Teller leckten, da mittlerweile alle andere Gelehrte die Tische voller herrlicher Speise hatten, so von denen besten Scientiis zugerichtet waren. Damals be- kamen die hohen und vortrefflichen Ingenia einen Eckol und Abscheu vor denen Digestis und dem Codice, als welche zu nichts dienen, dann nur den Leib zu erfüllen, und grossen Reichthum zusammen zu scharren, daran sie doch endlich, wie an einem auszehrenden Fieber sterben und ver schmachten müssen. Vor allen andern herrlichen Banqueten aber, war Caji Plinii seines sehr merck- würdig und wohl anzusehen. Denn ungeachtet die vornehmsten unter denen Gelehrten aus allen Facultäten, so in dem Parnasso residiren, sich dabey befan- den, hat er doch einen jeglichen auff das allerbeste, mit ihrer höchsten Satisfa- ction, herrlich und stattlich tractiret Ob aber gleich der meiste Theil derer Speisen oder Gerichte, von lauter rothen Rüben waren, so hatte doch dieser weise und hochverständige Mann, dieselben auff mancherley Art und Weise zugerichtet, dergestalt, daß die sämtlichen Gelehrten, sie vor so viele unterschie- dene Speisen hielten, auch solche mit sonderlicher Lust und Begierde assen und zu sich nahmen. Indem Apollo umher spatzierte, die vielfältigen Gastereyen in Augenschein zu nehmen, wurde ihm von einem Ferraresischen Bauer, Pa- stor Fido genannt, eine herrliche wohlriechende Torte verehret, welche ihm so wohl gefiele, daß er sich nicht enthalten, noch der ordinairen Mahlzeit er- warten kunte, sondern mitten auff der Strasse selbige zu versuchen anfieng, welche ihm auch so delicat schmeckte, daß er auff gut Bäurisch das Maul und zehen Finger darnach leckte. Dieweil er sie nun so ausserordentlich gut be- fande, achtete er es vor eine grosse Unhöfflichkeit, wenn er dieselbe allein auf- zehren solte, hielte derowegen vor rathsam, denen sämtlichen Musen auch et- was davon zukommen zu lassen, damit dieselben, als welche entweder mit schönen Versen und andern löblichen Sachen schwanger gehen, daferne sie vielleicht lüstern darnach wären, nicht etwa zur Unzeit gebären, oder ihre Poesie ein Mahlzeichen und Flecken mit auff die Welt brächte. Indem nun Apollo und die Musen mit trefflichem Appetit von dieser Torte assen, wur- den sie gewahr, daß die Gelehrten, so um Ihro Parnaßische Majestät wa- ren, ein sehr grosses Verlangen hatten, die Torte auch zu versuchen, wan- nenhero Ihro Parnaßische Majestät einem jeden aus denenselbigen etwas da- von zukommen liessen, welche Ihnen en general so herrlich gut schmeckte, daß sie bekannten, ihr lebetag dergleichen nicht versucht zu haben. Ein eintziger unter denen Gelehrten ward gefunden, der vorgeben durffte: Ihm hätte davor gegrauet, dieweil sie gar zu süß gewesen wäre. Dem gab aber
Apollo
S
Teller leckten, da mittlerweile alle andere Gelehrte die Tiſche voller herrlicher Speiſe hatten, ſo von denen beſten Scientiis zugerichtet waren. Damals be- kamen die hohen und vortrefflichen Ingenia einen Eckol und Abſcheu vor denen Digeſtis und dem Codice, als welche zu nichts dienen, dann nur den Leib zu erfuͤllen, und groſſen Reichthum zuſammen zu ſcharren, daran ſie doch endlich, wie an einem auszehrenden Fieber ſterben und ver ſchmachten muͤſſen. Vor allen andern herrlichen Banqueten aber, war Caji Plinii ſeines ſehr merck- wuͤrdig und wohl anzuſehen. Denn ungeachtet die vornehmſten unter denen Gelehrten aus allen Facultaͤten, ſo in dem Parnaſſo reſidiren, ſich dabey befan- den, hat er doch einen jeglichen auff das allerbeſte, mit ihrer hoͤchſten Satisfa- ction, herrlich und ſtattlich tractiret Ob aber gleich der meiſte Theil derer Speiſen oder Gerichte, von lauter rothen Ruͤben waren, ſo hatte doch dieſer weiſe und hochverſtaͤndige Mann, dieſelben auff mancherley Art und Weiſe zugerichtet, dergeſtalt, daß die ſaͤmtlichen Gelehrten, ſie vor ſo viele unterſchie- dene Speiſen hielten, auch ſolche mit ſonderlicher Luſt und Begierde aſſen und zu ſich nahmen. Indem Apollo umher ſpatzierte, die vielfaͤltigen Gaſtereyen in Augenſchein zu nehmen, wurde ihm von einem Ferrareſiſchen Bauer, Pa- ſtor Fido genannt, eine herrliche wohlriechende Torte