Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

mel jetztund und die Erde werden durch sein Wort gesparet,
daß sie zum Feuer behalten werden am Tage des Gerichts
und Verdammniß der gottlosen Menschen." 2. Petri 3, 7.
Der heidnische Weltuntergang ist eine Krisis des Kos-
mos selbst
, ein gesetzmäßiger, im Wesen der Natur begrün-
deter Proceß. Sic origo mundi, non minus solem et lu-
nam et vices siderum et animalium ortus, quam quibus
mutarentur terrena, continuit. In his fuit inundatio, quae
non secus quam hiems, quam aestas, lege mundi ve-
nit. Seneca Nat. Qu. l. III. c.
29. Es ist das der Welt
immanente Lebensprincip, das Wesen der Welt selbst, welches
diese Krisis aus sich erzeugt. Aqua et ignis terrenis do-
minantur. Ex his ortus et ex his interitus est. (ibid.
c. 28.) Quidquid est, non erit; nec peribit, sed resolve-
tur. (Idem Epist.
71.) Die Christen schlossen sich von
dem Weltuntergang aus
. "Und er wird senden Engel
mit hellen Posaunen und sie werden sammeln seine Auser-
wählten
von den vier Winden, von einem Ende des Him-
mels bis zu dem andern." Matthäi 24, 31. "Und ein Haar
von eurem Haupt soll nicht umkommen. Und alsdann wer-
den sie sehen des Menschen Sohn kommen in der Wolke, mit
großer Kraft und Herrlichkeit. Wenn aber dieses anfähet zu
geschehen, so sehet auf und hebet eure Häupter auf, darum daß
sich eure Erlösung nahet." Lucas 21, 18, 27--28. "So
seid nun wacker allezeit und betet, daß ihr würdig werden mö-
get zu entfliehen diesem allen, das geschehen soll und zu ste-
hen vor des Menschen Sohn." Ebend. 36. Die Heiden
dagegen identificirten ihr Schicksal mit dem Schick-
sal der Welt
.... Hoc universum, quod omnia divina
humanaque complectitur .... dies aliquis dissipabit et in
confusionem veterem tenebrasque demerget. Eat nunc
aliquis et singulas comploret animas
. Quis tam
superbae impotentisque arrogantiae est, ut in hac natu-
rae necessitate, omnia ad eundem finem revocantis, se
unum ac suos seponi velit. Seneca
Cons. ad Polyb.

mel jetztund und die Erde werden durch ſein Wort geſparet,
daß ſie zum Feuer behalten werden am Tage des Gerichts
und Verdammniß der gottloſen Menſchen.“ 2. Petri 3, 7.
Der heidniſche Weltuntergang iſt eine Kriſis des Kos-
mos ſelbſt
, ein geſetzmäßiger, im Weſen der Natur begrün-
deter Proceß. Sic origo mundi, non minus solem et lu-
nam et vices siderum et animalium ortus, quam quibus
mutarentur terrena, continuit. In his fuit inundatio, quae
non secus quam hiems, quam aestas, lege mundi ve-
nit. Seneca Nat. Qu. l. III. c.
29. Es iſt das der Welt
immanente Lebensprincip, das Weſen der Welt ſelbſt, welches
dieſe Kriſis aus ſich erzeugt. Aqua et ignis terrenis do-
minantur. Ex his ortus et ex his interitus est. (ibid.
c. 28.) Quidquid est, non erit; nec peribit, sed resolve-
tur. (Idem Epist.
