mildeste, was ich sagen kann -- wird eine sehr einseitige Religiosität haben.
So nicht der wahre Maurer. Ihm erscheint dieses Ringen nach für sich bestehender Gottseelig- keit ganz ähnlich dem Bestreben eines Menschen, der zu schwimmen und zierlich zu schwimmen trach- tet, ohne in das Wasser zu gehen. Er kennt kein Trachten nach dem Ewigen, außer der gewissenhaften Beförderung des Zeit- lichen, aus reiner Liebe zur Pflicht; ihn wandelt es nicht an, nach dem himmlischen Kleinode zu zielen, das er nicht erblicken kann; er zielt nur nach dem ihm aufgesteckten irrdischen Ziel, in der festen Zuversicht, daß das himmlische dahinter verborgen ist, und daß es ihm ohne sein weiteres Zuthun kommen wird, wenn er nur das Irrdische erreicht hat.
Ihm ist die Religiosität gar nichts Isolirtes und für sich bestehendes, so, daß man in der Frommigkeit sehr stark, im Uebrigen aber sehr schwach und sehr zurück, und ein schlechter Mensch seyn könne. Er ist nicht religiös, sondern er denkt und handelt religiös; die Religion ist ihm kein Gegenstand, sondern nur der Aether, in welchem ihm alle Gegenstände erschei- nen. Er setzt seine ganze Kraft ganz an jede Arbeit, die ihm hienieden vor die Hand kommt, und der Beobachter dürste denken, daß es ihm um nichts zu thun sey, als um Erreichung dieses Zwecks, und daß dieser sein ganzes Wesen und
mildeſte, was ich ſagen kann — wird eine ſehr einſeitige Religioſitaͤt haben.
So nicht der wahre Maurer. Ihm erſcheint dieſes Ringen nach fuͤr ſich beſtehender Gottſeelig- keit ganz aͤhnlich dem Beſtreben eines Menſchen, der zu ſchwimmen und zierlich zu ſchwimmen trach- tet, ohne in das Waſſer zu gehen. Er kennt kein Trachten nach dem Ewigen, außer der gewiſſenhaften Befoͤrderung des Zeit- lichen, aus reiner Liebe zur Pflicht; ihn wandelt es nicht an, nach dem himmliſchen Kleinode zu zielen, das er nicht erblicken kann; er zielt nur nach dem ihm aufgeſteckten irrdiſchen Ziel, in der feſten Zuverſicht, daß das himmliſche dahinter verborgen iſt, und daß es ihm ohne ſein weiteres Zuthun kommen wird, wenn er nur das Irrdiſche erreicht hat.
Ihm iſt die Religioſitaͤt gar nichts Iſolirtes und fuͤr ſich beſtehendes, ſo, daß man in der Frommigkeit ſehr ſtark, im Uebrigen aber ſehr ſchwach und ſehr zuruͤck, und ein ſchlechter Menſch ſeyn koͤnne. Er iſt nicht religioͤs, ſondern er denkt und handelt religioͤs; die Religion iſt ihm kein Gegenſtand, ſondern nur der Aether, in welchem ihm alle Gegenſtaͤnde erſchei- nen. Er ſetzt ſeine ganze Kraft ganz an jede Arbeit, die ihm hienieden vor die Hand kommt, und der Beobachter duͤrſte denken, daß es ihm um nichts zu thun ſey, als um Erreichung dieſes Zwecks, und daß dieſer ſein ganzes Weſen und
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mildeſte, was ich ſagen kann — wird eine ſehr
einſeitige Religioſitaͤt haben.
So nicht der wahre Maurer. Ihm erſcheint
dieſes Ringen nach fuͤr ſich beſtehender Gottſeelig-
keit ganz aͤhnlich dem Beſtreben eines Menſchen,
der zu ſchwimmen und zierlich zu ſchwimmen trach-
tet, ohne in das Waſſer zu gehen. Er kennt
kein Trachten nach dem Ewigen, außer der
gewiſſenhaften Befoͤrderung des Zeit-
lichen, aus reiner Liebe zur Pflicht; ihn
wandelt es nicht an, nach dem himmliſchen
Kleinode zu zielen, das er nicht erblicken kann;
er zielt nur nach dem ihm aufgeſteckten
irrdiſchen Ziel, in der feſten Zuverſicht,
daß das himmliſche dahinter verborgen
iſt, und daß es ihm ohne ſein weiteres
Zuthun kommen wird, wenn er nur das
Irrdiſche erreicht hat.
Ihm iſt die Religioſitaͤt gar nichts Iſolirtes
und fuͤr ſich beſtehendes, ſo, daß man in der
Frommigkeit ſehr ſtark, im Uebrigen aber ſehr
ſchwach und ſehr zuruͤck, und ein ſchlechter Menſch
ſeyn koͤnne. Er iſt nicht religioͤs, ſondern er denkt
und handelt religioͤs; die Religion iſt ihm
kein Gegenſtand, ſondern nur der Aether,
in welchem ihm alle Gegenſtaͤnde erſchei-
nen. Er ſetzt ſeine ganze Kraft ganz an jede
Arbeit, die ihm hienieden vor die Hand kommt,
und der Beobachter duͤrſte denken, daß es ihm um
nichts zu thun ſey, als um Erreichung dieſes
Zwecks, und daß dieſer ſein ganzes Weſen und
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[Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. Berlin, 1803, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fessler_eleusinien02_1803/52>, abgerufen am 21.11.2024.
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