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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

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theil erfolget: Da aber, und dieweil Beklagter N. die angegebene
Schwängerung mit
Pantionillen gestanden; als ist Beklagter das Kind
so lange zu ernehren schuldig, biß es sein Brod selbst, nach Nothdurfft
verdienen könne.
Aucontraire, ich verstehe hier durch die Auferziehung die-
jenige nothwendige Verrichtung, da sich Eltern unabläßig bemühen, wie ihre
unerzogene Kinder, so wohl was den Leib als die Seele angehet, so unterrichtet
werden möchten, daß sie dermaleinst GOtt, der Kirche, und dem gemeinen
Wesen, tüchtige Dienste leisten könten. Diese Auferziehung, in sensu mora-
li pro directione Morum, & institutione bonarum artium sumta
geschiehet ent-
weder öffentlich unter einer hohen Obrigkeit, in öffentlichen Schulen und
Waysen-Häusern oder wird von denen Eltern zu Hause selbsten, oder durch
ihre darzu bestellten Informatores verrichtet. Dieses aber heisse ich keine Auf-
erziehung, wann Eltern ihren Kindern von Jugend auf, so viel zu fressen und
zu sauffen geben, daß ihnen davon die Bäuche zerbörsten möchten, weil dieses
nicht auferzogen, sondern in der That absurd verzogen heissen kan, oder da
das Söhngen und Töchtergen nach ihrem närrischen Appetit zu allen Galan-
teri
en gewöhnet werden, welches etwa einen schlancken Leib, geschickte Beine,
und sonst ein galantes Ansehen machen könne, oder da es solchen Kindern gar
frey stehet nach ihrer eigenen Commoditaet zu leben wie sie wollen. Daher ent-
stehet bey denen Söhnen das liederliche Leben, welches zuletzt verursachet, daß
sie entweder Soldaten, Ost-Indien-Fahrer oder wohl gar Mause-Märter ab-
geben müssen; die Töchtergen aber gerathen, nach der galanten Art zu reden,
unter die Courtesier-Schwestern. Man darff davon keine bekanten Exempel
anführen, weil sie allzuverdrießlich klingen würden. Genug ist es, daß viele
Eltern allzuspäte, mit ihrem grösten Schaden, und unausbleibender Reue er-
fahren, wie die libertinische Auferziehung ihre Kinder um das zeitliche Glü-
cke, Ehre und Renommee gebracht habe, so, daß sie hernachmahls, auch als
verheyrathete Ehemänner, ihre Häuser stehen lassen, aus der Stadt davon
lauffen, banquerout werden, und ihrer ansehnlichen und vornehmen Familie
einen ewigen Schand-Flecken Anhängen.

Die Auferziehung, ob sie gut oder böse zu nennen seye? können wir am
besten aus derselben Entzweck beurtheilen, welche eintzig und allein dahin gehen
soll, daß die Kräffte des Leibes im Wohlstand erhalten, die Kräffte der See-
len aber mit guten Künsten und Wissenschafften angefüllet werden möchten,
auf daß sie, mit der Zeit tüchtige Werckzeuge des gemeinen Wesens werden

kön-

theil erfolget: Da aber, und dieweil Beklagter N. die angegebene
Schwaͤngerung mit
Pantionillen geſtanden; als iſt Beklagter das Kind
ſo lange zu ernehren ſchuldig, biß es ſein Brod ſelbſt, nach Nothdurfft
verdienen koͤnne.
Aucontraire, ich verſtehe hier durch die Auferziehung die-
jenige nothwendige Verrichtung, da ſich Eltern unablaͤßig bemuͤhen, wie ihre
unerzogene Kinder, ſo wohl was den Leib als die Seele angehet, ſo unterrichtet
werden moͤchten, daß ſie dermaleinſt GOtt, der Kirche, und dem gemeinen
Weſen, tuͤchtige Dienſte leiſten koͤnten. Dieſe Auferziehung, in ſenſu mora-
li pro directione Morum, & inſtitutione bonarum artium ſumta
geſchiehet ent-
weder oͤffentlich unter einer hohen Obrigkeit, in oͤffentlichen Schulen und
Wayſen-Haͤuſern oder wird von denen Eltern zu Hauſe ſelbſten, oder durch
ihre darzu beſtellten Informatores verrichtet. Dieſes aber heiſſe ich keine Auf-
erziehung, wann Eltern ihren Kindern von Jugend auf, ſo viel zu freſſen und
zu ſauffen geben, daß ihnen davon die Baͤuche zerboͤrſten moͤchten, weil dieſes
nicht auferzogen, ſondern in der That abſurd verzogen heiſſen kan, oder da
das Soͤhngen und Toͤchtergen nach ihrem naͤrriſchen Appetit zu allen Galan-
teri
en gewoͤhnet werden, welches etwa einen ſchlancken Leib, geſchickte Beine,
und ſonſt ein galantes Anſehen machen koͤnne, oder da es ſolchen Kindern gar
frey ſtehet nach ihrer eigenen Commoditæt zu leben wie ſie wollen. Daher ent-
ſtehet bey denen Soͤhnen das liederliche Leben, welches zuletzt verurſachet, daß
ſie entweder Soldaten, Oſt-Indien-Fahrer oder wohl gar Mauſe-Maͤrter ab-
geben muͤſſen; die Toͤchtergen aber gerathen, nach der galanten Art zu reden,
unter die Courteſier-Schweſtern. Man darff davon keine bekanten Exempel
anfuͤhren, weil ſie allzuverdrießlich klingen wuͤrden. Genug iſt es, daß viele
Eltern allzuſpaͤte, mit ihrem groͤſten Schaden, und unausbleibender Reue er-
fahren, wie die libertiniſche Auferziehung ihre Kinder um das zeitliche Gluͤ-
cke, Ehre und Renommée gebracht habe, ſo, daß ſie hernachmahls, auch als
verheyrathete Ehemaͤnner, ihre Haͤuſer ſtehen laſſen, aus der Stadt davon
lauffen, banquerout werden, und ihrer anſehnlichen und vornehmen Familie
einen ewigen Schand-Flecken Anhaͤngen.