71.) Die Chriſten ſchloſſen ſich von
dem Weltuntergang aus
. „Und er wird ſenden Engel
mit hellen Poſaunen und ſie werden ſammeln ſeine Auser-
wählten
von den vier Winden, von einem Ende des Him-
mels bis zu dem andern.“ Matthäi 24, 31. „Und ein Haar
von eurem Haupt ſoll nicht umkommen. Und alsdann wer-
den ſie ſehen des Menſchen Sohn kommen in der Wolke, mit
großer Kraft und Herrlichkeit. Wenn aber dieſes anfähet zu
geſchehen, ſo ſehet auf und hebet eure Häupter auf, darum daß
ſich eure Erlöſung nahet.“ Lucas 21, 18, 27—28. „So
ſeid nun wacker allezeit und betet, daß ihr würdig werden mö-
get zu entfliehen dieſem allen, das geſchehen ſoll und zu ſte-
hen vor des Menſchen Sohn.“ Ebend. 36. Die Heiden
dagegen identificirten ihr Schickſal mit dem Schick-
ſal der Welt
.... Hoc universum, quod omnia divina
humanaque complectitur .... dies aliquis dissipabit et in
confusionem veterem tenebrasque demerget. Eat nunc
aliquis et singulas comploret animas
. Quis tam
superbae impotentisque arrogantiae est, ut in hac natu-
rae necessitate, omnia ad eundem finem revocantis, se
unum ac suos seponi velit. Seneca
Cons. ad Polyb.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0430" n="412"/>
mel jetztund und die Erde werden durch &#x017F;ein Wort ge&#x017F;paret,<lb/>
daß &#x017F;ie zum Feuer behalten werden am <hi rendition="#g">Tage des Gerichts</hi><lb/>
und <hi rendition="#g">Verdammniß der gottlo&#x017F;en Men&#x017F;chen</hi>.&#x201C; 2. Petri 3, 7.<lb/>
Der <hi rendition="#g">heidni&#x017F;che Weltuntergang</hi> i&#x017F;t eine <hi rendition="#g">Kri&#x017F;is des Kos-<lb/>
mos &#x017F;elb&#x017F;t</hi>, ein ge&#x017F;etzmäßiger, im We&#x017F;en der Natur begrün-<lb/>
deter Proceß. <hi rendition="#aq">Sic origo mundi, non minus solem et lu-<lb/>
nam et vices siderum et animalium ortus, quam quibus<lb/>
mutarentur terrena, continuit. In his fuit inundatio, quae<lb/>
non secus quam hiems, quam aestas, <hi rendition="#g">lege mundi</hi> ve-<lb/>
nit. <hi rendition="#g">Seneca</hi> Nat. Qu. l. III. c.</hi> 29. Es i&#x017F;t das der Welt<lb/>
immanente Lebensprincip, das We&#x017F;en der Welt &#x017F;elb&#x017F;t, welches<lb/>
die&#x017F;e Kri&#x017F;is <hi rendition="#g">aus &#x017F;ich</hi> erzeugt. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Aqua et ignis</hi> terrenis do-<lb/>
minantur. <hi rendition="#g">Ex his ortus</hi> et <hi rendition="#g">ex his interitus est</hi>. (ibid.<lb/>
c. 28.) Quidquid est, non erit; nec peribit, sed resolve-<lb/>
tur. (Idem Epist.</hi> 71.) <hi rendition="#g">Die Chri&#x017F;ten &#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich von<lb/>
dem Weltuntergang aus</hi>. &#x201E;Und er wird &#x017F;enden Engel<lb/>
mit hellen Po&#x017F;aunen und &#x017F;ie werden &#x017F;ammeln &#x017F;eine <hi rendition="#g">Auser-<lb/>
wählten</hi> von den vier Winden, von einem Ende des Him-<lb/>
mels bis zu dem andern.&#x201C; Matthäi 24, 31. &#x201E;Und ein Haar<lb/>
von eurem Haupt &#x017F;oll nicht umkommen. Und alsdann wer-<lb/>
den &#x017F;ie &#x017F;ehen des Men&#x017F;chen Sohn kommen in der Wolke, mit<lb/>
großer Kraft und Herrlichkeit. Wenn aber die&#x017F;es anfähet zu<lb/>
