"zerschmetterten Frei-Maurer," wenn es Dir ge- nügt; was er seyn kann, vermagst Du aus ei- ner besseren Quelle zu schöpfen, aus Deiner Ver- nunft. Aber wenn Du es weißt, so wirst Du, bei einiger Konsequenz, nicht glauben, daß er an und für sich selbst wirklich so sey, als er es, nach Deiner folgerichtigen Ueberzeugung, seyn kann; Du wirst es wenigstens nicht behaupten (aber auch nicht verneinen) können, weil Du um deswillen ein Eingeweihter seyn müßtest. Du würdest eher mit vollem Rechte ein maurerischer Gesetzgeber seyn, als diese Behauptung mit eini- gem Rechte wagen können.
Laß uns auf diesem Felde, wo alles schwankt, nach einem festen Punkte suchen, auf welchem unser Fuß sicher stehen kann, und uns von un- bestrittenen Thatsachen ausgehen.
Du weißt, daß in den ersten Decennien des achtzehnten Jahrhunderts, und zwar in London, eine Gesellschaft öffentlich hervortritt, die wahrscheinlich schon früher entstanden ist, von der aber keiner zu sagen weiß, woher sie komme, was sie sey und was sie wolle? Sie verbreitet sich, ohnerach- tet dessen, unbegreiflich schnell und wandert über Frankreich und Deutschland in alle Staaten des christlichen Europa, ja selbst nach Amerika. Män- ner aus allen Ständen, Regenten, Prinzen, Adliche, Gelehrte, Künstler, Kaufleute, treten in ihren Bund, Katholiken, Lutheraner und Kalvi- nisten lassen sich einweihen, und nennen sich Brüder untereinander.
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„zerſchmetterten Frei-Maurer,“ wenn es Dir ge- nuͤgt; was er ſeyn kann, vermagſt Du aus ei- ner beſſeren Quelle zu ſchoͤpfen, aus Deiner Ver- nunft. Aber wenn Du es weißt, ſo wirſt Du, bei einiger Konſequenz, nicht glauben, daß er an und fuͤr ſich ſelbſt wirklich ſo ſey, als er es, nach Deiner folgerichtigen Ueberzeugung, ſeyn kann; Du wirſt es wenigſtens nicht behaupten (aber auch nicht verneinen) koͤnnen, weil Du um deswillen ein Eingeweihter ſeyn muͤßteſt. Du wuͤrdeſt eher mit vollem Rechte ein maureriſcher Geſetzgeber ſeyn, als dieſe Behauptung mit eini- gem Rechte wagen koͤnnen.
Laß uns auf dieſem Felde, wo alles ſchwankt, nach einem feſten Punkte ſuchen, auf welchem unſer Fuß ſicher ſtehen kann, und uns von un- beſtrittenen Thatſachen ausgehen.
Du weißt, daß in den erſten Decennien des achtzehnten Jahrhunderts, und zwar in London, eine Geſellſchaft oͤffentlich hervortritt, die wahrſcheinlich ſchon fruͤher entſtanden iſt, von der aber keiner zu ſagen weiß, woher ſie komme, was ſie ſey und was ſie wolle? Sie verbreitet ſich, ohnerach- tet deſſen, unbegreiflich ſchnell und wandert uͤber Frankreich und Deutſchland in alle Staaten des chriſtlichen Europa, ja ſelbſt nach Amerika. Maͤn- ner aus allen Staͤnden, Regenten, Prinzen, Adliche, Gelehrte, Kuͤnſtler, Kaufleute, treten in ihren Bund, Katholiken, Lutheraner und Kalvi- niſten laſſen ſich einweihen, und nennen ſich Bruͤder untereinander.
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„zerſchmetterten Frei-Maurer,“ wenn es Dir ge-
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ner beſſeren Quelle zu ſchoͤpfen, aus Deiner Ver-
nunft. Aber wenn Du es weißt, ſo wirſt Du,
bei einiger Konſequenz, nicht glauben, daß er an
und fuͤr ſich ſelbſt wirklich ſo ſey, als er es,
nach Deiner folgerichtigen Ueberzeugung, ſeyn
kann; Du wirſt es wenigſtens nicht behaupten
(aber auch nicht verneinen) koͤnnen, weil Du
um deswillen ein Eingeweihter ſeyn muͤßteſt. Du
wuͤrdeſt eher mit vollem Rechte ein maureriſcher
Geſetzgeber ſeyn, als dieſe Behauptung mit eini-
gem Rechte wagen koͤnnen.
Laß uns auf dieſem Felde, wo alles ſchwankt,
nach einem feſten Punkte ſuchen, auf welchem
unſer Fuß ſicher ſtehen kann, und uns von un-
beſtrittenen Thatſachen ausgehen.
Du weißt, daß in den erſten Decennien des
achtzehnten Jahrhunderts, und zwar in London, eine
Geſellſchaft oͤffentlich hervortritt, die wahrſcheinlich
ſchon fruͤher entſtanden iſt, von der aber keiner
zu ſagen weiß, woher ſie komme, was ſie ſey
und was ſie wolle? Sie verbreitet ſich, ohnerach-
tet deſſen, unbegreiflich ſchnell und wandert uͤber
Frankreich und Deutſchland in alle Staaten des
chriſtlichen Europa, ja ſelbſt nach Amerika. Maͤn-
ner aus allen Staͤnden, Regenten, Prinzen,
Adliche, Gelehrte, Kuͤnſtler, Kaufleute, treten in
ihren Bund, Katholiken, Lutheraner und Kalvi-
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[Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. Berlin, 1802, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fessler_eleusinien01_1802/21>, abgerufen am 16.07.2024.
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