auch derohalben vor, solche zu verbessern. Aber ihr müsset wis- sen, daß gleich in denen ersten Stunden, da ich mich mit der Fürst- lichen Würde bekleidet sahe, ich gleichsam fühlete, wie mir die Be- gierde nach der Gewalt zu herrschen, diesen meinen guten Vorsatz gäntzlich aus dem Sinn und Hertzen gerissen, dergestalt, daß ich, solches euch mit deutlichen Worten zu sagen,vi dominationis convul- sus & mutatus,dieActionesmeines Vorfahren, welche ich, in mei- nemPrivatLeben, als tyrannisch und gottloß verfluchet und ver- maledeyet hatte, vor tugendhaffte, gute, undad rationem Status sehr nothwendigePraeceptazu halten anfieng. Ich kunte also der Regiersucht, die mir in das Gehirn kam, nicht allein im ge- ringsten keinen Wiederstand thun, sondern ich hielte sogar davor, es würde meinerReputationgantz zuwider seyn, wann ich mich nicht der höchsten undabsoluten Gewalt unterziehen, und selbige, an mich zu bringen trachten solte. Diese meine unersättliche Re- giersucht nun, hat den Haß und Unwillen des Raths, des Adels, und des gemeinen Mannes wieder mich verursachet, und mich endlich in diesesLabyrinth,wie ihr sehet, gestürtzet. Meine Un- wissenheit hat mich keinesweges in diese Ungelegenheit gebracht, sondern daß ich zu viel gewust, und gar zu gelehrt gewesen bin. Denn, wer inLesbo,als einem Wahl-Fürstenthum, wo die Un- terthanen zwischen der Freyheit und Sclaverey schweben,nec to- tam libertatem nec totam servitutem, pati possunt,die sich weder der völligen Freyheit zu gebrauchen noch in die Dienstbarkeit zu schicken wissen lange und friedlich zu regieren begehret, der muß sichresolvi- ren, die Sachen in dem Stande zu lassen, wie er sie findet. Ja er muß eines Fried-liebenden Gemüths, und von aller Ehr- und Re- giersucht entlediget seyn, mithin dieses schwerePraeceptum Po- liticumwohl zupracticiren wissen, daß er auch andere neben sich leben lasse. Es sind demnach alle diejenigen, welche gar zu ver- ständigePolitici,wie ich gewesen bin, so von Natur zu derab- soluten Herrschafft geneigt und angereitzet werden, und die da
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auch derohalben vor, ſolche zu verbeſſern. Aber ihr muͤſſet wiſ- ſen, daß gleich in denen erſten Stunden, da ich mich mit der Fuͤrſt- lichen Wuͤrde bekleidet ſahe, ich gleichſam fuͤhlete, wie mir die Be- gierde nach der Gewalt zu herrſchen, dieſen meinen guten Vorſatz gaͤntzlich aus dem Sinn und Hertzen geriſſen, dergeſtalt, daß ich, ſolches euch mit deutlichen Worten zu ſagen,vi dominationis convul- ſus & mutatus,dieActionesmeines Vorfahren, welche ich, in mei- nemPrivatLeben, als tyranniſch und gottloß verfluchet und ver- maledeyet hatte, vor tugendhaffte, gute, undad rationem Status ſehr nothwendigePræceptazu halten anfieng. Ich kunte alſo der Regierſucht, die mir in das Gehirn kam, nicht allein im ge- ringſten keinen Wiederſtand thun, ſondern ich hielte ſogar davor, es wuͤrde meinerReputationgantz zuwider ſeyn, wann ich mich nicht der hoͤchſten undabſoluten Gewalt unterziehen, und ſelbige, an mich zu bringen trachten ſolte. Dieſe meine unerſaͤttliche Re- gierſucht nun, hat den Haß und Unwillen des Raths, des Adels, und des gemeinen Mannes wieder mich verurſachet, und mich endlich in dieſesLabyrinth,wie ihr ſehet, geſtuͤrtzet. Meine Un- wiſſenheit hat mich keinesweges in dieſe Ungelegenheit gebracht, ſondern daß ich zu viel gewuſt, und gar zu gelehrt geweſen bin. Denn, wer inLesbo,als einem Wahl-Fuͤrſtenthum, wo die Un- terthanen zwiſchen der Freyheit und Sclaverey ſchweben,nec to- tam libertatem nec totam ſervitutem, pati poſſunt,die ſich weder der voͤlligen Freyheit zu gebrauchen noch in die Dienſtbarkeit zu ſchicken wiſſen lange und friedlich zu regieren begehret, der muß ſichreſolvi- ren, die Sachen in dem Stande zu laſſen, wie er ſie findet. Ja er muß eines Fried-liebenden Gemuͤths, und von aller Ehr- und Re- gierſucht entlediget ſeyn, mithin dieſes ſchwerePræceptum Po- liticumwohl zupracticiren wiſſen, daß er auch andere neben ſich leben laſſe. Es ſind demnach alle diejenigen, welche gar zu ver- ſtaͤndigePolitici,wie ich geweſen bin, ſo von Natur zu derab- ſoluten Herrſchafft geneigt und angereitzet werden, und die da
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gierde nach der Gewalt zu herrſchen, dieſen meinen guten Vorſatz
gaͤntzlich aus dem Sinn und Hertzen geriſſen, dergeſtalt, daß ich,
ſolches euch mit deutlichen Worten zu ſagen, vi dominationis convul-
ſus & mutatus, die Actiones meines Vorfahren, welche ich, in mei-
nem Privat Leben, als tyranniſch und gottloß verfluchet und ver-
maledeyet hatte, vor tugendhaffte, gute, und ad rationem Status
ſehr nothwendige Præcepta zu halten anfieng. Ich kunte alſo
der Regierſucht, die mir in das Gehirn kam, nicht allein im ge-
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es wuͤrde meiner Reputation gantz zuwider ſeyn, wann ich mich
nicht der hoͤchſten und abſoluten Gewalt unterziehen, und ſelbige,
an mich zu bringen trachten ſolte. Dieſe meine unerſaͤttliche Re-
gierſucht nun, hat den Haß und Unwillen des Raths, des Adels,
und des gemeinen Mannes wieder mich verurſachet, und mich
endlich in dieſes Labyrinth, wie ihr ſehet, geſtuͤrtzet. Meine Un-
wiſſenheit hat mich keinesweges in dieſe Ungelegenheit gebracht,
ſondern daß ich zu viel gewuſt, und gar zu gelehrt geweſen bin.
Denn, wer in Lesbo, als einem Wahl-Fuͤrſtenthum, wo die Un-
terthanen zwiſchen der Freyheit und Sclaverey ſchweben, nec to-
tam libertatem nec totam ſervitutem, pati poſſunt, die ſich weder der
voͤlligen Freyheit zu gebrauchen noch in die Dienſtbarkeit zu ſchicken
wiſſen lange und friedlich zu regieren begehret, der muß ſich reſolvi-
ren, die Sachen in dem Stande zu laſſen, wie er ſie findet. Ja er
muß eines Fried-liebenden Gemuͤths, und von aller Ehr- und Re-
gierſucht entlediget ſeyn, mithin dieſes ſchwere Præceptum Po-
liticum wohl zu practiciren wiſſen, daß er auch andere neben ſich
leben laſſe. Es ſind demnach alle diejenigen, welche gar zu ver-
ſtaͤndige Politici, wie ich geweſen bin, ſo von Natur zu der ab-
ſoluten Herrſchafft geneigt und angereitzet werden, und die da
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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/179>, abgerufen am 16.02.2025.
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