Ein von dem Staate wegen einer began- genen Rechtsverletzung zugefügtes und durch ein Gesetz vorher angedrohtes Uebel, ist die bürgerliche Strafe. (poena forensis). Der allgemeine Grund der Nothwendigkeit und des Daseyns derselben (sowohl in dem Ge- setz, als in der Ausübung desselben) ist die Nothwendigkeit der Erhaltung der wechsel- seitigen Freyheit Aller, durch Aufhebung des sinnlichen Antriebs zu Rechtsverletzungen.
Anmerk. Mündlich von dem Unterschied der Strafe von Rache -- Schadensersatz -- Züchtigung -- Pri- vatstrafe.
Anm. Ob es ein natürliches Strafrecht gebe? ist eine Frage, die wir, wenn von Begründung des positiven peinlichen Rechts die Rede ist, gar gut dahin gestellt lassen kön- nen. Wenn es auch ein solches Strafrecht des Menschen ausser dem Staate giebt, (wie es ein solches wirklich giebt) so ist es doch ganz unzweckmässig, wenigstens zwecklos, die Begründung des positiven peinlichen Rechts per ambages mit einer Deduction des Straf- rechts im Naturstande anzufangen. Diejenigen freylich, denen das Strafrecht Vertheidigungsrecht ist, können diesen Umweg nicht vermeiden.
§. 20.
Unter Zweck der Strafe wird die Wirkung verstanden, deren Hervorbringung als Ursache des Daseyns einer Strafe gedacht werden muss, wenn der Begriff von Strafe vorhanden seyn
soll
B
Darſtel. d. oberſten Grundſ. d. Criminalr.
leere Drohung, die Niemanden ſchrecken kann.
§. 19.
Ein von dem Staate wegen einer began- genen Rechtsverletzung zugefügtes und durch ein Geſetz vorher angedrohtes Uebel, iſt die bürgerliche Strafe. (poena forenſis). Der allgemeine Grund der Nothwendigkeit und des Daſeyns derſelben (ſowohl in dem Ge- ſetz, als in der Ausübung deſſelben) iſt die Nothwendigkeit der Erhaltung der wechſel- ſeitigen Freyheit Aller, durch Aufhebung des ſinnlichen Antriebs zu Rechtsverletzungen.
Anmerk. Mündlich von dem Unterſchied der Strafe von Rache — Schadenserſatz — Züchtigung — Pri- vatſtrafe.
Anm. Ob es ein natürliches Strafrecht gebe? iſt eine Frage, die wir, wenn von Begründung des poſitiven peinlichen Rechts die Rede iſt, gar gut dahin geſtellt laſſen kön- nen. Wenn es auch ein ſolches Strafrecht des Menſchen auſſer dem Staate giebt, (wie es ein ſolches wirklich giebt) ſo iſt es doch ganz unzweckmäſsig, wenigſtens zwecklos, die Begründung des poſitiven peinlichen Rechts per ambages mit einer Deduction des Straf- rechts im Naturſtande anzufangen. Diejenigen freylich, denen das Strafrecht Vertheidigungsrecht iſt, können dieſen Umweg nicht vermeiden.
§. 20.
Unter Zweck der Strafe wird die Wirkung verſtanden, deren Hervorbringung als Urſache des Daſeyns einer Strafe gedacht werden muſs, wenn der Begriff von Strafe vorhanden ſeyn
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Darſtel. d. oberſten Grundſ. d. Criminalr.
leere Drohung, die Niemanden ſchrecken
kann.
§. 19.
Ein von dem Staate wegen einer began-
genen Rechtsverletzung zugefügtes und durch
ein Geſetz vorher angedrohtes Uebel, iſt die
bürgerliche Strafe. (poena forenſis).
Der allgemeine Grund der Nothwendigkeit
und des Daſeyns derſelben (ſowohl in dem Ge-
ſetz, als in der Ausübung deſſelben) iſt die
Nothwendigkeit der Erhaltung der wechſel-
ſeitigen Freyheit Aller, durch Aufhebung des
ſinnlichen Antriebs zu Rechtsverletzungen.
Anmerk. Mündlich von dem Unterſchied der Strafe
von Rache — Schadenserſatz — Züchtigung — Pri-
vatſtrafe.
Anm. Ob es ein natürliches Strafrecht gebe? iſt eine Frage,
die wir, wenn von Begründung des poſitiven peinlichen
Rechts die Rede iſt, gar gut dahin geſtellt laſſen kön-
nen. Wenn es auch ein ſolches Strafrecht des Menſchen
auſſer dem Staate giebt, (wie es ein ſolches wirklich
giebt) ſo iſt es doch ganz unzweckmäſsig, wenigſtens
zwecklos, die Begründung des poſitiven peinlichen
Rechts per ambages mit einer Deduction des Straf-
rechts im Naturſtande anzufangen. Diejenigen freylich,
denen das Strafrecht Vertheidigungsrecht iſt, können
dieſen Umweg nicht vermeiden.
§. 20.
Unter Zweck der Strafe wird die Wirkung
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Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/45>, abgerufen am 29.11.2024.
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