Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abschnitt.
hält also einen Zusatz, der im drohenden
Gesetze nicht enthalten ist. Nun setzt aber je-
des Strafübel voraus, dass es durch ein Gesetz
vorher angedroht sey. Es ist daher auch jede
Schärfung der Strafe rechtlich unmöglich *).



Anhang:
Von falschen Milderungsgründen und angeblichen Gründen
der Schärfung.

Reinharth Diss. de causis, ob quas judex potestatem
mitigandi poenas falso sibi arrogat.
Erf. 1734.

§. 109.

Die Rechtslehrer kennen noch viele
andere Milderungsgründe, welche die Noth
und halbverstandene Humanität erfunden
hat **). Die wichtigsten sind I. der verringerte

Grad
*) Wenn Verbrechen concurriren, so muss freylich
oft mit der ordentlichen Strafe des einen Ver-
brechens noch ein schärfender Zusatz verbunden
werden, wie sich weiter unten zeigen wird. Aber
dies ist nicht eigentlich Schärfung der Strafe jenes
Verbrechens; sondern der schärfende Zusatz ist ein
Theil der ordentlichen Strafe eines andern eben-
falls zur Anwendung kommenden Strafgesetzes,
oder desselben Strafgesetzes, welches mehrmals
übertreten worden ist. Ein himmelweiter Unter-
schied. cf. Gros Diss. de notione poenarum forensium
§. 18. -- Feuerbach Revision. Thl. I. S. 333. ff.
**) Ich führe diese Gründe zur Notiz historisch an,
weil nichts so sehr als sie den bisherigen Geist der
Wissenschaft charakterisirt und weil sie dem künfti-
gen Defensor nützlich ist. der alles mögliche für
seinen Clienten sagen muss. Der verständige Rich-
ter
freylich muss wissen, was er von diesen Gründen
zu halten hat.

I. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt.
hält alſo einen Zuſatz, der im drohenden
Geſetze nicht enthalten iſt. Nun ſetzt aber je-
des Strafübel voraus, daſs es durch ein Geſetz
vorher angedroht ſey. Es iſt daher auch jede
Schärfung der Strafe rechtlich unmöglich *).



Anhang:
Von falſchen Milderungsgründen und angeblichen Gründen
der Schärfung.

Reinharth Diſſ. de cauſis, ob quas judex poteſtatem
mitigandi poenas falſo ſibi arrogat.
Erf. 1734.

§. 109.

Die Rechtslehrer kennen noch viele
andere Milderungsgründe, welche die Noth
und halbverſtandene Humanität erfunden
hat **). Die wichtigſten ſind I. der verringerte

