Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.

Bild:
<< vorherige Seite

Verletzung d. Eigenthums durch Entwend.
Diebstahl verweist das Gesetz den Richter auf
die Beurtheilung der Verbesserlichkeit des Die-
bes *) Alle Gründe, welche ihn verbesserlich
zeigen, wohin alle Ursachen einer verringer-
ten Strafbarkeit gehören, mildern daher die
Strafe. Bey dem zweyten kleinen Diebstahl er-
wähnt das Gesetz keiner besondern Milde-
rungsgründe; blos die gemeinen können da-
her hier zur Anwendung kommen **).

§. 371.

Bey dem grossen Diebstahl sinkt die Straf-
barkeit (vermöge §. 369.) 1) wenn die ent-

wen-
Fall beynah dasselbe, was von dem zweyten gesagt
ist.
*) Zwar spricht das Gesetz P. G. O. Art. 158. un-
mittelbar nur von der Verbesserlichkeit einer vor-
nehmen Person; aber nicht, als wenn die Verbes-
serlichkeit nicht auch bey den Geringen eintreten
könnte und darauf keine Rücksicht genommen wer-
den sollte; sondern weil Carl nur a potiori sprechen
will und weil er (dem Geist seiner Zeiten ganz ge-
mäss) voraussetzt, dass öfter bey dem Vornehmen
von besserer Erziehung, als von einer rohen Person
geringern Standes, Besserung zu erwarten sey.
**) Der Grund der Rechtfertigung dieses Satzes liegt
in unsrer Theorie von dem Milderungsrecht. Hier
machen wir nur darauf aufmerksam, wie genau
Carl die Stufenfolge dieser und der noch folgenden
Arten des Diebstahls beobachtet hat. Nach der ge-
wöhnlichen Darstellung von unsern Rechtslehrern
ist alles ein confuses Chaos, das uns nicht, eiomal
ahnden lässt, wie der Gesetzgeber, der sich doch
verschiedene Grade der Strafbarkeit in diesen ver-
schie-
T

Verletzung d. Eigenthums durch Entwend.
Diebſtahl verweiſt das Geſetz den Richter auf
die Beurtheilung der Verbeſſerlichkeit des Die-
bes *) Alle Gründe, welche ihn verbeſſerlich
zeigen, wohin alle Urſachen einer verringer-
ten Strafbarkeit gehören, mildern daher die
Strafe. Bey dem zweyten kleinen Diebſtahl er-
wähnt das Geſetz keiner beſondern Milde-
rungsgründe; blos die gemeinen können da-
her hier zur Anwendung kommen **).

§. 371.

Bey dem groſsen Diebſtahl ſinkt die Straf-
barkeit (vermöge §. 369.) 1) wenn die ent-

