Gerechtigkeit anklagt, daß die Sittlichkeit oder Unsittlichkeit aller menschlichen Handlungen einzig und allein von der Güte der Gesinnung und von der Reinigkeit und Rechtschaffenheit des Herzens abhängt; über die Wirklichkeit aber oder den Man- gel derselben dem ewigen Richter die Entscheidung ausschließend zustehet. Es ist Zeit, daß wir auf- hören, in unsern Urtheilen über Lebendige und Todte, in das Amt des Gewissens, und in die Rechte der Gottheit eingreifen zu wollen!
Ich soll nun den Gewinn berechnen, welchen die Maurerische Thätigkeit unserer verklärten Brü- der der Brüderschaft erworben hat.
Ordnung und Gesetz waren dem Bruder B. heilige Worte, deren volle Bedeutung tief in sei- nem Herzen lag. Mochte ein von ihm gemachter Vorschlag noch so viele Gründe für sich haben, mochte er noch so sehr für denselben eingenommen seyn, er vertheidigte ihn nicht länger, als bis er von der Mehrheit angenommen oder verworfen war: im letztern Falle hatte Er weder den Eigen- dünkel, ihn durch allerhand Social-Künste durch- setzen zu wollen, noch die kindische Eitelkeit, sich darüber gekränkt zu zeigen. Oft erklärte Er: "Nicht das ist das Gut der Brüderschaft, was "mir gut scheint; sondern das, was der durch "die Mehrheit der Stimmen angekündigte allge- "meine Wille für das Gut der Gesellschaft er- "klärt." -- Mochte ein Gesetz noch so sehr sei-
Gerechtigkeit anklagt, daß die Sittlichkeit oder Unſittlichkeit aller menſchlichen Handlungen einzig und allein von der Guͤte der Geſinnung und von der Reinigkeit und Rechtſchaffenheit des Herzens abhaͤngt; uͤber die Wirklichkeit aber oder den Man- gel derſelben dem ewigen Richter die Entſcheidung ausſchließend zuſtehet. Es iſt Zeit, daß wir auf- hoͤren, in unſern Urtheilen uͤber Lebendige und Todte, in das Amt des Gewiſſens, und in die Rechte der Gottheit eingreifen zu wollen!
Ich ſoll nun den Gewinn berechnen, welchen die Maureriſche Thaͤtigkeit unſerer verklaͤrten Bruͤ- der der Bruͤderſchaft erworben hat.
Ordnung und Geſetz waren dem Bruder B. heilige Worte, deren volle Bedeutung tief in ſei- nem Herzen lag. Mochte ein von ihm gemachter Vorſchlag noch ſo viele Gruͤnde fuͤr ſich haben, mochte er noch ſo ſehr fuͤr denſelben eingenommen ſeyn, er vertheidigte ihn nicht laͤnger, als bis er von der Mehrheit angenommen oder verworfen war: im letztern Falle hatte Er weder den Eigen- duͤnkel, ihn durch allerhand Social-Kuͤnſte durch- ſetzen zu wollen, noch die kindiſche Eitelkeit, ſich daruͤber gekraͤnkt zu zeigen. Oft erklaͤrte Er: „Nicht das iſt das Gut der Bruͤderſchaft, was „mir gut ſcheint; ſondern das, was der durch „die Mehrheit der Stimmen angekuͤndigte allge- „meine Wille fuͤr das Gut der Geſellſchaft er- „klaͤrt.“ — Mochte ein Geſetz noch ſo ſehr ſei-
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Gerechtigkeit anklagt, daß die Sittlichkeit oder
Unſittlichkeit aller menſchlichen Handlungen einzig
und allein von der Guͤte der Geſinnung und von
der Reinigkeit und Rechtſchaffenheit des Herzens
abhaͤngt; uͤber die Wirklichkeit aber oder den Man-
gel derſelben dem ewigen Richter die Entſcheidung
ausſchließend zuſtehet. Es iſt Zeit, daß wir auf-
hoͤren, in unſern Urtheilen uͤber Lebendige und
Todte, in das Amt des Gewiſſens, und in die
Rechte der Gottheit eingreifen zu wollen!
Ich ſoll nun den Gewinn berechnen, welchen
die Maureriſche Thaͤtigkeit unſerer verklaͤrten Bruͤ-
der der Bruͤderſchaft erworben hat.
Ordnung und Geſetz waren dem Bruder B.
heilige Worte, deren volle Bedeutung tief in ſei-
nem Herzen lag. Mochte ein von ihm gemachter
Vorſchlag noch ſo viele Gruͤnde fuͤr ſich haben,
mochte er noch ſo ſehr fuͤr denſelben eingenommen
ſeyn, er vertheidigte ihn nicht laͤnger, als bis er
von der Mehrheit angenommen oder verworfen
war: im letztern Falle hatte Er weder den Eigen-
duͤnkel, ihn durch allerhand Social-Kuͤnſte durch-
ſetzen zu wollen, noch die kindiſche Eitelkeit, ſich
daruͤber gekraͤnkt zu zeigen. Oft erklaͤrte Er:
„Nicht das iſt das Gut der Bruͤderſchaft, was
„mir gut ſcheint; ſondern das, was der durch
„die Mehrheit der Stimmen angekuͤndigte allge-
„meine Wille fuͤr das Gut der Geſellſchaft er-
„klaͤrt.“ — Mochte ein Geſetz noch ſo ſehr ſei-
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[Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. Berlin, 1802, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fessler_eleusinien01_1802/208>, abgerufen am 17.07.2024.
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