verehret, welche ihm ſo wohl gefiele, daß er ſich nicht enthalten, noch der ordinairen Mahlzeit er- warten kunte, ſondern mitten auff der Straſſe ſelbige zu verſuchen anfieng, welche ihm auch ſo delicat ſchmeckte, daß er auff gut Baͤuriſch das Maul und zehen Finger darnach leckte. Dieweil er ſie nun ſo auſſerordentlich gut be- fande, achtete er es vor eine groſſe Unhoͤfflichkeit, wenn er dieſelbe allein auf- zehren ſolte, hielte derowegen vor rathſam, denen ſaͤmtlichen Muſen auch et- was davon zukommen zu laſſen, damit dieſelben, als welche entweder mit ſchoͤnen Verſen und andern loͤblichen Sachen ſchwanger gehen, daferne ſie vielleicht luͤſtern darnach waͤren, nicht etwa zur Unzeit gebaͤren, oder ihre Poëſie ein Mahlzeichen und Flecken mit auff die Welt braͤchte. Indem nun Apollo und die Muſen mit trefflichem Appetit von dieſer Torte aſſen, wur- den ſie gewahr, daß die Gelehrten, ſo um Ihro Parnaßiſche Majeſtaͤt wa- ren, ein ſehr groſſes Verlangen hatten, die Torte auch zu verſuchen, wan- nenhero Ihro Parnaßiſche Majeſtaͤt einem jeden aus denenſelbigen etwas da- von zukommen lieſſen, welche Ihnen en general ſo herrlich gut ſchmeckte, daß ſie bekannten, ihr lebetag dergleichen nicht verſucht zu haben. Ein eintziger unter denen Gelehrten ward gefunden, der vorgeben durffte: Ihm haͤtte davor gegrauet, dieweil ſie gar zu ſuͤß geweſen waͤre. Dem gab aber
Apollo
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kamen die hohen und vortrefflichen Ingenia einen Eckol und Abſcheu vor denen
Digeſtis und dem Codice, als welche zu nichts dienen, dann nur den Leib zu
erfuͤllen, und groſſen Reichthum zuſammen zu ſcharren, daran ſie doch endlich,
wie an einem auszehrenden Fieber ſterben und ver ſchmachten muͤſſen. Vor
allen andern herrlichen Banqueten aber, war Caji Plinii ſeines ſehr merck-
wuͤrdig und wohl anzuſehen. Denn ungeachtet die vornehmſten unter denen
Gelehrten aus allen Facultaͤten, ſo in dem Parnaſſo reſidiren, ſich dabey befan-
den, hat er doch einen jeglichen auff das allerbeſte, mit ihrer hoͤchſten Satisfa-
ction, herrlich und ſtattlich tractiret Ob aber gleich der meiſte Theil derer
Speiſen oder Gerichte, von lauter rothen Ruͤben waren, ſo hatte doch dieſer
weiſe und hochverſtaͤndige Mann, dieſelben auff mancherley Art und Weiſe
zugerichtet, dergeſtalt, daß die ſaͤmtlichen Gelehrten, ſie vor ſo viele unterſchie-
dene Speiſen hielten, auch ſolche mit ſonderlicher Luſt und Begierde aſſen und
zu ſich nahmen. Indem Apollo umher ſpatzierte, die vielfaͤltigen Gaſtereyen
in Augenſchein zu nehmen, wurde ihm von einem Ferrareſiſchen Bauer, Pa-
ſtor Fido genannt, eine herrliche wohlriechende Torte verehret, welche ihm
ſo wohl gefiele, daß er ſich nicht enthalten, noch der ordinairen Mahlzeit er-
warten kunte, ſondern mitten auff der Straſſe ſelbige zu verſuchen anfieng,
welche ihm auch ſo delicat ſchmeckte, daß er auff gut Baͤuriſch das Maul und
zehen Finger darnach leckte. Dieweil er ſie nun ſo auſſerordentlich gut be-
fande, achtete er es vor eine groſſe Unhoͤfflichkeit, wenn er dieſelbe allein auf-
zehren ſolte, hielte derowegen vor rathſam, denen ſaͤmtlichen Muſen auch et-
was davon zukommen zu laſſen, damit dieſelben, als welche entweder mit
ſchoͤnen Verſen und andern loͤblichen Sachen ſchwanger gehen, daferne ſie
vielleicht luͤſtern darnach waͤren, nicht etwa zur Unzeit gebaͤren, oder ihre
Poëſie ein Mahlzeichen und Flecken mit auff die Welt braͤchte. Indem nun
Apollo und die Muſen mit trefflichem Appetit von dieſer Torte aſſen, wur-
den ſie gewahr, daß die Gelehrten, ſo um Ihro Parnaßiſche Majeſtaͤt wa-
ren, ein ſehr groſſes Verlangen hatten, die Torte auch zu verſuchen, wan-
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ſie bekannten, ihr lebetag dergleichen nicht verſucht zu haben. Ein eintziger
unter denen Gelehrten ward gefunden, der vorgeben durffte: Ihm haͤtte
davor gegrauet, dieweil ſie gar zu ſuͤß geweſen waͤre. Dem gab aber
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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/181>, abgerufen am 16.02.2025.
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