im Wesen ist, das ist in Christus zur Erscheinung gekom- men. In sofern kann man die christliche Religion die abso- lute nennen. Daß Gott, der an sich nichts andres als das Wesen des Menschen ist, auch als solches verwirklicht werde, als Mensch dem Bewußtsein Gegenstand sei, das ist das Ziel der Religion. Und dieses erreichte die christliche Religion in der Menschwerdung Gottes, die keineswegs ein vorüberge- hender Act ist, denn Christus bleibt auch noch nach seiner Himmelfahrt Mensch, Mensch von Herzen und Mensch von Gestalt, nur daß jetzt sein Leib nicht mehr ein irdischer, dem Leiden unterworfner Körper ist.
Die Menschwerdungen Gottes bei den Orientalen, wie namentlich den Indern, haben keine so intensive Bedeutung als die christliche. Eben weil sie oft geschehen, werden sie gleichgültig, verlieren sie ihren Werth. Die Menschheit Gottes ist seine Persönlichkeit. Gott ist ein persön- liches Wesen, heißt: Gott ist ein menschliches Wesen, Gott ist Mensch. Die Persönlichkeit ist ein Abstractum, das nur als wirklicher Mensch Realität hat*). Der Sinn, der den Menschwerdungen Gottes zu Grunde liegt, ist daher un- endlich besser erreicht durch eine Menschwerdung, eine Per- sönlichkeit. Wo Gott in mehreren Personen nach einander erscheint, da sind diese Persönlichkeiten verschwindende. Aber es handelt sich eben um eine bleibende Persönlichkeit, eine ausschließende Persönlichkeit. Wo viele Incarnationen vor-
*) Hieraus erhellt die Unwahrhaftigkeit und Eitelkeit der modernen Speculation über die Persönlichkeit Gottes. Schämt ihr euch nicht eines persönlichen Gottes, so schämt euch auch nicht eines fleischlichen Got- tes. Eine abstracte farblose Persönlichkeit, eine Persönlichkeit ohne Fleisch und Blut ist ein hohles Gespenst.
im Weſen iſt, das iſt in Chriſtus zur Erſcheinung gekom- men. In ſofern kann man die chriſtliche Religion die abſo- lute nennen. Daß Gott, der an ſich nichts andres als das Weſen des Menſchen iſt, auch als ſolches verwirklicht werde, als Menſch dem Bewußtſein Gegenſtand ſei, das iſt das Ziel der Religion. Und dieſes erreichte die chriſtliche Religion in der Menſchwerdung Gottes, die keineswegs ein vorüberge- hender Act iſt, denn Chriſtus bleibt auch noch nach ſeiner Himmelfahrt Menſch, Menſch von Herzen und Menſch von Geſtalt, nur daß jetzt ſein Leib nicht mehr ein irdiſcher, dem Leiden unterworfner Körper iſt.
Die Menſchwerdungen Gottes bei den Orientalen, wie namentlich den Indern, haben keine ſo intenſive Bedeutung als die chriſtliche. Eben weil ſie oft geſchehen, werden ſie gleichgültig, verlieren ſie ihren Werth. Die Menſchheit Gottes iſt ſeine Perſönlichkeit. Gott iſt ein perſön- liches Weſen, heißt: Gott iſt ein menſchliches Weſen, Gott iſt Menſch. Die Perſönlichkeit iſt ein Abſtractum, das nur als wirklicher Menſch Realität hat*). Der Sinn, der den Menſchwerdungen Gottes zu Grunde liegt, iſt daher un- endlich beſſer erreicht durch eine Menſchwerdung, eine Per- ſönlichkeit. Wo Gott in mehreren Perſonen nach einander erſcheint, da ſind dieſe Perſönlichkeiten verſchwindende. Aber es handelt ſich eben um eine bleibende Perſönlichkeit, eine ausſchließende Perſönlichkeit. Wo viele Incarnationen vor-
*) Hieraus erhellt die Unwahrhaftigkeit und Eitelkeit der modernen Speculation uͤber die Perſönlichkeit Gottes. Schämt ihr euch nicht eines perſönlichen Gottes, ſo ſchämt euch auch nicht eines fleiſchlichen Got- tes. Eine abſtracte farbloſe Perſönlichkeit, eine Perſönlichkeit ohne Fleiſch und Blut iſt ein hohles Geſpenſt.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0209"n="191"/>
im <hirendition="#g">Weſen</hi> iſt, das iſt in Chriſtus zur <hirendition="#g">Erſcheinung</hi> gekom-<lb/>
men. In ſofern kann man die chriſtliche Religion die abſo-<lb/>
lute nennen. Daß Gott, der an <hirendition="#g">ſich</hi> nichts andres als das<lb/>
