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Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841.

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ser Negation geht aber der Begriff, der Verstand aus; es bleibt
nur eine negative, inhaltslose Vorstellung übrig, weil schon
die Denkbarkeit, die Vorstellbarkeit erschöpft ist, d. h. der Un-
terschied zwischen der göttlichen und menschlichen Bestimmung
ist in Wahrheit ein Nichts, ein Nihil negativum des Ver-
standes. Das naive Selbstbekenntniß dieses Verstandesnichts'
ist das Nichts als Object.

Gott ist Liebe, aber nicht menschliche Liebe, Verstand,
aber nicht menschlicher, nein! ein wesentlich andrer Ver-
stand. Aber worin besteht dieser Unterschied? Ich kann mir
keinen Verstand denken oder vorstellen außer in der Bestimmt-
heit, in welcher er sich in uns bethätigt; ich kann den Ver-
stand nicht entzweitheilen oder gar viertheilen, so daß ich meh-
rere Verstände bekäme, ein Verstandesgesetz hat für mich ab-
solute, ausnahmslose Gültigkeit; ich kann nur einen und
selben
Verstand denken. Ich kann allerdings und muß so-
gar den Verstand an sich denken, d. h. frei von den Schran-
ken meiner Individualität; aber hier löse ich ihn nur ab von
an sich fremdartigen Beschränkungen; ich lasse nicht die we-
sentliche Bestimmtheit
weg. Die religiöse Reflexion da-
gegen negirt gerade die Bestimmtheit, welche Etwas zu dem
macht, was es ist. Nur das, worin der göttliche Verstand
identisch ist mit dem menschlichen, nur das ist Etwas, ist
Verstand, ein realer Begriff; das aber, was ihn zu einem
andern, ja wesentlich andern machen soll, ist objectiv nichts,
subjectiv eine bloße Einbildung.

Ein andres pikantes Beispiel ist das unerforschliche
Geheimniß
der Zeugung des Sohnes Gottes. Die Zeu-
gung Gottes ist natürlich eine andere als die gemeine na-
türliche, ja wohl! eine übernatürliche Zeugung, d. h. in

ſer Negation geht aber der Begriff, der Verſtand aus; es bleibt
nur eine negative, inhaltsloſe Vorſtellung übrig, weil ſchon
die Denkbarkeit, die Vorſtellbarkeit erſchöpft iſt, d. h. der Un-
terſchied zwiſchen der göttlichen und menſchlichen Beſtimmung
iſt in Wahrheit ein Nichts, ein Nihil negativum des Ver-
ſtandes. Das naive Selbſtbekenntniß dieſes Verſtandesnichts’
iſt das Nichts als Object.

Gott iſt Liebe, aber nicht menſchliche Liebe, Verſtand,
aber nicht menſchlicher, nein! ein weſentlich andrer Ver-
ſtand. Aber worin beſteht dieſer Unterſchied? Ich kann mir
keinen Verſtand denken oder vorſtellen außer in der Beſtimmt-
heit, in welcher er ſich in uns bethätigt; ich kann den Ver-
ſtand nicht entzweitheilen oder gar viertheilen, ſo daß ich meh-
rere Verſtände bekäme, ein Verſtandesgeſetz hat für mich ab-
ſolute, ausnahmsloſe Gültigkeit; ich kann nur einen und
ſelben
Verſtand denken. Ich kann allerdings und muß ſo-
gar den Verſtand an ſich denken, d. h. frei von den Schran-
ken meiner Individualität; aber hier löſe ich ihn nur ab von
an ſich fremdartigen Beſchränkungen; ich laſſe nicht die we-
ſentliche Beſtimmtheit
weg. Die religiöſe Reflexion da-
gegen negirt gerade die Beſtimmtheit, welche Etwas zu dem
macht, was es iſt. Nur das, worin der göttliche Verſtand
identiſch iſt mit dem menſchlichen, nur das iſt Etwas, iſt
Verſtand, ein realer Begriff; das aber, was ihn zu einem
andern, ja weſentlich andern machen ſoll, iſt objectiv nichts,
ſubjectiv eine bloße Einbildung.

Ein andres pikantes Beiſpiel iſt das unerforſchliche
Geheimniß
der Zeugung des Sohnes Gottes. Die Zeu-
gung Gottes iſt natürlich eine andere als die gemeine na-
türliche, ja wohl! eine übernatürliche Zeugung, d. h. in

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[302/0320] ſer Negation geht aber der Begriff, der Verſtand aus; es bleibt nur eine negative, inhaltsloſe Vorſtellung übrig, weil ſchon die Denkbarkeit, die Vorſtellbarkeit erſchöpft iſt, d. h. der Un- terſchied zwiſchen der göttlichen und menſchlichen Beſtimmung iſt in Wahrheit ein Nichts, ein Nihil negativum des Ver- ſtandes. Das naive Selbſtbekenntniß dieſes Verſtandesnichts’ iſt das Nichts als Object. Gott iſt Liebe, aber nicht menſchliche Liebe, Verſtand, aber nicht menſchlicher, nein! ein weſentlich andrer Ver- ſtand. Aber worin beſteht dieſer Unterſchied? Ich kann mir keinen Verſtand denken oder vorſtellen außer in der Beſtimmt- heit, in welcher er ſich in uns bethätigt; ich kann den Ver- ſtand nicht entzweitheilen oder gar viertheilen, ſo daß ich meh- rere Verſtände bekäme, ein Verſtandesgeſetz hat für mich ab- ſolute, ausnahmsloſe Gültigkeit; ich kann nur einen und ſelben Verſtand denken. Ich kann allerdings und muß ſo- gar den Verſtand an ſich denken, d. h. frei von den Schran- ken meiner Individualität; aber hier löſe ich ihn nur ab von an ſich fremdartigen Beſchränkungen; ich laſſe nicht die we- ſentliche Beſtimmtheit weg. Die religiöſe Reflexion da- gegen negirt gerade die Beſtimmtheit, welche Etwas zu dem macht, was es iſt. Nur das, worin der göttliche Verſtand identiſch iſt mit dem menſchlichen, nur das iſt Etwas, iſt Verſtand, ein realer Begriff; das aber, was ihn zu einem andern, ja weſentlich andern machen ſoll, iſt objectiv nichts, ſubjectiv eine bloße Einbildung. Ein andres pikantes Beiſpiel iſt das unerforſchliche Geheimniß der Zeugung des Sohnes Gottes. Die Zeu- gung Gottes iſt natürlich eine andere als die gemeine na- türliche, ja wohl! eine übernatürliche Zeugung, d. h. in

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Zitationshilfe: Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/320>, abgerufen am 24.11.2024.