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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

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her, mit klingendem Spiel, Trommeln und Pfeiffen, und fliegenden
Fahnen marchiret,
wie noch heut zu Tage folches bey Processionen gebräuch-
lich ist. Item, daß sie allezeit mit Purpur gegläntzet, worinnen der
Papst und seine
Cardinaele prangen. Ja, daß man jederzeit Monstran-
tzen aufgesetzet, oder auf denen Gassen einhergetragen, die von Gold
und Edelgestein gegläntzet, wie die helle Sonne;
und daraus schlüsset
er, daß solches nothwendiger Weise die wahre Kirche seyn müsse. Aber
du elender Marck-Schreyer, wo denckest du doch hin? Weist du nicht, daß
Christus, indem er seine Kirche auf Erden eingesetzet und befestiget hat, ihr zu
gleicher Zeit gewisse Characteres und Merckmahle beygeleget, woran man sie
und alle die Seinigen erkennen solle? Weist du es nicht, so schlage nach, und
halte alsdann das Portrait, welches Christus von seiner Kirche gemacht, gegen
die prächtige und gläntzende Gestalt der Römisch-Catholischen Kirche. Ach
da wirst du einen sehr grossen Unterscheid finden. Hiernechst spricht ja Chri-
stus. Mein Reich ist nicht von dieser Welt etc. Item: Die weltlichen
Fursten herrschen, und die Gewaltigen heisset man gnädige Herren;
ihr aber nicht also.
Gleichwohl thut der Pabst das Widerspiel. Er me-
li
ret sich in die meisten weltlichen Händel, und praetendiret über Kayser, Kö-
nige und Fürsten,
Kurtz zu sagen, über die gantze Welt zu herrschen, hat sich
auch schon mehr als einmahl unterstanden, Königreiche und Fürstenthumer
in der Welt, nach, seinem Gefallen zu verschencken und auszutheilen. Ich fra-
ge ob dieses ein Merckmahlist, woran man das sichtbare Ober-Haupt der prae-
tendir
ten wahren Kirche erkennen könne?

Das Evangelium, welches bey denen Evangelischen geprediget wird, nen-
net dieser tolle Schreyer ein Lutherisches Evangelium; da es doch anders nichts
als das klare, aus Heil. Schrifft gezogene, Wort GOttes ist.

Auch beschuldiget er uns Evangelische, als ob wir nicht wüsten, wie viele
Sacramenta wir statuiren solten, zwey oder dreye; da doch in unserm Cato-
chismo schon zweyhundert Jahre lang mehr nicht als zwey zu finden. Beym
Anfang der Reformation hat man freylich über die Zahl derer Sacramenten
disputiret, solche aber bald hernach auf zwey feste gesetzet. Wüste der vor Eyffer
brennende Haase, daß auf Römisch Catholischen Conciliis, in denen alten Zeiten
mehr als einmal die Frage von der Zahl derer Sacramenten auf das Tapet ge-
kommen, und von einigen schon biß auf dreyßig und noch mehr angetragen

wor-

her, mit klingendem Spiel, Trommeln und Pfeiffen, und fliegenden
Fahnen marchiret,
wie noch heut zu Tage folches bey Proceſſionen gebraͤuch-
lich iſt. Item, daß ſie allezeit mit Purpur geglaͤntzet, worinnen der
Papſt und ſeine
Cardinæle prangen. Ja, daß man jederzeit Monſtran-
tzen aufgeſetzet, oder auf denen Gaſſen einhergetragen, die von Gold
und Edelgeſtein geglaͤntzet, wie die helle Sonne;
und daraus ſchluͤſſet
er, daß ſolches nothwendiger Weiſe die wahre Kirche ſeyn muͤſſe. Aber
du elender Marck-Schreyer, wo denckeſt du doch hin? Weiſt du nicht, daß
Chriſtus, indem er ſeine Kirche auf Erden eingeſetzet und befeſtiget hat, ihr zu
gleicher Zeit gewiſſe Characteres und Merckmahle beygeleget, woran man ſie
und alle die Seinigen erkennen ſolle? Weiſt du es nicht, ſo ſchlage nach, und
halte alsdann das Portrait, welches Chriſtus von ſeiner Kirche gemacht, gegen
die praͤchtige und glaͤntzende Geſtalt der Roͤmiſch-Catholiſchen Kirche. Ach
da wirſt du einen ſehr groſſen Unterſcheid finden. Hiernechſt ſpricht ja Chri-
ſtus. Mein Reich iſt nicht von dieſer Welt ꝛc. Item: Die weltlichen
Fůrſten herrſchen, und die Gewaltigen heiſſet man gnaͤdige Herren;
ihr aber nicht alſo.
Gleichwohl thut der Pabſt das Widerſpiel. Er me-
li
ret ſich in die meiſten weltlichen Haͤndel, und prætendiret uͤber Kayſer, Koͤ-
nige und Fuͤrſten,
Kurtz zu ſagen, uͤber die gantze Welt zu herrſchen, hat ſich
auch ſchon mehr als einmahl unterſtanden, Koͤnigreiche und Fuͤrſtenthůmer
in der Welt, nach, ſeinem Gefallen zu verſchencken und auszutheilen. Ich fra-
ge ob dieſes ein Merckmahliſt, woran man das ſichtbare Ober-Haupt der præ-
tendir
ten wahren Kirche erkennen koͤnne?