Weſen des Menſchen iſt, auch <hirendition="#g">als ſolches</hi> verwirklicht werde,<lb/><hirendition="#g">als Menſch</hi> dem <hirendition="#g">Bewußtſein</hi> Gegenſtand ſei, das iſt das<lb/>
Ziel der Religion. Und dieſes erreichte die chriſtliche Religion<lb/>
in der Menſchwerdung Gottes, die keineswegs ein vorüberge-<lb/>
hender Act iſt, denn Chriſtus bleibt auch noch nach ſeiner<lb/>
Himmelfahrt Menſch, Menſch von Herzen und Menſch von<lb/>
Geſtalt, nur daß jetzt ſein Leib nicht mehr ein irdiſcher, dem<lb/>
Leiden unterworfner Körper iſt.</p><lb/><p>Die Menſchwerdungen Gottes bei den Orientalen, wie<lb/>
namentlich den Indern, haben keine ſo intenſive Bedeutung<lb/>
als die chriſtliche. Eben weil ſie <hirendition="#g">oft</hi> geſchehen, werden ſie<lb/>
gleichgültig, verlieren ſie ihren Werth. <hirendition="#g">Die Menſchheit<lb/>
Gottes iſt ſeine Perſönlichkeit. Gott iſt ein perſön-<lb/>
liches Weſen, heißt: Gott iſt ein menſchliches Weſen,<lb/>
Gott iſt Menſch</hi>. Die Perſönlichkeit iſt ein Abſtractum, das<lb/>
nur als <hirendition="#g">wirklicher Menſch</hi> Realität hat<noteplace="foot"n="*)">Hieraus erhellt die Unwahrhaftigkeit und Eitelkeit der modernen<lb/>
Speculation uͤber die Perſönlichkeit Gottes. Schämt ihr euch nicht eines<lb/>
perſönlichen Gottes, ſo ſchämt euch auch nicht eines <hirendition="#g">fleiſchlichen Got-<lb/>
tes</hi>. Eine <hirendition="#g">abſtracte</hi> farbloſe Perſönlichkeit, eine Perſönlichkeit <hirendition="#g">ohne<lb/>
Fleiſch und Blut</hi> iſt ein hohles Geſpenſt.</note>. Der Sinn, der<lb/>
den Menſchwerdungen Gottes zu Grunde liegt, iſt daher un-<lb/>
endlich beſſer erreicht durch <hirendition="#g">eine</hi> Menſchwerdung, <hirendition="#g">eine</hi> Per-<lb/>ſönlichkeit. Wo Gott in mehreren Perſonen nach einander<lb/>
erſcheint, da ſind dieſe Perſönlichkeiten verſchwindende. Aber<lb/>
es handelt ſich eben um eine <hirendition="#g">bleibende</hi> Perſönlichkeit, eine<lb/><hirendition="#g">ausſchließende</hi> Perſönlichkeit. Wo viele Incarnationen vor-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[191/0209]
im Weſen iſt, das iſt in Chriſtus zur Erſcheinung gekom-
men. In ſofern kann man die chriſtliche Religion die abſo-
lute nennen. Daß Gott, der an ſich nichts andres als das
Weſen des Menſchen iſt, auch als ſolches verwirklicht werde,
als Menſch dem Bewußtſein Gegenſtand ſei, das iſt das
Ziel der Religion. Und dieſes erreichte die chriſtliche Religion
in der Menſchwerdung Gottes, die keineswegs ein vorüberge-
hender Act iſt, denn Chriſtus bleibt auch noch nach ſeiner
Himmelfahrt Menſch, Menſch von Herzen und Menſch von
Geſtalt, nur daß jetzt ſein Leib nicht mehr ein irdiſcher, dem
Leiden unterworfner Körper iſt.
Die Menſchwerdungen Gottes bei den Orientalen, wie
namentlich den Indern, haben keine ſo intenſive Bedeutung
als die chriſtliche. Eben weil ſie oft geſchehen, werden ſie
gleichgültig, verlieren ſie ihren Werth. Die Menſchheit
Gottes iſt ſeine Perſönlichkeit. Gott iſt ein perſön-
liches Weſen, heißt: Gott iſt ein menſchliches Weſen,
Gott iſt Menſch. Die Perſönlichkeit iſt ein Abſtractum, das
nur als wirklicher Menſch Realität hat *). Der Sinn, der
den Menſchwerdungen Gottes zu Grunde liegt, iſt daher un-
endlich beſſer erreicht durch eine Menſchwerdung, eine Per-
ſönlichkeit. Wo Gott in mehreren Perſonen nach einander
erſcheint, da ſind dieſe Perſönlichkeiten verſchwindende. Aber
es handelt ſich eben um eine bleibende Perſönlichkeit, eine
ausſchließende Perſönlichkeit. Wo viele Incarnationen vor-
*) Hieraus erhellt die Unwahrhaftigkeit und Eitelkeit der modernen
Speculation uͤber die Perſönlichkeit Gottes. Schämt ihr euch nicht eines
perſönlichen Gottes, ſo ſchämt euch auch nicht eines fleiſchlichen Got-
tes. Eine abſtracte farbloſe Perſönlichkeit, eine Perſönlichkeit ohne
Fleiſch und Blut iſt ein hohles Geſpenſt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/209>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.