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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

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Andere lassen sich düncken, es müsten ihre historischen Wercke absolument
mit vielen Bildern ausgeschmücket seyn, wann sie etwas gelten solten, em-
ploy
ren auch wohl einerley Bild, bey zehen unterschiedenen Begebenheiten.
Solches findet man so gar in dem Theatro Europaeo, allwo einerley Bilder
von Schlachten in etlichen Theilen wieder vorkommen, wo von gantz andern
Dingen gehandelt wird. In Dreßers Chronicke, und andern Chronicken,
hat man es noch weit ärger gemachet; wiewohl nicht zu läugnen ist, daß da-
ran die Gewinnsichtigen Verleger öffters weit mehr Ursache sind, als die Au-
tores.
Aber in was vor ein Register sind wohl die einfältigen Bilder des Bu-
nons
zu setzen, z. E. damit man desto leichter Isaac im Sinn behalten solte, so
mahlte derselbe einen Sack, und vorne ein J. dran. Wann man nun das J.
und den Sack aussprach, so hatte man gleich Isaac. In der Rechts-Ge-
lahrheit
hat er auch alles durch Bilder vorstellen wollen, welches öffters sehr
abgeschmackt herausgekommen ist.

Was that Johann Palatius? Damit er sich in die damalige Zeit richten
möchte, in welcher mann die alten Müntzen und Medaillen sehr hoch hielte,
hat er seine elende und Magere Historie mit einer grossen Menge erdichteter
und selbst-gemachter Muntzen angefüllet.

Wieder andere reden von nichts als Archiven, fremden Buchern und
geheimen geschriebenen Nachrichten,
damit sie unter diesem Vorwand, ei-
nigen desto besser schmeicheln, und dem Leser allerhand fabelhaffte Erzehlungen
aufbürden können. In dieser Kunst haben unter denen Teutschen George
Rüxner,
und unter denen Frantzosen Anton Varillas gewißlich allen übrigen
den Preiß abgenommen. Denn damit jener nur den Adel etlicher Familten
hoch erheben könte, so berufft er sich beständig auf ein gewisses Magdeburgisches
Manuscript; welches aber sonst niemals jemand, als er auf der Welt gesehen hat.
Dieser aber vertheidiget seine Lügen allemal mit einer grossen Anzahl von Ma-
nuscriptis,
die keinen Menschen bekannt sind. Solche Lügner und boßhaff-
te Betrüger, die uns gantz falsche Bücher hinterlassen haben, sind sehr viele
in der Welt gewesen. Ich will aber mich begnügen, deren allhier nur zwey zu
nennen, nemlich Annium von Viterbo, der die Welt mit des Chaldaeers Be-
rosus Antiquitatibus
betrogen, und Inqhiramum einen Florentiner, der mit de-
nen Antiquitatibus Hediuscis ein gleiches gethan.

Die
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Andere laſſen ſich duͤncken, es muͤſten ihre hiſtoriſchen Wercke abſolument
mit vielen Bildern ausgeſchmuͤcket ſeyn, wann ſie etwas gelten ſolten, em-
ploy
ren auch wohl einerley Bild, bey zehen unterſchiedenen Begebenheiten.
Solches findet man ſo gar in dem Theatro Europæo, allwo einerley Bilder
von Schlachten in etlichen Theilen wieder vorkommen, wo von gantz andern
Dingen gehandelt wird. In Dreßers Chronicke, und andern Chronicken,
hat man es noch weit aͤrger gemachet; wiewohl nicht zu laͤugnen iſt, daß da-
ran die Gewinnſichtigen Verleger oͤffters weit mehr Urſache ſind, als die Au-
tores.
Aber in was vor ein Regiſter ſind wohl die einfaͤltigen Bilder des Bu-
nons
zu ſetzen, z. E. damit man deſto leichter Iſaac im Sinn behalten ſolte, ſo
mahlte derſelbe einen Sack, und vorne ein J. dran. Wann man nun das J.
und den Sack ausſprach, ſo hatte man gleich Iſaac. In der Rechts-Ge-
lahrheit
hat er auch alles durch Bilder vorſtellen wollen, welches oͤffters ſehr
abgeſchmackt herausgekommen iſt.

Was that Johann Palatius? Damit er ſich in die damalige Zeit richten
moͤchte, in welcher mann die alten Muͤntzen und Medaillen ſehr hoch hielte,
hat er ſeine elende und Magere Hiſtorie mit einer groſſen Menge erdichteter
und ſelbſt-gemachter Můntzen angefuͤllet.

