geitzigen Schrabern hingegen siehet es in diesem Stücke gantz anders aus, und kommen mir diese Leute, wann ich sie denen lustigen Brüdern gerade opponire, nicht anders als wie die Spanier und Frantzosen vor. Denn worinnen diese eine sonderliche Delicatesse und ungemeine Scharffsinnigkeit finden, das kömmt jenen gantz einfältig und läppisch vor, und was insgemein ein junger und munterer Kerl vor sein höchstes Guth zu halten pfleget, das kommt einem alten Sauertopff gantz Spanisch und wunderlich vor. Ja es möchte ein alter Ehren-Zeißig, wann er die Lustbarkeiten junger Leute mit ansiehet, vor Angst und Hertzeleid, den Magen verrencken, und die Seele, welche ohnedem nicht gar zu feste sitzet, von unten aus hinweg purgiren. Deswegen geschiehet es, das die alten Leute insgemein mißtrauisch und geitzig seyn, auch den gantzen Tag nichts anders thun als queruliren und klagen. Ja, seufftzen sie, wann der Feind, bey einem entstehenden Kriege, ins Land kommt, und ein Stücke vom Himmel von ungefähr einfallen solte, wie dann Nie- mand darüber einPrivilegiumaufweisen kan, so würden wir armen Leu- te von Haus und Hofe lauffen müssen, und könte kein Mensch seines Le- bens eine Stunde sicher seyn. Jedoch darff man sich eben nicht so groß wun- dern, warum alte Leute insgemein so pimpeln und klagen, und alle Pfennige und Dreyer, wann sie ja einen davon ausgeben sollen, sechs biß siebenmal umzuwenden pflegen, weil sie wegen Schwachheit des Alters ihren Kräfften nichts mehr zutrauen, und aus diesem Grunde glauben, daß wan sie auf einen Thaler und Groschen nicht mehr sähen, sie alsdann in ihrem hohen Alter ver- hungern und verderben müsten.
Die Auferziehung eines Menschen, wann sie gut und vernünfftig gewe- sen ist, kan ihn glücklich, und zu einen weisen Mann machen. Wo sie aber böse, und ohne Vernunfft, von Eltern, oder denen, so Eltern-Stelle ver- treten sollen, tractiret worden, so wird mit der Zeit, aus einem solchem ar- men Menschen christiane loquendo, ein vollkommener Höllen-Brand, & philosophice dicendo, ein Mancipium omnium bestialium affectuum, welcher sich vor der Zeit muthwillig in das zeitliche und ewige Verderben stürtzet, weil alsdann der Mensch nicht wider die Affecten zu leben gewohnet ist. Ich nehme aber die Auferziehung hier nicht in sensu juridico, da ein Vater Infan- tem vel ex justis nuptiis susceptum, vel a se ipso agnitum, vel ob concubi- tum demonstratum nach Nothdurfft ernehren muß; da dann insgemein, in posteriori casu, non obstante exceptione concubitus cum aliis das schöne Ur-
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geitzigen Schrabern hingegen ſiehet es in dieſem Stuͤcke gantz anders aus, und kommen mir dieſe Leute, wann ich ſie denen luſtigen Bruͤdern gerade opponire, nicht anders als wie die Spanier und Frantzoſen vor. Denn worinnen dieſe eine ſonderliche Delicateſſe und ungemeine Scharffſinnigkeit finden, das koͤmmt jenen gantz einfaͤltig und laͤppiſch vor, und was insgemein ein junger und munterer Kerl vor ſein hoͤchſtes Guth zu halten pfleget, das kommt einem alten Sauertopff gantz Spaniſch und wunderlich vor. Ja es moͤchte ein alter Ehren-Zeißig, wann er die Luſtbarkeiten junger Leute mit anſiehet, vor Angſt und Hertzeleid, den Magen verrencken, und die Seele, welche ohnedem nicht gar zu feſte ſitzet, von unten aus hinweg purgiren. Deswegen geſchiehet es, das die alten Leute insgemein mißtrauiſch und geitzig ſeyn, auch den gantzen Tag nichts anders thun als queruliren und klagen. Ja, ſeufftzen ſie, wann der Feind, bey einem entſtehenden Kriege, ins Land kommt, und ein Stuͤcke vom Himmel von ungefaͤhr einfallen ſolte, wie dann Nie- mand daruͤber einPrivilegiumaufweiſen kan, ſo wuͤrden wir armen Leu- te von Haus und Hofe lauffen muͤſſen, und koͤnte kein Menſch ſeines Le- bens eine Stunde ſicher ſeyn. Jedoch darff man ſich eben nicht ſo groß wun- dern, warum alte Leute insgemein ſo pimpeln und klagen, und alle Pfennige und Dreyer, wann ſie ja einen davon ausgeben ſollen, ſechs biß ſiebenmal umzuwenden pflegen, weil ſie wegen Schwachheit des Alters ihren Kraͤfften nichts mehr zutrauen, und aus dieſem Grunde glauben, daß wan ſie auf einen Thaler und Groſchen nicht mehr ſaͤhen, ſie alsdann in ihrem hohen Alter ver- hungern und verderben muͤſten.