wen-
Fall beynah daſſelbe, was von dem zweyten geſagt
iſt.
*) Zwar ſpricht das Geſetz P. G. O. Art. 158. un-
mittelbar nur von der Verbeſſerlichkeit einer vor-
nehmen Perſon; aber nicht, als wenn die Verbeſ-
ſerlichkeit nicht auch bey den Geringen eintreten
könnte und darauf keine Rückſicht genommen wer-
den ſollte; ſondern weil Carl nur a potiori ſprechen
will und weil er (dem Geiſt ſeiner Zeiten ganz ge-
mäſs) vorausſetzt, daſs öfter bey dem Vornehmen
von beſſerer Erziehung, als von einer rohen Perſon
geringern Standes, Beſſerung zu erwarten ſey.
**) Der Grund der Rechtfertigung dieſes Satzes liegt
in unſrer Theorie von dem Milderungsrecht. Hier
machen wir nur darauf aufmerkſam, wie genau
Carl die Stufenfolge dieſer und der noch folgenden
Arten des Diebſtahls beobachtet hat. Nach der ge-
wöhnlichen Darſtellung von unſern Rechtslehrern
iſt alles ein confuſes Chaos, das uns nicht, eiomal
ahnden läſst, wie der Geſetzgeber, der ſich doch
verſchiedene Grade der Strafbarkeit in dieſen ver-
ſchie-
T
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <div n="9">
                        <p><pb facs="#f0317" n="289"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#i">Verletzung d. Eigenthums durch Entwend.</hi></fw><lb/>
Dieb&#x017F;tahl verwei&#x017F;t das Ge&#x017F;etz den Richter auf<lb/>
die Beurtheilung der Verbe&#x017F;&#x017F;erlichkeit des Die-<lb/>
bes <note place="foot" n="*)">Zwar &#x017F;pricht das Ge&#x017F;etz P. G. O. Art. 158. un-<lb/>
mittelbar nur von der Verbe&#x017F;&#x017F;erlichkeit einer vor-<lb/>
nehmen Per&#x017F;on; aber nicht, als wenn die Verbe&#x017F;-<lb/>
&#x017F;erlichkeit nicht auch bey den Geringen eintreten<lb/>
könnte und darauf keine Rück&#x017F;icht genommen wer-<lb/>
den &#x017F;ollte; &#x017F;ondern weil <hi rendition="#i">Carl</hi> nur <hi rendition="#i">a potiori</hi> &#x017F;prechen<lb/>
will und weil er (dem Gei&#x017F;t &#x017F;einer Zeiten ganz ge-<lb/>&#x017F;s) voraus&#x017F;etzt, da&#x017F;s öfter bey dem Vornehmen<lb/>
von be&#x017F;&#x017F;erer Erziehung, als von einer rohen Per&#x017F;on<lb/>
geringern Standes, Be&#x017F;&#x017F;erung zu erwarten &#x017F;ey.</note> Alle Gründe, welche ihn verbe&#x017F;&#x017F;erlich<lb/>
zeigen, wohin alle Ur&#x017F;achen einer verringer-<lb/>
ten Strafbarkeit gehören, mildern daher die<lb/>
Strafe. Bey dem <hi rendition="#i">zweyten kleinen</hi> Dieb&#x017F;tahl er-<lb/>
wähnt das Ge&#x017F;etz keiner be&#x017F;ondern Milde-<lb/>
rungsgründe; blos die gemeinen können da-<lb/>
her hier zur Anwendung kommen <note xml:id="note-0317a" next="#note-0318" place="foot" n="**)">Der Grund der Rechtfertigung die&#x017F;es Satzes liegt<lb/>
in un&#x017F;rer Theorie von dem Milderungsrecht. Hier<lb/>
machen wir nur darauf aufmerk&#x017F;am, wie genau<lb/><hi rendition="#i">Carl</hi> die Stufenfolge die&#x017F;er und der noch folgenden<lb/>
Arten des Dieb&#x017F;tahls beobachtet hat. Nach der ge-<lb/>
wöhnlichen Dar&#x017F;tellung von un&#x017F;ern Rechtslehrern<lb/>
i&#x017F;t alles ein confu&#x017F;es Chaos, das uns nicht, eiomal<lb/>
ahnden lä&#x017F;st, wie der Ge&#x017F;etzgeber, der &#x017F;ich doch<lb/>
ver&#x017F;chiedene Grade der Strafbarkeit in die&#x017F;en ver-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chie-</fw></note>.</p>
                      </div><lb/>
                      <div n="9">
                        <head>§. 371.</head><lb/>
                        <p>Bey dem <hi rendition="#i">gro&#x017F;sen Dieb&#x017F;tahl</hi> &#x017F;inkt die Straf-<lb/>
barkeit (vermöge §. 369.) 1) wenn die ent-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wen-</fw><lb/><note xml:id="note-0317" prev="#note-0316" place="foot" n="&#x2020;)">Fall beynah da&#x017F;&#x017F;elbe, was von dem zweyten ge&#x017F;agt<lb/>
i&#x017F;t.</note><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">T</fw><lb/></p>
                      </div>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[289/0317] Verletzung d. Eigenthums durch Entwend. Diebſtahl verweiſt das Geſetz den Richter auf die Beurtheilung der Verbeſſerlichkeit des Die- bes *) Alle Gründe, welche ihn verbeſſerlich zeigen, wohin alle Urſachen einer verringer- ten Strafbarkeit gehören, mildern daher die Strafe. Bey dem zweyten kleinen Diebſtahl er- wähnt das Geſetz keiner beſondern Milde- rungsgründe; blos die gemeinen können da- her hier zur Anwendung kommen **). §. 371. Bey dem groſsen Diebſtahl ſinkt die Straf- barkeit (vermöge §. 369.) 1) wenn die ent- wen- †) *) Zwar ſpricht das Geſetz P. G. O. Art. 158. un- mittelbar nur von der Verbeſſerlichkeit einer vor- nehmen Perſon; aber nicht, als wenn die Verbeſ- ſerlichkeit nicht auch bey den Geringen eintreten könnte und darauf keine Rückſicht genommen wer- den ſollte; ſondern weil Carl nur a potiori ſprechen will und weil er (dem Geiſt ſeiner Zeiten ganz ge- mäſs) vorausſetzt, daſs öfter bey dem Vornehmen von beſſerer Erziehung, als von einer rohen Perſon geringern Standes, Beſſerung zu erwarten ſey. **) Der Grund der Rechtfertigung dieſes Satzes liegt in unſrer Theorie von dem Milderungsrecht. Hier machen wir nur darauf aufmerkſam, wie genau Carl die Stufenfolge dieſer und der noch folgenden Arten des Diebſtahls beobachtet hat. Nach der ge- wöhnlichen Darſtellung von unſern Rechtslehrern iſt alles ein confuſes Chaos, das uns nicht, eiomal ahnden läſst, wie der Geſetzgeber, der ſich doch verſchiedene Grade der Strafbarkeit in dieſen ver- ſchie- †) Fall beynah daſſelbe, was von dem zweyten geſagt iſt. T

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/317
Zitationshilfe: Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/317>, abgerufen am 24.11.2024.