Wieder andere reden von nichts als Archiven, fremden Bůchern und
geheimen geſchriebenen Nachrichten,
damit ſie unter dieſem Vorwand, ei-
nigen deſto beſſer ſchmeicheln, und dem Leſer allerhand fabelhaffte Erzehlungen
aufbuͤrden koͤnnen. In dieſer Kunſt haben unter denen Teutſchen George
Ruͤxner,
und unter denen Frantzoſen Anton Varillas gewißlich allen uͤbrigen
den Preiß abgenommen. Denn damit jener nur den Adel etlicher Familten
hoch erheben koͤnte, ſo berufft er ſich beſtaͤndig auf ein gewiſſes Magdeburgiſches
Manuſcript; welches aber ſonſt niemals jemand, als er auf der Welt geſehen hat.
Dieſer aber vertheidiget ſeine Luͤgen allemal mit einer groſſen Anzahl von Ma-
nuſcriptis,
die keinen Menſchen bekannt ſind. Solche Luͤgner und boßhaff-
te Betruͤger, die uns gantz falſche Buͤcher hinterlaſſen haben, ſind ſehr viele
in der Welt geweſen. Ich will aber mich begnuͤgen, deren allhier nur zwey zu
nennen, nemlich Annium von Viterbo, der die Welt mit des Chaldæers Be-
roſus Antiquitatibus
betrogen, und Inqhiramum einen Florentiner, der mit de-
nen Antiquitatibus Hediuſcis ein gleiches gethan.

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[219/0263] Andere laſſen ſich duͤncken, es muͤſten ihre hiſtoriſchen Wercke abſolument mit vielen Bildern ausgeſchmuͤcket ſeyn, wann ſie etwas gelten ſolten, em- ployren auch wohl einerley Bild, bey zehen unterſchiedenen Begebenheiten. Solches findet man ſo gar in dem Theatro Europæo, allwo einerley Bilder von Schlachten in etlichen Theilen wieder vorkommen, wo von gantz andern Dingen gehandelt wird. In Dreßers Chronicke, und andern Chronicken, hat man es noch weit aͤrger gemachet; wiewohl nicht zu laͤugnen iſt, daß da- ran die Gewinnſichtigen Verleger oͤffters weit mehr Urſache ſind, als die Au- tores. Aber in was vor ein Regiſter ſind wohl die einfaͤltigen Bilder des Bu- nons zu ſetzen, z. E. damit man deſto leichter Iſaac im Sinn behalten ſolte, ſo mahlte derſelbe einen Sack, und vorne ein J. dran. Wann man nun das J. und den Sack ausſprach, ſo hatte man gleich Iſaac. In der Rechts-Ge- lahrheit hat er auch alles durch Bilder vorſtellen wollen, welches oͤffters ſehr abgeſchmackt herausgekommen iſt. Was that Johann Palatius? Damit er ſich in die damalige Zeit richten moͤchte, in welcher mann die alten Muͤntzen und Medaillen ſehr hoch hielte, hat er ſeine elende und Magere Hiſtorie mit einer groſſen Menge erdichteter und ſelbſt-gemachter Můntzen angefuͤllet. Wieder andere reden von nichts als Archiven, fremden Bůchern und geheimen geſchriebenen Nachrichten, damit ſie unter dieſem Vorwand, ei- nigen deſto beſſer ſchmeicheln, und dem Leſer allerhand fabelhaffte Erzehlungen aufbuͤrden koͤnnen. In dieſer Kunſt haben unter denen Teutſchen George Ruͤxner, und unter denen Frantzoſen Anton Varillas gewißlich allen uͤbrigen den Preiß abgenommen. Denn damit jener nur den Adel etlicher Familten hoch erheben koͤnte, ſo berufft er ſich beſtaͤndig auf ein gewiſſes Magdeburgiſches Manuſcript; welches aber ſonſt niemals jemand, als er auf der Welt geſehen hat. Dieſer aber vertheidiget ſeine Luͤgen allemal mit einer groſſen Anzahl von Ma- nuſcriptis, die keinen Menſchen bekannt ſind. Solche Luͤgner und boßhaff- te Betruͤger, die uns gantz falſche Buͤcher hinterlaſſen haben, ſind ſehr viele in der Welt geweſen. Ich will aber mich begnuͤgen, deren allhier nur zwey zu nennen, nemlich Annium von Viterbo, der die Welt mit des Chaldæers Be- roſus Antiquitatibus betrogen, und Inqhiramum einen Florentiner, der mit de- nen Antiquitatibus Hediuſcis ein gleiches gethan. Die E e 2

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Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/263>, abgerufen am 24.11.2024.