Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.ster lernen solten, wie man sich mit Mund und Augen, ja selbst mit denen Fast eben dergleichen wissen sichere Leute von dem berühmten, in diesem Die Geschichtschreiber mögen ebenfalls nicht gantz und gar mit Still- An-
ſter lernen ſolten, wie man ſich mit Mund und Augen, ja ſelbſt mit denen Faſt eben dergleichen wiſſen ſichere Leute von dem beruͤhmten, in dieſem Die Geſchichtſchreiber moͤgen ebenfalls nicht gantz und gar mit Still- An-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0262" n="218"/> ſter lernen ſolten, wie man ſich mit Mund und Augen, ja ſelbſt mit denen<lb/> Haͤnden, bey jedwedem Worte gebehren muͤſſe; worauf er dann dieſe neuen<lb/><hi rendition="#aq">Roſcios</hi> (wie man diejenigen, welche in einer Sache vortrefflich waren, dem<lb/> alten Roͤmiſchen <hi rendition="#aq">Roſcio,</hi> der ſeine Perſon auf den Schau-Platz uͤber alle maſ-<lb/> ſen wohl vorſtellen koͤnnen, daß auch <hi rendition="#aq">Cicero</hi> zu ſeiner Vertheidung eine Rede<lb/> gehalten, zu Ehren geheiſſen) oͤffentlich auftreten, und eine oder andere Rede<lb/> aus dem <hi rendition="#aq">Cicero</hi> alſo herſagen laſſen; welches auch <choice><sic>insgemen</sic><corr>insgemein</corr></choice> mit groſſem<lb/> Vergnuͤgen derer Zuhoͤrer geſchehen iſt, denen dieſes, als was neues, wornach<lb/> jederman begierig iſt, nicht mißfallen kunte. Allein es hat ſoweit gefehlet,<lb/> daß <hi rendition="#aq">Frantzius,</hi> durch dieſe Kunſt-Stuͤcke, ſeine Schuͤler zu groſſen Rednern<lb/> haͤtte machen ſollen, daß vielmehr die meiſten dadurch zu einer gezwungenen<lb/> und ſchaͤndlichen Großſprecherey ſind verleitet worden.</p><lb/> <p>Faſt eben dergleichen wiſſen ſichere Leute von dem beruͤhmten, in dieſem<lb/><hi rendition="#aq">Seculo</hi> verſtorbenen, Prediger J. F. M. zu erzehlen, daß ſelbiger, ſo offt er<lb/> vor einem groſſen Herrn predigen ſollen, allezeit vorhero ſeine Geberden und<lb/><hi rendition="#aq">Minen</hi> vor dem, in ſeiner Studier-Stube geſtandenen, ſehr groſſen, und aus<lb/> dem feineſten Venetianiſchen Cryſtall gemachten Spiegel unterſuchet habe.</p><lb/> <p>Die Geſchichtſchreiber moͤgen ebenfalls nicht gantz und gar mit Still-<lb/> ſchweigen uͤbergangen werden, weil ſich ſchon ihrer viele auf mancherley Art<lb/> laͤcherlich gemachet, abſonderlich dadurch, wann ſie ſo gar die Treffen und<lb/> Schlachten, bey denen es insgemein ſehr unordentlich zugehet, auf das fleißig-<lb/> ſte und ordentlichſte beſchreiben und abmahlen laſſen. Nicht ohne Urſache hat<lb/> alſo der weltberuͤhmte <hi rendition="#aq">General</hi> <hi rendition="#fr">Schomberg</hi> dem <hi rendition="#aq">Michael le Vaſſor</hi> gerathen,<lb/><hi rendition="#fr">die Schlachten und gehaltenen Treffen nicht zu beſchreiben. Er ſelbſt,<lb/> wann er in</hi> <hi rendition="#aq">Bataillen</hi> <hi rendition="#fr">geweſen, haͤtte bey weitem nicht alles in genaue<lb/> Obacht nehmen koͤnnen.