Das Evangelium, welches bey denen Evangeliſchen geprediget wird, nen-
net dieſer tolle Schreyer ein Lutheriſches Evangelium; da es doch anders nichts
als das klare, aus Heil. Schrifft gezogene, Wort GOttes iſt.

Auch beſchuldiget er uns Evangeliſche, als ob wir nicht wuͤſten, wie viele
Sacramenta wir ſtatuiren ſolten, zwey oder dreye; da doch in unſerm Cato-
chiſmo ſchon zweyhundert Jahre lang mehr nicht als zwey zu finden. Beym
Anfang der Reformation hat man freylich uͤber die Zahl derer Sacramenten
diſputiret, ſolche aber bald hernach auf zwey feſte geſetzet. Wuͤſte der vor Eyffer
brennende Haaſe, daß auf Roͤmiſch Catholiſchen Conciliis, in denen alten Zeiten
mehr als einmal die Frage von der Zahl derer Sacramenten auf das Tapet ge-
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[168/0212] her, mit klingendem Spiel, Trommeln und Pfeiffen, und fliegenden Fahnen marchiret, wie noch heut zu Tage folches bey Proceſſionen gebraͤuch- lich iſt. Item, daß ſie allezeit mit Purpur geglaͤntzet, worinnen der Papſt und ſeine Cardinæle prangen. Ja, daß man jederzeit Monſtran- tzen aufgeſetzet, oder auf denen Gaſſen einhergetragen, die von Gold und Edelgeſtein geglaͤntzet, wie die helle Sonne; und daraus ſchluͤſſet er, daß ſolches nothwendiger Weiſe die wahre Kirche ſeyn muͤſſe. Aber du elender Marck-Schreyer, wo denckeſt du doch hin? Weiſt du nicht, daß Chriſtus, indem er ſeine Kirche auf Erden eingeſetzet und befeſtiget hat, ihr zu gleicher Zeit gewiſſe Characteres und Merckmahle beygeleget, woran man ſie und alle die Seinigen erkennen ſolle? Weiſt du es nicht, ſo ſchlage nach, und halte alsdann das Portrait, welches Chriſtus von ſeiner Kirche gemacht, gegen die praͤchtige und glaͤntzende Geſtalt der Roͤmiſch-Catholiſchen Kirche. Ach da wirſt du einen ſehr groſſen Unterſcheid finden. Hiernechſt ſpricht ja Chri- ſtus. Mein Reich iſt nicht von dieſer Welt ꝛc. Item: Die weltlichen Fůrſten herrſchen, und die Gewaltigen heiſſet man gnaͤdige Herren; ihr aber nicht alſo. Gleichwohl thut der Pabſt das Widerſpiel. Er me- liret ſich in die meiſten weltlichen Haͤndel, und prætendiret uͤber Kayſer, Koͤ- nige und Fuͤrſten, Kurtz zu ſagen, uͤber die gantze Welt zu herrſchen, hat ſich auch ſchon mehr als einmahl unterſtanden, Koͤnigreiche und Fuͤrſtenthůmer in der Welt, nach, ſeinem Gefallen zu verſchencken und auszutheilen. Ich fra- ge ob dieſes ein Merckmahliſt, woran man das ſichtbare Ober-Haupt der præ- tendirten wahren Kirche erkennen koͤnne? Das Evangelium, welches bey denen Evangeliſchen geprediget wird, nen- net dieſer tolle Schreyer ein Lutheriſches Evangelium; da es doch anders nichts als das klare, aus Heil. Schrifft gezogene, Wort GOttes iſt. Auch beſchuldiget er uns Evangeliſche, als ob wir nicht wuͤſten, wie viele Sacramenta wir ſtatuiren ſolten, zwey oder dreye; da doch in unſerm Cato- chiſmo ſchon zweyhundert Jahre lang mehr nicht als zwey zu finden. Beym Anfang der Reformation hat man freylich uͤber die Zahl derer Sacramenten diſputiret, ſolche aber bald hernach auf zwey feſte geſetzet. Wuͤſte der vor Eyffer brennende Haaſe, daß auf Roͤmiſch Catholiſchen Conciliis, in denen alten Zeiten mehr als einmal die Frage von der Zahl derer Sacramenten auf das Tapet ge- kommen, und von einigen ſchon biß auf dreyßig und noch mehr angetragen wor-

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Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/212>, abgerufen am 07.05.2024.