ge&#x017F;chehen, &#x017F;o &#x017F;ehet auf und hebet eure Häupter auf, darum daß<lb/>
&#x017F;ich <hi rendition="#g">eure Erlö&#x017F;ung</hi> nahet.&#x201C; Lucas 21, 18, 27&#x2014;28. &#x201E;So<lb/>
&#x017F;eid nun wacker allezeit und betet, daß ihr würdig werden mö-<lb/>
get zu entfliehen die&#x017F;em allen, das ge&#x017F;chehen &#x017F;oll und zu &#x017F;te-<lb/>
hen vor des Men&#x017F;chen Sohn.&#x201C; Ebend. 36. <hi rendition="#g">Die Heiden<lb/>
dagegen identificirten ihr Schick&#x017F;al mit dem Schick-<lb/>
&#x017F;al der Welt</hi>.... <hi rendition="#aq">Hoc universum, quod omnia divina<lb/>
humanaque complectitur .... dies aliquis dissipabit et in<lb/>
confusionem veterem tenebrasque demerget. <hi rendition="#g">Eat nunc<lb/>
aliquis et singulas comploret animas</hi>. Quis tam<lb/>
superbae impotentisque arrogantiae est, ut in hac natu-<lb/>
rae necessitate, omnia ad eundem finem revocantis, <hi rendition="#g">se<lb/>
unum ac suos seponi velit. Seneca</hi> Cons. ad Polyb.<lb/></hi></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[412/0430] mel jetztund und die Erde werden durch ſein Wort geſparet, daß ſie zum Feuer behalten werden am Tage des Gerichts und Verdammniß der gottloſen Menſchen.“ 2. Petri 3, 7. Der heidniſche Weltuntergang iſt eine Kriſis des Kos- mos ſelbſt, ein geſetzmäßiger, im Weſen der Natur begrün- deter Proceß. Sic origo mundi, non minus solem et lu- nam et vices siderum et animalium ortus, quam quibus mutarentur terrena, continuit. In his fuit inundatio, quae non secus quam hiems, quam aestas, lege mundi ve- nit. Seneca Nat. Qu. l. III. c. 29. Es iſt das der Welt immanente Lebensprincip, das Weſen der Welt ſelbſt, welches dieſe Kriſis aus ſich erzeugt. Aqua et ignis terrenis do- minantur. Ex his ortus et ex his interitus est. (ibid. c. 28.) Quidquid est, non erit; nec peribit, sed resolve- tur. (Idem Epist. 71.) Die Chriſten ſchloſſen ſich von dem Weltuntergang aus. „Und er wird ſenden Engel mit hellen Poſaunen und ſie werden ſammeln ſeine Auser- wählten von den vier Winden, von einem Ende des Him- mels bis zu dem andern.“ Matthäi 24, 31. „Und ein Haar von eurem Haupt ſoll nicht umkommen. Und alsdann wer- den ſie ſehen des Menſchen Sohn kommen in der Wolke, mit großer Kraft und Herrlichkeit. Wenn aber dieſes anfähet zu geſchehen, ſo ſehet auf und hebet eure Häupter auf, darum daß ſich eure Erlöſung nahet.“ Lucas 21, 18, 27—28. „So ſeid nun wacker allezeit und betet, daß ihr würdig werden mö- get zu entfliehen dieſem allen, das geſchehen ſoll und zu ſte- hen vor des Menſchen Sohn.“ Ebend. 36. Die Heiden dagegen identificirten ihr Schickſal mit dem Schick- ſal der Welt.... Hoc universum, quod omnia divina humanaque complectitur .... dies aliquis dissipabit et in confusionem veterem tenebrasque demerget. Eat nunc aliquis et singulas comploret animas. Quis tam superbae impotentisque arrogantiae est, ut in hac natu- rae necessitate, omnia ad eundem finem revocantis, se unum ac suos seponi velit. Seneca Cons. ad Polyb.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/430
Zitationshilfe: Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/430>, abgerufen am 10.05.2024.