BEy der fünfften Abhandlung und dem Beschluß dieses Tractats habe ich gleich zu voraus erinnern sollen, daß gleichwie sie ohne diß eine Zugabe ist, welche das Werck etwas stärcker machet, als es nach dem ersten Entwurff hätte werden sollen; also ich mich an mein in der Vor- rede gethanes Versprechen, daß ich Niemanden nennen wolte, nicht so gar ge- nau binden werde. Es sind aber auch diejenigen Personen, von denen ich etwas lächerliches anführen, und ihren Namen dabey melden werde, meines Wissens schon alle todt, und im übrigen gemeiniglich solche Männer gewe- sen, die bey ihrem Leben anderer vortrefflichen Gelehrten gar nicht geschohnet, sondern bald diesen bald jenen über die Banck gezogen, und gantz unbarmher- tzig tractirer haben.
Von Carolo Patino erzehlet man, daß als sich selbiger zu Basel bey ei- nem Medico aufgehalten, habe er ungefehr desselben Sohn, einen jungen Studiosum Medicinae gefraget, wie viel Theile der Artzney-Kunst wären? Da nun dieser der gemeinen Ordnung nach geantwortet, Viere, nemlich die Physiologie, Pathologie, Semeiotica und Therapevtica, so hat Patinus den fünfften Theil, welchen er zugleich vor den vornemsten ausgegeben, nem- lich die Marckt-Schreyerey und Charlatans-Griffe hinzugesetzet, weil der- jenige, so diese nicht verstünde, nimmermehr den Namen eines geübten Me- dici verdienen könne. Und zwar hat Patinus nicht übel geurtheilet. Denn de- rer Herumläuffer und Marckt-Schreyer nicht einmal zu gedencken, welche auf öffentlichen Strassen und Gassen auf ihre Gerüste treten, damit sie den Pöbel betrügen, und ihm Ziegel-Staub vor goldene Pulver verkauffen mögen; so frage ich, wie viel wohl auch sogenannte rechte Medici seynd, welche nicht allent- halben ein grosses Seht ihr meine Herren! ausschreyen, und von ihren Seel- und Lebens-Kräffte bringenden Hertz-Stärckungen Groß- und Klein- Welt-Geisterischen Säfften, Indianischen Wunder-Oelen, hochhei- ligen ParacelsistischenPanaceen,unschätzbaren Gold-Träncken Se- raphinischen Ladwergen, Sieben und siebentzigerley Pulvern, GOttes Wunder Güte [p]reißenden Otter-Schmaltze, und weiß nicht wie viel hundert andern dergieichen, mit vielen fürchterlichen Arabischen, und Abra- Cadabtischen Benennungen ausstaffirten Hülffs-Mitteln grosses Wesen
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Fuͤnffte Abhandlung.
BEy der fuͤnfften Abhandlung und dem Beſchluß dieſes Tractats habe ich gleich zu voraus erinnern ſollen, daß gleichwie ſie ohne diß eine Zugabe iſt, welche das Werck etwas ſtaͤrcker machet, als es nach dem erſten Entwurff haͤtte werden ſollen; alſo ich mich an mein in der Vor- rede gethanes Verſprechen, daß ich Niemanden nennen wolte, nicht ſo gar ge- nau binden werde. Es ſind aber auch diejenigen Perſonen, von denen ich etwas laͤcherliches anfuͤhren, und ihren Namen dabey melden werde, meines Wiſſens ſchon alle todt, und im uͤbrigen gemeiniglich ſolche Maͤnner gewe- ſen, die bey ihrem Leben anderer vortrefflichen Gelehrten gar nicht geſchohnet, ſondern bald dieſen bald jenen uͤber die Banck gezogen, und gantz unbarmher- tzig tractirer haben.
