sprechend; im letztern Falle konnte sie nicht anders als überall bestimmt, gleichförmig, standhaft und consequent seyn: So aber war seine Handlungsweise gegen andere Menschen; Wahrheit und Gerech- tigkeit weisen uns also selbst auf die letztere Quelle seiner characteristischen nachsichtsvollen Menschen- schonung. Hatte es nun B. in der Kenntniß seiner selbst, und durch diese in der Kenntniß des Menschen überhaupt weiter gebracht: so konnte der Maaßstab seiner Pflichten gegen sich selbst und gegen andere weder aus Mangel an Einsich- ten unrichtig, noch durch die überwiegende Macht der Eigenliebe verfälscht seyn. Wir wissen nicht, wie streng Er in seinen Forderungen an sich selbst war, -- denn dieß liegt überall außer dem Gesichts- kreis des Sterblichen, und nur der vermessene Selbstling, der sich selbst noch durchaus ein Räth- sel ist, kann die Thorheit begehen, in das Innere seines Nebenmenschenschauen zu wollen; -- wir sind aber alle Zeugen, daß er in seinen Forderungen und Ansprüchen an andere Menschen mäßig, be- scheiden und nachsichtsvoll war. Er hat die Quellen der Widersprüche zwischen Einsichten und Gefühlen, zwischen Verstand und Herz, zwischen erkannten Grundsätzen und practisch gewordenen Antrieben in seinem eigenen Selbst aufgedeckt und ausgemessen. In seinem Innern hat er die Gründe gefunden, warum die Menschen in ihrer Handlungsweise bald gegen ihre bessere Ueberzeu- gung, ihren Gefühlen und Leidenschaften, bald, gegen die mächtigsten Regungen eines richtigen
ſprechend; im letztern Falle konnte ſie nicht anders als uͤberall beſtimmt, gleichfoͤrmig, ſtandhaft und conſequent ſeyn: So aber war ſeine Handlungsweiſe gegen andere Menſchen; Wahrheit und Gerech- tigkeit weiſen uns alſo ſelbſt auf die letztere Quelle ſeiner characteriſtiſchen nachſichtsvollen Menſchen- ſchonung. Hatte es nun B. in der Kenntniß ſeiner ſelbſt, und durch dieſe in der Kenntniß des Menſchen uͤberhaupt weiter gebracht: ſo konnte der Maaßſtab ſeiner Pflichten gegen ſich ſelbſt und gegen andere weder aus Mangel an Einſich- ten unrichtig, noch durch die uͤberwiegende Macht der Eigenliebe verfaͤlſcht ſeyn. Wir wiſſen nicht, wie ſtreng Er in ſeinen Forderungen an ſich ſelbſt war, — denn dieß liegt uͤberall außer dem Geſichts- kreis des Sterblichen, und nur der vermeſſene Selbſtling, der ſich ſelbſt noch durchaus ein Raͤth- ſel iſt, kann die Thorheit begehen, in das Innere ſeines Nebenmenſchenſchauen zu wollen; — wir ſind aber alle Zeugen, daß er in ſeinen Forderungen und Anſpruͤchen an andere Menſchen maͤßig, be- ſcheiden und nachſichtsvoll war. Er hat die Quellen der Widerſpruͤche zwiſchen Einſichten und Gefuͤhlen, zwiſchen Verſtand und Herz, zwiſchen erkannten Grundſaͤtzen und practiſch gewordenen Antrieben in ſeinem eigenen Selbſt aufgedeckt und ausgemeſſen. In ſeinem Innern hat er die Gruͤnde gefunden, warum die Menſchen in ihrer Handlungsweiſe bald gegen ihre beſſere Ueberzeu- gung, ihren Gefuͤhlen und Leidenſchaften, bald, gegen die maͤchtigſten Regungen eines richtigen
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ſprechend; im letztern Falle konnte ſie nicht anders
als uͤberall beſtimmt, gleichfoͤrmig, ſtandhaft und
conſequent ſeyn: So aber war ſeine Handlungsweiſe
gegen andere Menſchen; Wahrheit und Gerech-
tigkeit weiſen uns alſo ſelbſt auf die letztere Quelle
ſeiner characteriſtiſchen nachſichtsvollen Menſchen-
ſchonung. Hatte es nun B. in der Kenntniß
ſeiner ſelbſt, und durch dieſe in der Kenntniß des
Menſchen uͤberhaupt weiter gebracht: ſo konnte
der Maaßſtab ſeiner Pflichten gegen ſich ſelbſt
und gegen andere weder aus Mangel an Einſich-
ten unrichtig, noch durch die uͤberwiegende Macht
der Eigenliebe verfaͤlſcht ſeyn. Wir wiſſen nicht,
wie ſtreng Er in ſeinen Forderungen an ſich ſelbſt
war, — denn dieß liegt uͤberall außer dem Geſichts-
kreis des Sterblichen, und nur der vermeſſene
Selbſtling, der ſich ſelbſt noch durchaus ein Raͤth-
ſel iſt, kann die Thorheit begehen, in das Innere
ſeines Nebenmenſchenſchauen zu wollen; — wir ſind
aber alle Zeugen, daß er in ſeinen Forderungen
und Anſpruͤchen an andere Menſchen maͤßig, be-
ſcheiden und nachſichtsvoll war. Er hat die
Quellen der Widerſpruͤche zwiſchen Einſichten und
Gefuͤhlen, zwiſchen Verſtand und Herz, zwiſchen
erkannten Grundſaͤtzen und practiſch gewordenen
Antrieben in ſeinem eigenen Selbſt aufgedeckt und
ausgemeſſen. In ſeinem Innern hat er die
Gruͤnde gefunden, warum die Menſchen in ihrer
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[Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. Berlin, 1802, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fessler_eleusinien01_1802/200>, abgerufen am 16.07.2024.
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