Die Auferziehung, ob ſie gut oder boͤſe zu nennen ſeye? koͤnnen wir am
beſten aus derſelben Entzweck beurtheilen, welche eintzig und allein dahin gehen
ſoll, daß die Kraͤffte des Leibes im Wohlſtand erhalten, die Kraͤffte der See-
len aber mit guten Kuͤnſten und Wiſſenſchafften angefuͤllet werden moͤchten,
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[180/0224] theil erfolget: Da aber, und dieweil Beklagter N. die angegebene Schwaͤngerung mit Pantionillen geſtanden; als iſt Beklagter das Kind ſo lange zu ernehren ſchuldig, biß es ſein Brod ſelbſt, nach Nothdurfft verdienen koͤnne. Aucontraire, ich verſtehe hier durch die Auferziehung die- jenige nothwendige Verrichtung, da ſich Eltern unablaͤßig bemuͤhen, wie ihre unerzogene Kinder, ſo wohl was den Leib als die Seele angehet, ſo unterrichtet werden moͤchten, daß ſie dermaleinſt GOtt, der Kirche, und dem gemeinen Weſen, tuͤchtige Dienſte leiſten koͤnten. Dieſe Auferziehung, in ſenſu mora- li pro directione Morum, & inſtitutione bonarum artium ſumta geſchiehet ent- weder oͤffentlich unter einer hohen Obrigkeit, in oͤffentlichen Schulen und Wayſen-Haͤuſern oder wird von denen Eltern zu Hauſe ſelbſten, oder durch ihre darzu beſtellten Informatores verrichtet. Dieſes aber heiſſe ich keine Auf- erziehung, wann Eltern ihren Kindern von Jugend auf, ſo viel zu freſſen und zu ſauffen geben, daß ihnen davon die Baͤuche zerboͤrſten moͤchten, weil dieſes nicht auferzogen, ſondern in der That abſurd verzogen heiſſen kan, oder da das Soͤhngen und Toͤchtergen nach ihrem naͤrriſchen Appetit zu allen Galan- terien gewoͤhnet werden, welches etwa einen ſchlancken Leib, geſchickte Beine, und ſonſt ein galantes Anſehen machen koͤnne, oder da es ſolchen Kindern gar frey ſtehet nach ihrer eigenen Commoditæt zu leben wie ſie wollen. Daher ent- ſtehet bey denen Soͤhnen das liederliche Leben, welches zuletzt verurſachet, daß ſie entweder Soldaten, Oſt-Indien-Fahrer oder wohl gar Mauſe-Maͤrter ab- geben muͤſſen; die Toͤchtergen aber gerathen, nach der galanten Art zu reden, unter die Courteſier-Schweſtern. Man darff davon keine bekanten Exempel anfuͤhren, weil ſie allzuverdrießlich klingen wuͤrden. Genug iſt es, daß viele Eltern allzuſpaͤte, mit ihrem groͤſten Schaden, und unausbleibender Reue er- fahren, wie die libertiniſche Auferziehung ihre Kinder um das zeitliche Gluͤ- cke, Ehre und Renommée gebracht habe, ſo, daß ſie hernachmahls, auch als verheyrathete Ehemaͤnner, ihre Haͤuſer ſtehen laſſen, aus der Stadt davon lauffen, banquerout werden, und ihrer anſehnlichen und vornehmen Familie einen ewigen Schand-Flecken Anhaͤngen. Die Auferziehung, ob ſie gut oder boͤſe zu nennen ſeye? koͤnnen wir am beſten aus derſelben Entzweck beurtheilen, welche eintzig und allein dahin gehen ſoll, daß die Kraͤffte des Leibes im Wohlſtand erhalten, die Kraͤffte der See- len aber mit guten Kuͤnſten und Wiſſenſchafften angefuͤllet werden moͤchten, auf daß ſie, mit der Zeit tuͤchtige Werckzeuge des gemeinen Weſens werden koͤn-

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Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/224>, abgerufen am 21.11.2024.