Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841.nur vom Willen ab. Aber dieser Wille ist nicht ihr eigner Die Schöpfung aus Nichts ist der höchste Ausdruck der *) Der tiefere Ursprung der Schöpfung aus Nichts liegt im Gemüth -- was eben so wohl direct als indirect in dieser Schrift ausgesprochen und be- wiesen wird. Die Willkühr aber ist eben der Wille des Gemüths, die Kraftäußerung des Gemüths nach Außen. **) Creatio est miraculosa. Albertus M. (I. P. Summae de qua-
tuor coaequaevis. Qu. I. art. 8.) Darum ist auch die Schöpfung aus Nichts nur vom Willen ab. Aber dieſer Wille iſt nicht ihr eigner Die Schöpfung aus Nichts iſt der höchſte Ausdruck der *) Der tiefere Urſprung der Schöpfung aus Nichts liegt im Gemüth — was eben ſo wohl direct als indirect in dieſer Schrift ausgeſprochen und be- wieſen wird. Die Willkühr aber iſt eben der Wille des Gemüths, die Kraftäußerung des Gemüths nach Außen. **) Creatio est miraculosa. Albertus M. (I. P. Summae de qua-
tuor coaequaevis. Qu. I. art. 8.) Darum iſt auch die Schöpfung aus Nichts <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0145" n="127"/> nur <hi rendition="#g">vom Willen</hi> ab. Aber dieſer Wille iſt nicht ihr eigner<lb/> Wille — kein Ding kann ſein Nichtſein wollen — aber auch<lb/> ſchon deßwegen nicht, weil ſie ſelbſt <hi rendition="#g">willenlos</hi> iſt. Daß ſie<lb/> alſo nichtig iſt, das iſt nur die Kraft des Willens. Der Wille,<lb/> daß ſie iſt, iſt in Einem der Wille, wenigſtens der mögliche<lb/> Wille, daß <hi rendition="#g">ſie nicht iſt</hi>. Die Exiſtenz der Welt iſt daher eine<lb/> momentane, <hi rendition="#g">willkührliche, unzuverläſſige</hi>, d. h. eben<lb/><hi rendition="#g">nichtige</hi> Exiſtenz.</p><lb/> <p>Die Schöpfung aus Nichts iſt der höchſte Ausdruck der<lb/><hi rendition="#g">Allmacht</hi>. Aber die Allmacht iſt nichts als die allen objecti-<lb/> ven Beſtimmungen und Begränzungen ſich entbindende, dieſe<lb/> ihre Ungebundenheit als die höchſte Macht und Weſenheit<lb/> feiernde Subjectivität — die Macht des Vermögens, ſubjectiv<lb/> alles Wirkliche als ein Unwirkliches, alles Vorſtellbare als ein<lb/> Mögliches zu ſetzen — die <hi rendition="#g">Macht der Einbildungskraft</hi><lb/> oder des mit der Einbildungskraft identiſchen Willens, die<lb/><hi rendition="#g">Macht der Willkühr</hi> <note place="foot" n="*)">Der tiefere Urſprung der Schöpfung aus Nichts liegt im Gemüth —<lb/> was eben ſo wohl direct als indirect in dieſer Schrift ausgeſprochen und be-<lb/> wieſen wird. Die Willkühr aber iſt eben der <hi rendition="#g">Wille des Gemüths</hi>, die<lb/> Kraftäußerung des Gemüths nach Außen.</note>. Der bezeichnendſte, ſtärkſte Aus-<lb/> druck ſubjectiver Willkühr iſt das Belieben, das Wohlgefallen.<lb/> — „Es hat Gott beliebt, eine Körper- und Geiſterwelt ins<lb/> Daſein zu rufen“ — der unwiderſprechlichſte Beweis, daß die<lb/> eigne Subjectivität, die eigne Willkühr als <hi rendition="#g">das höchſte We-<lb/> ſen, als allmächtiges Weltprincip</hi> geſetzt wird. Die<lb/> Schöpfung aus Nichts als ein Werk des allmächtigen Wil-<lb/> lens fällt aus dieſem Grunde in <hi rendition="#g">eine</hi> Kategorie <hi rendition="#g">mit dem<lb/> Wunder</hi> <note xml:id="note-0145" next="#note-0146" place="foot" n="**)"><hi rendition="#aq">Creatio est <hi rendition="#g">miraculosa. Albertus</hi> M. (I. P. Summae de qua-<lb/> tuor coaequaevis. Qu. I. art.</hi> 8.) Darum iſt auch die Schöpfung aus Nichts</note>, oder vielmehr ſie iſt das <hi rendition="#g">erſte</hi> Wunder nicht<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [127/0145]
nur vom Willen ab. Aber dieſer Wille iſt nicht ihr eigner
Wille — kein Ding kann ſein Nichtſein wollen — aber auch
ſchon deßwegen nicht, weil ſie ſelbſt willenlos iſt. Daß ſie
alſo nichtig iſt, das iſt nur die Kraft des Willens. Der Wille,
daß ſie iſt, iſt in Einem der Wille, wenigſtens der mögliche
Wille, daß ſie nicht iſt. Die Exiſtenz der Welt iſt daher eine
momentane, willkührliche, unzuverläſſige, d. h. eben
nichtige Exiſtenz.
Die Schöpfung aus Nichts iſt der höchſte Ausdruck der
Allmacht. Aber die Allmacht iſt nichts als die allen objecti-
ven Beſtimmungen und Begränzungen ſich entbindende, dieſe
ihre Ungebundenheit als die höchſte Macht und Weſenheit
feiernde Subjectivität — die Macht des Vermögens, ſubjectiv
alles Wirkliche als ein Unwirkliches, alles Vorſtellbare als ein
Mögliches zu ſetzen — die Macht der Einbildungskraft
oder des mit der Einbildungskraft identiſchen Willens, die
Macht der Willkühr *). Der bezeichnendſte, ſtärkſte Aus-
druck ſubjectiver Willkühr iſt das Belieben, das Wohlgefallen.
— „Es hat Gott beliebt, eine Körper- und Geiſterwelt ins
Daſein zu rufen“ — der unwiderſprechlichſte Beweis, daß die
eigne Subjectivität, die eigne Willkühr als das höchſte We-
ſen, als allmächtiges Weltprincip geſetzt wird. Die
Schöpfung aus Nichts als ein Werk des allmächtigen Wil-
lens fällt aus dieſem Grunde in eine Kategorie mit dem
Wunder **), oder vielmehr ſie iſt das erſte Wunder nicht
*) Der tiefere Urſprung der Schöpfung aus Nichts liegt im Gemüth —
was eben ſo wohl direct als indirect in dieſer Schrift ausgeſprochen und be-
wieſen wird. Die Willkühr aber iſt eben der Wille des Gemüths, die
Kraftäußerung des Gemüths nach Außen.
**) Creatio est miraculosa. Albertus M. (I. P. Summae de qua-
tuor coaequaevis. Qu. I. art. 8.) Darum iſt auch die Schöpfung aus Nichts
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