Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

Bild:
<< vorherige Seite

sich selber redet: Wann alle Himmel-Baumrinden oder Papier, alle Bäu-
me Federn, uud das gantze Meer eitel Dinte wäre, so würde es doch
nicht zureichen, meine Weißheit zu beschreiben.
Hilff Himmel! Was
vor ein greulicher Narr muß nicht dieser Rabbi gewesen seyn?

Ein von Hochmuth stoltzender Gelehrte, Namens Georgius Leontinus
pflegte bey öffentlichen Zusammenkünfften, jederman mit gröstem Hochmuth
freyzustellen, in was vor einer Wissenschafft er von ihm wolte unterrichtet
seyn?
Jacobus Mazonius aber gab auf alles, was man ihn fragte, alsbald eine weit-
läufftige Antwort, und praetendirte alles zu behaupten, oder über einen Hauffen
zu werffen. Auch wissen wir, daß Franciscus Philelphus in einem Brieffe sehr
prahlerhafft von sich selbst geschrieben: Eines unterstehet sich Philelphus gar
wohl zu behaupten, es mag gleich der
Caudidus (so hieß sein Wi-
dersacher) deswegen vor Neid zerbersten, daß weder zu dieser Zeit,
noch zuvor jemahls jemand unter deuen Lateinern gewesen seye, ausser
mir, welcher allein in der Grichischen und Lateinischen Sprache der-
massen geübt gewesen, oder in gebundener und ungebundener Rede so
viel vermocht hat. Weist du jemand anders, so nenne ihn. Aber wa-
rum schweigest du dann, du elender Kerl?

Diese Leute meynen auch, daß es viel zu Erlangung eines grossen Ruhms
beytrage, wann sie andere Gelehrte überreden, sie hätten eine grosse Anzahl
Bücher, von denen schweresten und unbekanntesten Materien fertig liegen,
welche sie, gegen eine anständliche Belohnung, alle Augenblicke in die Drucke-
rey lieffern könten. Johann Bourdelot beruffet sich in denen Anmerckungen
über den Heliodorus allenthalben auf seine andere Schrifften, die doch nie-
mals an das Tage-Licht gekommen sind; und Marcus Meibom pflegte allen
Fremden, welche ihn zu Amsterdam besuchten, grosse Bände zu zeigen, mit
dem Vorgeben, daß er die darinnen enthaltenen Schätze denen Gelehr-
ten nicht länger mißgönnen wolte, wann ihm selbige mit einer billi-
gen Vergeltung,
die er aber sehr hoch ansetzte, bezahlet wörden. Doch
hat wohl so leichte Niemand den la Croix du Maine übertroffen, der einen
Brieff an König Henricum III. in Franckreich drucken lassen, worinnen er
sich rühmet, daß er 800. Schrifften von allen Dingen, die der menschli-
che Verstand wissen oder begreiffen kan, mit seiner Hand ausgearbei-
tet, und in 100. Fächern fertig liegen habe, welche er dem König ins

gesamt

ſich ſelber redet: Wann alle Himmel-Baumrinden oder Papier, alle Baͤu-
me Federn, uud das gantze Meer eitel Dinte waͤre, ſo wuͤrde es doch
nicht zureichen, meine Weißheit zu beſchreiben.
Hilff Himmel! Was
vor ein greulicher Narr muß nicht dieſer Rabbi geweſen ſeyn?

Ein von Hochmuth ſtoltzender Gelehrte, Namens Georgius Leontinus
pflegte bey oͤffentlichen Zuſammenkuͤnfften, jederman mit groͤſtem Hochmuth
freyzuſtellen, in was vor einer Wiſſenſchafft er von ihm wolte unterrichtet
ſeyn?
Jacobus Mazonius aber gab auf alles, was man ihn fragte, alsbald eine weit-
laͤufftige Antwort, und prætendirte alles zu behaupten, oder uͤber einen Hauffen
zu werffen. Auch wiſſen wir, daß Franciscus Philelphus in einem Brieffe ſehr
prahlerhafft von ſich ſelbſt geſchrieben: Eines unterſtehet ſich Philelphus gar
wohl zu behaupten, es mag gleich der
Caudidus (ſo hieß ſein Wi-
derſacher) deswegen vor Neid zerberſten, daß weder zu dieſer Zeit,
noch zuvor jemahls jemand unter deuen Lateinern geweſen ſeye, auſſer
mir, welcher allein in der Grichiſchen und Lateiniſchen Sprache der-
maſſen geuͤbt geweſen, oder in gebundener und ungebundener Rede ſo
viel vermocht hat. Weiſt du jemand anders, ſo nenne ihn. Aber wa-
rum ſchweigeſt du dann, du elender Kerl?

