt, in dieſen beſondern Zwei¬ gen des allgemeinen goͤttlichen Lebens, voͤllig aufgehen koͤnne, ohne eines außer ihnen lie¬ genden Antriebes zu beduͤrfen, und volle Be¬ friedigung in ihnen finden koͤnne. Keines¬ weges aber ſind ſie wahr in ſtrenger Bedeutung, denn es iſt eben ſo unmoͤglich, daß es mehrere Selbſtzwecke gebe, als es unmoͤglich iſt, daß es mehrere Abſolute gebe. Der einige Selbſt¬ zweck, außer welchem es keinen andern geben kann, iſt das geiſtige Leben. Dieſes aͤußert ſich nun zum Theil und erſcheint als ein ewiger Fortfluß aus ihm ſelber, als Quell, d. i. als ewige Thaͤtigkeit. Dieſe Thaͤtigkeit erhaͤlt ewig fort ihr Muſterbild von der Wiſſenſchaft, die Geſchicklichkeit, nach dieſem Bilde ſich zu geſtalten, von der Kunſt, und in ſoweit koͤnnte
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0155"n="149"/>
zu verwahren. Sie ſind wahr in folgendem<lb/>
doppelten aber beſchraͤnkten Sinne; zufoͤrderſt,<lb/>
daß Wiſſenſchaft oder Kunſt dem Leben auf einer<lb/>
gewiſſen niedern Stufe, z. B. dem irrdiſchen und<lb/>ſinnlichen Leben, oder der gemeinen Erbaulich¬<lb/>
keit, wie einige gedacht haben, nicht muͤſſe die¬<lb/>
nen wollen; ſodann, daß ein Einzelner, zufolge<lb/>ſeiner perſoͤnlichen Abgeſchiedenheit vom Gan¬<lb/>
zen einer Geiſterwelt, in dieſen beſondern Zwei¬<lb/>
gen des allgemeinen goͤttlichen Lebens, voͤllig<lb/>
aufgehen koͤnne, ohne eines außer ihnen lie¬<lb/>
genden Antriebes zu beduͤrfen, und volle Be¬<lb/>
friedigung in ihnen finden koͤnne. Keines¬<lb/>
weges aber ſind ſie wahr in ſtrenger Bedeutung,<lb/>
denn es iſt eben ſo unmoͤglich, daß es mehrere<lb/>
Selbſtzwecke gebe, als es unmoͤglich iſt, daß es<lb/>
mehrere Abſolute gebe. Der einige Selbſt¬<lb/>
zweck, außer welchem es keinen andern geben<lb/>
kann, iſt das geiſtige Leben. Dieſes aͤußert ſich<lb/>
nun zum Theil und erſcheint als ein ewiger<lb/>
Fortfluß aus ihm ſelber, als Quell, d. i. als<lb/>
ewige Thaͤtigkeit. Dieſe Thaͤtigkeit erhaͤlt ewig<lb/>
fort ihr Muſterbild von der Wiſſenſchaft,<lb/>
die Geſchicklichkeit, nach dieſem Bilde ſich zu<lb/>
geſtalten, von der Kunſt, und in ſoweit koͤnnte<lb/></p></div></body></text></TEI>
[149/0155]
zu verwahren. Sie ſind wahr in folgendem
doppelten aber beſchraͤnkten Sinne; zufoͤrderſt,
daß Wiſſenſchaft oder Kunſt dem Leben auf einer
gewiſſen niedern Stufe, z. B. dem irrdiſchen und
ſinnlichen Leben, oder der gemeinen Erbaulich¬
keit, wie einige gedacht haben, nicht muͤſſe die¬
nen wollen; ſodann, daß ein Einzelner, zufolge
ſeiner perſoͤnlichen Abgeſchiedenheit vom Gan¬
zen einer Geiſterwelt, in dieſen beſondern Zwei¬
gen des allgemeinen goͤttlichen Lebens, voͤllig
aufgehen koͤnne, ohne eines außer ihnen lie¬
genden Antriebes zu beduͤrfen, und volle Be¬
friedigung in ihnen finden koͤnne. Keines¬
weges aber ſind ſie wahr in ſtrenger Bedeutung,
denn es iſt eben ſo unmoͤglich, daß es mehrere
Selbſtzwecke gebe, als es unmoͤglich iſt, daß es
mehrere Abſolute gebe. Der einige Selbſt¬
zweck, außer welchem es keinen andern geben
kann, iſt das geiſtige Leben. Dieſes aͤußert ſich
nun zum Theil und erſcheint als ein ewiger
Fortfluß aus ihm ſelber, als Quell, d. i. als
ewige Thaͤtigkeit. Dieſe Thaͤtigkeit erhaͤlt ewig
fort ihr Muſterbild von der Wiſſenſchaft,
die Geſchicklichkeit, nach dieſem Bilde ſich zu
geſtalten, von der Kunſt, und in ſoweit koͤnnte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/155>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.