Von Carolo Patino erzehlet man, daß als ſich ſelbiger zu Baſel bey ei- nem Medico aufgehalten, habe er ungefehr deſſelben Sohn, einen jungen Studioſum Medicinæ gefraget, wie viel Theile der Artzney-Kunſt waͤren? Da nun dieſer der gemeinen Ordnung nach geantwortet, Viere, nemlich die Phyſiologie, Pathologie, Semeiotica und Therapevtica, ſo hat Patinus den fuͤnfften Theil, welchen er zugleich vor den vornemſten ausgegeben, nem- lich die Marckt-Schreyerey und Charlatans-Griffe hinzugeſetzet, weil der- jenige, ſo dieſe nicht verſtuͤnde, nimmermehr den Namen eines geuͤbten Me- dici verdienen koͤnne. Und zwar hat Patinus nicht uͤbel geurtheilet. Denn de- rer Herumlaͤuffer und Marckt-Schreyer nicht einmal zu gedencken, welche auf oͤffentlichen Straſſen und Gaſſen auf ihre Geruͤſte treten, damit ſie den Poͤbel betruͤgen, und ihm Ziegel-Staub vor goldene Pulver verkauffen moͤgen; ſo frage ich, wie viel wohl auch ſogenannte rechte Medici ſeynd, welche nicht allent- halben ein groſſes Seht ihr meine Herren! ausſchreyen, und von ihren Seel- und Lebens-Kraͤffte bringenden Hertz-Staͤrckungen Groß- und Klein- Welt-Geiſteriſchen Saͤfften, Indianiſchen Wunder-Oelen, hochhei- ligen ParacelſiſtiſchenPanacéen,unſchaͤtzbaren Gold-Traͤncken Se- raphiniſchen Ladwergen, Sieben und ſiebentzigerley Pulvern, GOttes Wunder Guͤte [p]reißenden Otter-Schmaltze, und weiß nicht wie viel hundert andern dergieichen, mit vielen fuͤrchterlichen Arabiſchen, und Abra- Cadabtiſchen Benennungen ausſtaffirten Huͤlffs-Mitteln groſſes Weſen
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Fuͤnffte Abhandlung.
BEy der fuͤnfften Abhandlung und dem Beſchluß dieſes Tractats habe
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Zugabe iſt, welche das Werck etwas ſtaͤrcker machet, als es nach
dem erſten Entwurff haͤtte werden ſollen; alſo ich mich an mein in der Vor-
rede gethanes Verſprechen, daß ich Niemanden nennen wolte, nicht ſo gar ge-
nau binden werde. Es ſind aber auch diejenigen Perſonen, von denen ich
etwas laͤcherliches anfuͤhren, und ihren Namen dabey melden werde, meines
Wiſſens ſchon alle todt, und im uͤbrigen gemeiniglich ſolche Maͤnner gewe-
ſen, die bey ihrem Leben anderer vortrefflichen Gelehrten gar nicht geſchohnet,
ſondern bald dieſen bald jenen uͤber die Banck gezogen, und gantz unbarmher-
tzig tractirer haben.
Von Carolo Patino erzehlet man, daß als ſich ſelbiger zu Baſel bey ei-
nem Medico aufgehalten, habe er ungefehr deſſelben Sohn, einen jungen
Studioſum Medicinæ gefraget, wie viel Theile der Artzney-Kunſt waͤren?
Da nun dieſer der gemeinen Ordnung nach geantwortet, Viere, nemlich die
Phyſiologie, Pathologie, Semeiotica und Therapevtica, ſo hat Patinus den
fuͤnfften Theil, welchen er zugleich vor den vornemſten ausgegeben, nem-
lich die Marckt-Schreyerey und Charlatans-Griffe hinzugeſetzet, weil der-
jenige, ſo dieſe nicht verſtuͤnde, nimmermehr den Namen eines geuͤbten Me-
dici verdienen koͤnne. Und zwar hat Patinus nicht uͤbel geurtheilet. Denn de-
rer Herumlaͤuffer und Marckt-Schreyer nicht einmal zu gedencken, welche auf
oͤffentlichen Straſſen und Gaſſen auf ihre Geruͤſte treten, damit ſie den Poͤbel
betruͤgen, und ihm Ziegel-Staub vor goldene Pulver verkauffen moͤgen; ſo
frage ich, wie viel wohl auch ſogenannte rechte Medici ſeynd, welche nicht allent-
halben ein groſſes Seht ihr meine Herren! ausſchreyen, und von ihren Seel-
und Lebens-Kraͤffte bringenden Hertz-Staͤrckungen Groß- und Klein-
Welt-Geiſteriſchen Saͤfften, Indianiſchen Wunder-Oelen, hochhei-
ligen Paracelſiſtiſchen Panacéen, unſchaͤtzbaren Gold-Traͤncken Se-
raphiniſchen Ladwergen, Sieben und ſiebentzigerley Pulvern, GOttes
Wunder Guͤte preißenden Otter-Schmaltze, und weiß nicht wie viel
hundert andern dergieichen, mit vielen fuͤrchterlichen Arabiſchen, und Abra-
Cadabtiſchen Benennungen ausſtaffirten Huͤlffs-Mitteln groſſes Weſen
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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/235>, abgerufen am 16.02.2025.
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