Ausgang der Sprache, als eine Naturkraft, aus dem Leben, und die Rückkehr der wirkli¬ chen Sprache in das Leben, ohne Ausnahme sich bricht. Obwohl eine solche Sprache auf der Oberfläche durch den Wind des Lebens be¬ wegt werden, und so den Schein eines Lebens von sich geben mag, so hat sie doch tiefer einen todten Bestandtheil, und ist, durch den Ein¬ tritt des neuen Anschauungskreises, und die Abbrechung des alten, abgeschnitten von der lebendigen Wurzel.
Wir beleben das so eben gesagte durch ein Beispiel; indem wir zum Behuf dieses Bei¬ spiels noch beiläufig die Bemerkung machen, daß eine solche im Grunde todte und unver¬ ständliche Sprache sich auch sehr leicht verdre¬ hen, und zu allen Beschönigungen des mensch¬ lichen Verderbens mißbrauchen läßt, was in einer niemals erstorbenen nicht also möglich ist. Ich bediene mich als solchen Beispiels der drei berüchtigten Worte, Humanität, Popula¬ rität, Liberalität. Diese Worte, vor dem Deut¬ schen, der keine andere Sprache gelernt hat, ausgesprochen, sind ihm ein völlig leerer Schall, der an nichts ihm schon bekanntes durch Ver¬ wandschaft des Lautes erinnert, und so aus
Ausgang der Sprache, als eine Naturkraft, aus dem Leben, und die Ruͤckkehr der wirkli¬ chen Sprache in das Leben, ohne Ausnahme ſich bricht. Obwohl eine ſolche Sprache auf der Oberflaͤche durch den Wind des Lebens be¬ wegt werden, und ſo den Schein eines Lebens von ſich geben mag, ſo hat ſie doch tiefer einen todten Beſtandtheil, und iſt, durch den Ein¬ tritt des neuen Anſchauungskreiſes, und die Abbrechung des alten, abgeſchnitten von der lebendigen Wurzel.
Wir beleben das ſo eben geſagte durch ein Beiſpiel; indem wir zum Behuf dieſes Bei¬ ſpiels noch beilaͤufig die Bemerkung machen, daß eine ſolche im Grunde todte und unver¬ ſtaͤndliche Sprache ſich auch ſehr leicht verdre¬ hen, und zu allen Beſchoͤnigungen des menſch¬ lichen Verderbens mißbrauchen laͤßt, was in einer niemals erſtorbenen nicht alſo moͤglich iſt. Ich bediene mich als ſolchen Beiſpiels der drei beruͤchtigten Worte, Humanitaͤt, Popula¬ ritaͤt, Liberalitaͤt. Dieſe Worte, vor dem Deut¬ ſchen, der keine andere Sprache gelernt hat, ausgeſprochen, ſind ihm ein voͤllig leerer Schall, der an nichts ihm ſchon bekanntes durch Ver¬ wandſchaft des Lautes erinnert, und ſo aus
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Ausgang der Sprache, als eine Naturkraft,
aus dem Leben, und die Ruͤckkehr der wirkli¬
chen Sprache in das Leben, ohne Ausnahme
ſich bricht. Obwohl eine ſolche Sprache auf
der Oberflaͤche durch den Wind des Lebens be¬
wegt werden, und ſo den Schein eines Lebens
von ſich geben mag, ſo hat ſie doch tiefer einen
todten Beſtandtheil, und iſt, durch den Ein¬
tritt des neuen Anſchauungskreiſes, und die
Abbrechung des alten, abgeſchnitten von der
lebendigen Wurzel.
Wir beleben das ſo eben geſagte durch ein
Beiſpiel; indem wir zum Behuf dieſes Bei¬
ſpiels noch beilaͤufig die Bemerkung machen,
daß eine ſolche im Grunde todte und unver¬
ſtaͤndliche Sprache ſich auch ſehr leicht verdre¬
hen, und zu allen Beſchoͤnigungen des menſch¬
lichen Verderbens mißbrauchen laͤßt, was in
einer niemals erſtorbenen nicht alſo moͤglich
iſt. Ich bediene mich als ſolchen Beiſpiels der
drei beruͤchtigten Worte, Humanitaͤt, Popula¬
ritaͤt, Liberalitaͤt. Dieſe Worte, vor dem Deut¬
ſchen, der keine andere Sprache gelernt hat,
ausgeſprochen, ſind ihm ein voͤllig leerer Schall,
der an nichts ihm ſchon bekanntes durch Ver¬
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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/139>, abgerufen am 23.11.2024.
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