Grad
*) Wenn Verbrechen concurriren, ſo muſs freylich
oft mit der ordentlichen Strafe des einen Ver-
brechens noch ein ſchärfender Zuſatz verbunden
werden, wie ſich weiter unten zeigen wird. Aber
dies iſt nicht eigentlich Schärfung der Strafe jenes
Verbrechens; ſondern der ſchärfende Zuſatz iſt ein
Theil der ordentlichen Strafe eines andern eben-
falls zur Anwendung kommenden Strafgeſetzes,
oder deſſelben Strafgeſetzes, welches mehrmals
übertreten worden iſt. Ein himmelweiter Unter-
ſchied. cf. Gros Diſſ. de notione poenarum forenſium
§. 18. — Feuerbach Reviſion. Thl. I. S. 333. ff.
**) Ich führe dieſe Gründe zur Notiz hiſtoriſch an,
weil nichts ſo ſehr als ſie den bisherigen Geiſt der
Wiſſenſchaft charakteriſirt und weil ſie dem künfti-
gen Defenſor nützlich iſt. der alles mögliche für
ſeinen Clienten ſagen muſs. Der verſtändige Rich-
ter
freylich muſs wiſſen, was er von dieſen Gründen
zu halten hat.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <div n="9">
                        <div n="10">
                          <p><pb facs="#f0114" n="86"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#i">I. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Ab&#x017F;chnitt.</hi></fw><lb/>
hält al&#x017F;o einen Zu&#x017F;atz, der im drohenden<lb/>
Ge&#x017F;etze nicht enthalten i&#x017F;t. Nun &#x017F;etzt aber je-<lb/>
des Strafübel voraus, da&#x017F;s es durch ein Ge&#x017F;etz<lb/>
vorher angedroht &#x017F;ey. Es i&#x017F;t daher auch jede<lb/>
Schärfung der Strafe rechtlich unmöglich <note place="foot" n="*)">Wenn Verbrechen concurriren, &#x017F;o mu&#x017F;s freylich<lb/>
oft mit der ordentlichen Strafe des einen Ver-<lb/>
brechens noch ein &#x017F;chärfender Zu&#x017F;atz verbunden<lb/>
werden, wie &#x017F;ich weiter unten zeigen wird. Aber<lb/>
dies i&#x017F;t nicht eigentlich Schärfung der Strafe jenes<lb/>
Verbrechens; &#x017F;ondern der &#x017F;chärfende Zu&#x017F;atz i&#x017F;t ein<lb/>
Theil der ordentlichen Strafe eines andern eben-<lb/>
falls zur Anwendung kommenden Strafge&#x017F;etzes,<lb/>
oder de&#x017F;&#x017F;elben Strafge&#x017F;etzes, welches mehrmals<lb/>
übertreten worden i&#x017F;t. Ein himmelweiter Unter-<lb/>
&#x017F;chied. cf. <hi rendition="#g">Gros</hi> <hi rendition="#i">Di&#x017F;&#x017F;. de notione poenarum foren&#x017F;ium</hi><lb/>
§. 18. &#x2014; <hi rendition="#g">Feuerbach</hi> <hi rendition="#i">Revi&#x017F;ion.</hi> Thl. I. S. 333. ff.</note>.</p>
                        </div>
                      </div><lb/>
                      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
                      <div n="9">
                        <head><hi rendition="#g">Anhang</hi>:<lb/><hi rendition="#i">Von fal&#x017F;chen Milderungsgründen und angeblichen Gründen<lb/>
der Schärfung.</hi></head><lb/>
                        <p> <hi rendition="#et"><hi rendition="#g">Reinharth</hi><hi rendition="#i">Di&#x017F;&#x017F;. de cau&#x017F;is, ob quas judex pote&#x017F;tatem<lb/>
mitigandi poenas fal&#x017F;o &#x017F;ibi arrogat.</hi> Erf. 1734.</hi> </p><lb/>
                        <div n="10">
                          <head>§. 109.</head><lb/>
                          <p>Die Rechtslehrer kennen noch viele<lb/>
andere Milderungsgründe, welche die Noth<lb/>
und halbver&#x017F;tandene Humanität erfunden<lb/>
hat <note place="foot" n="**)">Ich führe die&#x017F;e Gründe zur Notiz hi&#x017F;tori&#x017F;ch an,<lb/>
weil nichts &#x017F;o &#x017F;ehr als &#x017F;ie den bisherigen Gei&#x017F;t der<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft charakteri&#x017F;irt und weil &#x017F;ie dem künfti-<lb/>
gen Defen&#x017F;or nützlich i&#x017F;t. der <hi rendition="#i">alles</hi> mögliche für<lb/>
&#x017F;einen Clienten &#x017F;agen mu&#x017F;s. Der ver&#x017F;tändige <hi rendition="#i">Rich-<lb/>
ter</hi> freylich mu&#x017F;s wi&#x017F;&#x017F;en, was er von die&#x017F;en Gründen<lb/>
zu halten hat.</note>. Die wichtig&#x017F;ten &#x017F;ind I. der <hi rendition="#i">verringerte</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#i">Grad</hi></fw><lb/></p>
                        </div>
                      </div>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[86/0114] I. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt. hält alſo einen Zuſatz, der im drohenden Geſetze nicht enthalten iſt. Nun ſetzt aber je- des Strafübel voraus, daſs es durch ein Geſetz vorher angedroht ſey. Es iſt daher auch jede Schärfung der Strafe rechtlich unmöglich *). Anhang: Von falſchen Milderungsgründen und angeblichen Gründen der Schärfung. Reinharth Diſſ. de cauſis, ob quas judex poteſtatem mitigandi poenas falſo ſibi arrogat. Erf. 1734. §. 109. Die Rechtslehrer kennen noch viele andere Milderungsgründe, welche die Noth und halbverſtandene Humanität erfunden hat **). Die wichtigſten ſind I. der verringerte Grad *) Wenn Verbrechen concurriren, ſo muſs freylich oft mit der ordentlichen Strafe des einen Ver- brechens noch ein ſchärfender Zuſatz verbunden werden, wie ſich weiter unten zeigen wird. Aber dies iſt nicht eigentlich Schärfung der Strafe jenes Verbrechens; ſondern der ſchärfende Zuſatz iſt ein Theil der ordentlichen Strafe eines andern eben- falls zur Anwendung kommenden Strafgeſetzes, oder deſſelben Strafgeſetzes, welches mehrmals übertreten worden iſt. Ein himmelweiter Unter- ſchied. cf. Gros Diſſ. de notione poenarum forenſium §. 18. — Feuerbach Reviſion. Thl. I. S. 333. ff. **) Ich führe dieſe Gründe zur Notiz hiſtoriſch an, weil nichts ſo ſehr als ſie den bisherigen Geiſt der Wiſſenſchaft charakteriſirt und weil ſie dem künfti- gen Defenſor nützlich iſt. der alles mögliche für ſeinen Clienten ſagen muſs. Der verſtändige Rich- ter freylich muſs wiſſen, was er von dieſen Gründen zu halten hat.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/114
Zitationshilfe: Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/114>, abgerufen am 23.11.2024.