Dieſe Leute meynen auch, daß es viel zu Erlangung eines groſſen Ruhms
beytrage, wann ſie andere Gelehrte uͤberreden, ſie haͤtten eine groſſe Anzahl
Buͤcher, von denen ſchwereſten und unbekannteſten Materien fertig liegen,
welche ſie, gegen eine anſtaͤndliche Belohnung, alle Augenblicke in die Drucke-
rey lieffern koͤnten. Johann Bourdelot beruffet ſich in denen Anmerckungen
uͤber den Heliodorus allenthalben auf ſeine andere Schrifften, die doch nie-
mals an das Tage-Licht gekommen ſind; und Marcus Meibom pflegte allen
Fremden, welche ihn zu Amſterdam beſuchten, groſſe Baͤnde zu zeigen, mit
dem Vorgeben, daß er die darinnen enthaltenen Schaͤtze denen Gelehr-
ten nicht laͤnger mißgoͤnnen wolte, wann ihm ſelbige mit einer billi-
gen Vergeltung,
die er aber ſehr hoch anſetzte, bezahlet woͤrden. Doch
hat wohl ſo leichte Niemand den la Croix du Maine uͤbertroffen, der einen
Brieff an Koͤnig Henricum III. in Franckreich drucken laſſen, worinnen er
ſich ruͤhmet, daß er 800. Schrifften von allen Dingen, die der menſchli-
che Verſtand wiſſen oder begreiffen kan, mit ſeiner Hand ausgearbei-
tet, und in 100. Faͤchern fertig liegen habe, welche er dem Koͤnig ins