</hi> Die gemeinen <hi rendition="#aq">Romanen-</hi>Schreiber aber ſind ſehr<lb/> gluͤcklich, ſolches alles auf das genaueſte zu entwerffen. Sie wiſſen auf de-<lb/> nen Fingern herzu erzehlen, wie die Glieder auf einander geruͤcket, wie die<lb/> Kugeln um die Koͤpffe geflogen, wie die Hiebe auf einander gefolget, und wie<lb/> ein jedweder gefochten, <hi rendition="#aq">avanci</hi>ret, oder zuruͤcke gewichen, dergeſtalt, daß man<lb/> meynen ſolte, ſie waͤren eben in der Lufft an einem ſichern Ort <hi rendition="#aq">placi</hi>ret gewe-<lb/> ſen, haͤtten mit ihren Augen Staub und Dampff durchdrungen, auch uͤber<lb/> jedwede Kugel, uͤber jedweden Hieb und Stich, ja uͤber einen jedweden vor-<lb/> oder ruͤckwerts gethanen Schritt, ein ordentliches Regiſter gehalten.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">An-</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [218/0262]
ſter lernen ſolten, wie man ſich mit Mund und Augen, ja ſelbſt mit denen
Haͤnden, bey jedwedem Worte gebehren muͤſſe; worauf er dann dieſe neuen
Roſcios (wie man diejenigen, welche in einer Sache vortrefflich waren, dem
alten Roͤmiſchen Roſcio, der ſeine Perſon auf den Schau-Platz uͤber alle maſ-
ſen wohl vorſtellen koͤnnen, daß auch Cicero zu ſeiner Vertheidung eine Rede
gehalten, zu Ehren geheiſſen) oͤffentlich auftreten, und eine oder andere Rede
aus dem Cicero alſo herſagen laſſen; welches auch insgemein mit groſſem
Vergnuͤgen derer Zuhoͤrer geſchehen iſt, denen dieſes, als was neues, wornach
jederman begierig iſt, nicht mißfallen kunte. Allein es hat ſoweit gefehlet,
daß Frantzius, durch dieſe Kunſt-Stuͤcke, ſeine Schuͤler zu groſſen Rednern
haͤtte machen ſollen, daß vielmehr die meiſten dadurch zu einer gezwungenen
und ſchaͤndlichen Großſprecherey ſind verleitet worden.
Faſt eben dergleichen wiſſen ſichere Leute von dem beruͤhmten, in dieſem
Seculo verſtorbenen, Prediger J. F. M. zu erzehlen, daß ſelbiger, ſo offt er
vor einem groſſen Herrn predigen ſollen, allezeit vorhero ſeine Geberden und
Minen vor dem, in ſeiner Studier-Stube geſtandenen, ſehr groſſen, und aus
dem feineſten Venetianiſchen Cryſtall gemachten Spiegel unterſuchet habe.
Die Geſchichtſchreiber moͤgen ebenfalls nicht gantz und gar mit Still-
ſchweigen uͤbergangen werden, weil ſich ſchon ihrer viele auf mancherley Art
laͤcherlich gemachet, abſonderlich dadurch, wann ſie ſo gar die Treffen und
Schlachten, bey denen es insgemein ſehr unordentlich zugehet, auf das fleißig-
ſte und ordentlichſte beſchreiben und abmahlen laſſen. Nicht ohne Urſache hat
alſo der weltberuͤhmte General Schomberg dem Michael le Vaſſor gerathen,
die Schlachten und gehaltenen Treffen nicht zu beſchreiben. Er ſelbſt,
wann er in Bataillen geweſen, haͤtte bey weitem nicht alles in genaue
Obacht nehmen koͤnnen. Die gemeinen Romanen-Schreiber aber ſind ſehr
gluͤcklich, ſolches alles auf das genaueſte zu entwerffen. Sie wiſſen auf de-
nen Fingern herzu erzehlen, wie die Glieder auf einander geruͤcket, wie die
Kugeln um die Koͤpffe geflogen, wie die Hiebe auf einander gefolget, und wie
ein jedweder gefochten, avanciret, oder zuruͤcke gewichen, dergeſtalt, daß man
meynen ſolte, ſie waͤren eben in der Lufft an einem ſichern Ort placiret gewe-
ſen, haͤtten mit ihren Augen Staub und Dampff durchdrungen, auch uͤber
jedwede Kugel, uͤber jedweden Hieb und Stich, ja uͤber einen jedweden vor-
oder ruͤckwerts gethanen Schritt, ein ordentliches Regiſter gehalten.
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