Die Auferziehung eines Menſchen, wann ſie gut und vernuͤnfftig gewe- ſen iſt, kan ihn gluͤcklich, und zu einen weiſen Mann machen. Wo ſie aber boͤſe, und ohne Vernunfft, von Eltern, oder denen, ſo Eltern-Stelle ver- treten ſollen, tractiret worden, ſo wird mit der Zeit, aus einem ſolchem ar- men Menſchen chriſtianè loquendo, ein vollkommener Hoͤllen-Brand, & philoſophice dicendo, ein Mancipium omnium beſtialium affectuum, welcher ſich vor der Zeit muthwillig in das zeitliche und ewige Verderben ſtuͤrtzet, weil alsdann der Menſch nicht wider die Affecten zu leben gewohnet iſt. Ich nehme aber die Auferziehung hier nicht in ſenſu juridico, da ein Vater Infan- tem vel ex juſtis nuptiis ſuſceptum, vel â ſe ipſo agnitum, vel ob concubi- tum demonſtratum nach Nothdurfft ernehren muß; da dann insgemein, in poſteriori caſu, non obſtante exceptione concubitus cum aliis das ſchoͤne Ur-
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[179/0223]
geitzigen Schrabern hingegen ſiehet es in dieſem Stuͤcke gantz anders aus, und
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eine ſonderliche Delicateſſe und ungemeine Scharffſinnigkeit finden, das
koͤmmt jenen gantz einfaͤltig und laͤppiſch vor, und was insgemein ein junger
und munterer Kerl vor ſein hoͤchſtes Guth zu halten pfleget, das kommt einem
alten Sauertopff gantz Spaniſch und wunderlich vor. Ja es moͤchte ein alter
Ehren-Zeißig, wann er die Luſtbarkeiten junger Leute mit anſiehet, vor Angſt
und Hertzeleid, den Magen verrencken, und die Seele, welche ohnedem nicht
gar zu feſte ſitzet, von unten aus hinweg purgiren. Deswegen geſchiehet es,
das die alten Leute insgemein mißtrauiſch und geitzig ſeyn, auch den gantzen
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der Feind, bey einem entſtehenden Kriege, ins Land kommt, und ein
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te von Haus und Hofe lauffen muͤſſen, und koͤnte kein Menſch ſeines Le-
bens eine Stunde ſicher ſeyn. Jedoch darff man ſich eben nicht ſo groß wun-
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und Dreyer, wann ſie ja einen davon ausgeben ſollen, ſechs biß ſiebenmal
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nichts mehr zutrauen, und aus dieſem Grunde glauben, daß wan ſie auf einen
Thaler und Groſchen nicht mehr ſaͤhen, ſie alsdann in ihrem hohen Alter ver-
hungern und verderben muͤſten.
Die Auferziehung eines Menſchen, wann ſie gut und vernuͤnfftig gewe-
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ſich vor der Zeit muthwillig in das zeitliche und ewige Verderben ſtuͤrtzet,
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poſteriori caſu, non obſtante exceptione concubitus cum aliis das ſchoͤne Ur-
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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/223>, abgerufen am 16.02.2025.
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