geſamt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0246" n="202"/>
&#x017F;ich &#x017F;elber redet: <hi rendition="#fr">Wann alle Himmel-Baumrinden oder Papier, alle Ba&#x0364;u-<lb/>
me Federn, uud das gantze Meer eitel Dinte wa&#x0364;re, &#x017F;o wu&#x0364;rde es doch<lb/>
nicht zureichen, meine Weißheit zu be&#x017F;chreiben.</hi> Hilff Himmel! Was<lb/>
vor ein greulicher Narr muß nicht die&#x017F;er <hi rendition="#aq">Rabbi</hi> gewe&#x017F;en &#x017F;eyn?</p><lb/>
          <p>Ein von Hochmuth &#x017F;toltzender Gelehrte, Namens <hi rendition="#aq">Georgius Leontinus</hi><lb/>
pflegte bey o&#x0364;ffentlichen Zu&#x017F;ammenku&#x0364;nfften, jederman mit gro&#x0364;&#x017F;tem Hochmuth<lb/>
freyzu&#x017F;tellen, <hi rendition="#fr">in was vor einer Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafft er von ihm wolte unterrichtet<lb/>
&#x017F;eyn?</hi> <hi rendition="#aq">Jacobus Mazonius</hi> aber gab auf alles, was man ihn fragte, alsbald eine weit-<lb/>
la&#x0364;ufftige Antwort, und <hi rendition="#aq">prætendir</hi>te alles zu behaupten, oder u&#x0364;ber einen Hauffen<lb/>
zu werffen. Auch wi&#x017F;&#x017F;en wir, daß <hi rendition="#aq">Franciscus Philelphus</hi> in einem Brieffe &#x017F;ehr<lb/>
prahlerhafft von &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t ge&#x017F;chrieben: <hi rendition="#fr">Eines unter&#x017F;tehet &#x017F;ich</hi> <hi rendition="#aq">Philelphus</hi> <hi rendition="#fr">gar<lb/>
wohl zu behaupten, es mag gleich der</hi> <hi rendition="#aq">Caudidus</hi> (&#x017F;o hieß &#x017F;ein Wi-<lb/>
der&#x017F;acher) <hi rendition="#fr">deswegen vor Neid zerber&#x017F;ten, daß weder zu die&#x017F;er Zeit,<lb/>
noch zuvor jemahls jemand unter deuen Lateinern gewe&#x017F;en &#x017F;eye, au&#x017F;&#x017F;er<lb/>
mir, welcher allein in der Grichi&#x017F;chen und Lateini&#x017F;chen Sprache der-<lb/>
ma&#x017F;&#x017F;en geu&#x0364;bt gewe&#x017F;en, oder in gebundener und ungebundener Rede &#x017F;o<lb/>
viel vermocht hat. Wei&#x017F;t du jemand anders, &#x017F;o nenne ihn. Aber wa-<lb/>
rum &#x017F;chweige&#x017F;t du dann, du elender Kerl?</hi></p><lb/>
          <p>Die&#x017F;e Leute meynen auch, daß es viel zu Erlangung eines gro&#x017F;&#x017F;en Ruhms<lb/>
beytrage, wann &#x017F;ie andere Gelehrte u&#x0364;berreden, &#x017F;ie ha&#x0364;tten eine gro&#x017F;&#x017F;e Anzahl<lb/>
Bu&#x0364;cher, von denen &#x017F;chwere&#x017F;ten und unbekannte&#x017F;ten <hi rendition="#aq">Materien</hi> fertig liegen,<lb/>
welche &#x017F;ie, gegen eine an&#x017F;ta&#x0364;ndliche Belohnung, alle Augenblicke in die Drucke-<lb/>
rey lieffern ko&#x0364;nten. <hi rendition="#aq">Johann Bourdelot</hi> beruffet &#x017F;ich in denen Anmerckungen<lb/>
u&#x0364;ber den <hi rendition="#aq">Heliodorus</hi> allenthalben auf &#x017F;eine andere Schrifften, die doch nie-<lb/>
mals an das Tage-Licht gekommen &#x017F;ind; und <hi rendition="#aq">Marcus Meibom</hi> pflegte allen<lb/>
Fremden, welche ihn zu Am&#x017F;terdam be&#x017F;uchten, gro&#x017F;&#x017F;e Ba&#x0364;nde zu zeigen, mit<lb/>
dem Vorgeben, <hi rendition="#fr">daß er die darinnen enthaltenen Scha&#x0364;tze denen Gelehr-<lb/>
ten nicht la&#x0364;nger mißgo&#x0364;nnen wolte, wann ihm &#x017F;elbige mit einer billi-<lb/>
gen Vergeltung,</hi> die er aber &#x017F;ehr hoch an&#x017F;etzte, <hi rendition="#fr">bezahlet wo&#x0364;rden.</hi> Doch<lb/>
hat wohl &#x017F;o leichte Niemand den <hi rendition="#aq">la Croix du Maine</hi> u&#x0364;bertroffen, der einen<lb/>
Brieff an <hi rendition="#fr">Ko&#x0364;nig</hi> <hi rendition="#aq">Henricum III.</hi> in <hi rendition="#fr">Franckreich</hi> drucken la&#x017F;&#x017F;en, worinnen er<lb/>
&#x017F;ich ru&#x0364;hmet, <hi rendition="#fr">daß er 800. Schrifften von allen Dingen, die der men&#x017F;chli-<lb/>
che Ver&#x017F;tand wi&#x017F;&#x017F;en oder begreiffen kan, mit &#x017F;einer Hand ausgearbei-<lb/>
tet, und in 100. Fa&#x0364;chern fertig liegen habe, welche er dem Ko&#x0364;nig ins</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">ge&#x017F;amt</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[202/0246] ſich ſelber redet: Wann alle Himmel-Baumrinden oder Papier, alle Baͤu- me Federn, uud das gantze Meer eitel Dinte waͤre, ſo wuͤrde es doch nicht zureichen, meine Weißheit zu beſchreiben. Hilff Himmel! Was vor ein greulicher Narr muß nicht dieſer Rabbi geweſen ſeyn? Ein von Hochmuth ſtoltzender Gelehrte, Namens Georgius Leontinus pflegte bey oͤffentlichen Zuſammenkuͤnfften, jederman mit groͤſtem Hochmuth freyzuſtellen, in was vor einer Wiſſenſchafft er von ihm wolte unterrichtet ſeyn? Jacobus Mazonius aber gab auf alles, was man ihn fragte, alsbald eine weit- laͤufftige Antwort, und prætendirte alles zu behaupten, oder uͤber einen Hauffen zu werffen. Auch wiſſen wir, daß Franciscus Philelphus in einem Brieffe ſehr prahlerhafft von ſich ſelbſt geſchrieben: Eines unterſtehet ſich Philelphus gar wohl zu behaupten, es mag gleich der Caudidus (ſo hieß ſein Wi- derſacher) deswegen vor Neid zerberſten, daß weder zu dieſer Zeit, noch zuvor jemahls jemand unter deuen Lateinern geweſen ſeye, auſſer mir, welcher allein in der Grichiſchen und Lateiniſchen Sprache der- maſſen geuͤbt geweſen, oder in gebundener und ungebundener Rede ſo viel vermocht hat. Weiſt du jemand anders, ſo nenne ihn. Aber wa- rum ſchweigeſt du dann, du elender Kerl? Dieſe Leute meynen auch, daß es viel zu Erlangung eines groſſen Ruhms beytrage, wann ſie andere Gelehrte uͤberreden, ſie haͤtten eine groſſe Anzahl Buͤcher, von denen ſchwereſten und unbekannteſten Materien fertig liegen, welche ſie, gegen eine anſtaͤndliche Belohnung, alle Augenblicke in die Drucke- rey lieffern koͤnten. Johann Bourdelot beruffet ſich in denen Anmerckungen uͤber den Heliodorus allenthalben auf ſeine andere Schrifften, die doch nie- mals an das Tage-Licht gekommen ſind; und Marcus Meibom pflegte allen Fremden, welche ihn zu Amſterdam beſuchten, groſſe Baͤnde zu zeigen, mit dem Vorgeben, daß er die darinnen enthaltenen Schaͤtze denen Gelehr- ten nicht laͤnger mißgoͤnnen wolte, wann ihm ſelbige mit einer billi- gen Vergeltung, die er aber ſehr hoch anſetzte, bezahlet woͤrden. Doch hat wohl ſo leichte Niemand den la Croix du Maine uͤbertroffen, der einen Brieff an Koͤnig Henricum III. in Franckreich drucken laſſen, worinnen er ſich ruͤhmet, daß er 800. Schrifften von allen Dingen, die der menſchli- che Verſtand wiſſen oder begreiffen kan, mit ſeiner Hand ausgearbei- tet, und in 100. Faͤchern fertig liegen habe, welche er dem Koͤnig ins geſamt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/246
Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/246>, abgerufen am 06.05.2024.