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Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841.

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glauben: so gewiß Gott ist, so gewiß ist meine Seligkeit.
Gott ist eben die Gewißheit meiner Seligkeit. Das Inter-
esse, daß Gott ist, ist eins mit dem Interesse, daß ich bin,
ewig bin. Gott ist meine geborgne, meine gewisse Exi-
stenz: er ist die Subjectivität der Subjecte, die Persönlichkeit
der Personen. Wie sollte daher den Personen nicht zukom-
men, was der Persönlichkeit zukommt? In Gott mache ich
eben mein Futurum zu einem Präsens oder vielmehr ein
Zeitwort zu einem Substantiv; wie sollte sich eins vom andern
trennen lassen? Gott ist die meinen Wünschen und Gefühlen ent-
sprechende Existenz: er ist der Gerechte, der Gütige, der meine Wün-
sche erfüllt. Die Natur, diese Welt ist eine meinen Wünschen,
meinen Gefühlen widersprechende Existenz. Hier ist es nicht so,
wie es sein soll -- diese Welt vergeht -- Gott aber ist das
Sein, welches so ist, wie es sein soll. Gott erfüllt meine
Wünsche -- dieß ist nur populäre Personification des Satzes:
Gott ist der Erfüller, d. i. die Realität, das Erfülltsein
meiner Wünsche
. Aber der Himmel ist eben das meinen
Wünschen, meiner Sehnsucht adäquate Sein -- also kein
Unterschied zwischen Gott
und Himmel. Gott ist die
Kraft, durch die der Mensch seine ewige Glückseligkeit reali-
sirt
-- Gott die absolute Persönlichkeit, in der alle einzelnen
Personen die Gewißheit ihrer Absolutheit, ihrer Seligkeit und
Unsterblichkeit haben -- Gott die höchste letzte Gewißheit der
Subjectivität von ihrer absoluten Wahrheit und Wesenhaftigkeit.

Die Unsterblichkeitslehre ist die Schlußlehre der Reli-
gion -- ihr Testament, worin sie ihren letzten Willen äußert.
Hier spricht sie darum unverhohlen aus, was sie sonst ver-
schweigt. Wenn es sich sonst um die Existenz eines andern
Wesens handelt, so handelt es sich hier offenbar nur um die eigne

glauben: ſo gewiß Gott iſt, ſo gewiß iſt meine Seligkeit.
Gott iſt eben die Gewißheit meiner Seligkeit. Das Inter-
eſſe, daß Gott iſt, iſt eins mit dem Intereſſe, daß ich bin,
ewig bin. Gott iſt meine geborgne, meine gewiſſe Exi-
ſtenz: er iſt die Subjectivität der Subjecte, die Perſönlichkeit
der Perſonen. Wie ſollte daher den Perſonen nicht zukom-
men, was der Perſönlichkeit zukommt? In Gott mache ich
eben mein Futurum zu einem Präſens oder vielmehr ein
Zeitwort zu einem Subſtantiv; wie ſollte ſich eins vom andern
trennen laſſen? Gott iſt die meinen Wünſchen und Gefühlen ent-
ſprechende Exiſtenz: er iſt der Gerechte, der Gütige, der meine Wün-
ſche erfüllt. Die Natur, dieſe Welt iſt eine meinen Wünſchen,
meinen Gefühlen widerſprechende Exiſtenz. Hier iſt es nicht ſo,
wie es ſein ſoll — dieſe Welt vergeht — Gott aber iſt das
Sein, welches ſo iſt, wie es ſein ſoll. Gott erfüllt meine
Wünſche — dieß iſt nur populäre Perſonification des Satzes:
Gott iſt der Erfüller, d. i. die Realität, das Erfülltſein
meiner Wünſche
. Aber der Himmel iſt eben das meinen
Wünſchen, meiner Sehnſucht adäquate Sein — alſo kein
Unterſchied zwiſchen Gott
und Himmel. Gott iſt die
Kraft, durch die der Menſch ſeine ewige Glückſeligkeit reali-
ſirt
— Gott die abſolute Perſönlichkeit, in der alle einzelnen
Perſonen die Gewißheit ihrer Abſolutheit, ihrer Seligkeit und
Unſterblichkeit haben — Gott die höchſte letzte Gewißheit der
Subjectivität von ihrer abſoluten Wahrheit und Weſenhaftigkeit.

Die Unſterblichkeitslehre iſt die Schlußlehre der Reli-
gion — ihr Teſtament, worin ſie ihren letzten Willen äußert.
Hier ſpricht ſie darum unverhohlen aus, was ſie ſonſt ver-
ſchweigt. Wenn es ſich ſonſt um die Exiſtenz eines andern
Weſens handelt, ſo handelt es ſich hier offenbar nur um die eigne

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[231/0249] glauben: ſo gewiß Gott iſt, ſo gewiß iſt meine Seligkeit. Gott iſt eben die Gewißheit meiner Seligkeit. Das Inter- eſſe, daß Gott iſt, iſt eins mit dem Intereſſe, daß ich bin, ewig bin. Gott iſt meine geborgne, meine gewiſſe Exi- ſtenz: er iſt die Subjectivität der Subjecte, die Perſönlichkeit der Perſonen. Wie ſollte daher den Perſonen nicht zukom- men, was der Perſönlichkeit zukommt? In Gott mache ich eben mein Futurum zu einem Präſens oder vielmehr ein Zeitwort zu einem Subſtantiv; wie ſollte ſich eins vom andern trennen laſſen? Gott iſt die meinen Wünſchen und Gefühlen ent- ſprechende Exiſtenz: er iſt der Gerechte, der Gütige, der meine Wün- ſche erfüllt. Die Natur, dieſe Welt iſt eine meinen Wünſchen, meinen Gefühlen widerſprechende Exiſtenz. Hier iſt es nicht ſo, wie es ſein ſoll — dieſe Welt vergeht — Gott aber iſt das Sein, welches ſo iſt, wie es ſein ſoll. Gott erfüllt meine Wünſche — dieß iſt nur populäre Perſonification des Satzes: Gott iſt der Erfüller, d. i. die Realität, das Erfülltſein meiner Wünſche. Aber der Himmel iſt eben das meinen Wünſchen, meiner Sehnſucht adäquate Sein — alſo kein Unterſchied zwiſchen Gott und Himmel. Gott iſt die Kraft, durch die der Menſch ſeine ewige Glückſeligkeit reali- ſirt — Gott die abſolute Perſönlichkeit, in der alle einzelnen Perſonen die Gewißheit ihrer Abſolutheit, ihrer Seligkeit und Unſterblichkeit haben — Gott die höchſte letzte Gewißheit der Subjectivität von ihrer abſoluten Wahrheit und Weſenhaftigkeit. Die Unſterblichkeitslehre iſt die Schlußlehre der Reli- gion — ihr Teſtament, worin ſie ihren letzten Willen äußert. Hier ſpricht ſie darum unverhohlen aus, was ſie ſonſt ver- ſchweigt. Wenn es ſich ſonſt um die Exiſtenz eines andern Weſens handelt, ſo handelt es ſich hier offenbar nur um die eigne

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Zitationshilfe: Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/249>, abgerufen am 28.04.2024.